
Am Mittwoch (18.01.) hat das Wetter gepasst, immer noch starker Wind, aber der sollte sich laut Vorhersage am Nachmittag legen bzw. schwächer werden. Und von da ab mal stärker, mal schwächer exakt in unsere Richtung wehen: zu den Kanaren hin. Den ganzen Vormittag schlechte Vorzeichen (für abergläubische Seefahrer): beim Aussteigen über Leine gestolpert, Kaffee verschüttet, der Kuli aus dem Logbuch ist nicht auffindbar. Dann noch einmal Wasser randvoll gebunkert und um halb eins ging es los. Und der unauffindbare Kuli kullerte aus dem Logbuch – alles war gut. Doch schon in der Ausfahrt des Hafens türmten sich Wellen mannshoch. Lag sicher nur daran, dass es in der Bucht rasch flacher wird (beruhigte ich Gawain und mich). Tatsächlich wurde es draußen weniger, die Sonne schien, ein strahlender Tag mit kräftigem Segelwind, es versprach traumhaft zu werden, zumal, wenn der Wind sich abschwächte … Tat er aber nicht. SPOILER: die ganze Überfahrt lang nicht auf Dauer, wurde eher noch stärker.

Schnell wie nie verschwanden die Pylone der hohen Brücke von Cádiz (die Tragseile bilden zwei flache Kegel wie Zirkuszelte) hinter dem Horizont, waren zum Sonnenuntergang (halb acht) schon nicht mehr auszumachen. Ein guter Anfang.
Leider machte der Seegang Gawain etwas zu schaffen, er musst sich dreimal übergeben, aber fein säuberlich außerhalb des Cockpits. Doch von Aufgeben war keine Rede (wäre auch schwierig geworden, gegenan zurück). Aber so kehrte wie von selbst die für lange Nachtfahrten wünschenswerte Bordroutine ein: schlafen so oft und viel wie geht. Von der Ruhekoje im Salon zur Liegeposition im Cockpit und zurück, unterbrochen nur von Mahlzeiten und Toilettengängen. Morgens um fünf (19.01.) notiert das Logbuch „ruhiger“. Um Viertel nach zehn dagegen „fiese Dünung“, lange, etagenhohe Wellen, die uns anschoben, dann ins Wellental sacken ließen und den Bug immer wieder seitlich verschoben. Georgieboy hat aber unbeirrt gesteuert, praktisch Leon-style: unbeirrbar, unermüdlich, untadelig.
»Nobody does it better
(nach: Carly Simon; für James Bond: The Spy Who Loved Me)
Makes me feel sad for the rest
Nobody does it
half as good as you
Georgie, you’re the best!«
Donnerstag Mittag hatten wir eine Strecke von 107 Meilen auf dem Zähler [Etmal: die zurückgelegte Strecke zwischen zwei Mittagspositionen]. Nachmittags Sonne, Wölkchen, friedlich. Und Gawain kam superschnell wieder auf die Beine (und hat dann auch seine Akku-Punkt-Druckbänder angelegt). Nachmittags wird die See wieder kabbelig, nachts leichter Nieselregen, aber nur kurz.
Am Freitag (20.01.) zeigen sich einzelne hohe Wolken mit dunkler Unterseite am ansonsten bayrisch-blauen Himmel. Sollten das die berühmten „Squalls“ sein [übergangslos einbrechende Lokalgewitter mit heftigen Böen und Starkregen]? Zum Glück sind wir mit zwei Reffs im Groß und dem kleinen (rotbraunen „Sturm“-) Vorsegel losgefahren. Und zum Glück ziehen die dunklen Wolken seitlich vorbei. Jetzt können wir die beiden Reffs aus dem Großsegel schütteln: volle Fahrt voraus, nach Südsüdwest. Nächtlicher Eintrag ins Logbuch: „Wasser dringt ein, im Vorschiff, Backbordkoje (weist auf) Hüfthöhe Tropfspuren (auf, auch auf Gawains Yogamatte)“. Die Matratze darunter ist völlig durchnässt (und kommt in die Achterkajüte, die unbenutzt ist, weil wir beide im Salon schlafen). (Entwarnung: Es ging um maximal zwei Tassen, wahrscheinlich durch eine nicht richtig geschlossene Vorschiffsluke; oder Kondenswasser). Samstag (21.01.) weiß das Logbuch: „nachts wie auf Schienen, bis 6 kn.“ Ein Traum also. Am Nachmittag desselben Tages: „wild“. 23:45h: „[Wind] surrt in der Takelage, Welle steigt ein“. Waren aber nur ein paar Liter, nicht mal knöchelhoch, nur im Cockpit. Aber seitdem lassen wir das untere Stellbrett im Niedergang stehen [das Wassereinbruch in den Salon verhindert soll]. Geschwindigkeiten immer wieder über sechs Knoten, einmal sogar über 8 – Fahrradfahrergeschwindigkeit, fühlt sich aber sportlicher an, könnt ihr mir glauben. Die gute ELISA schmirgelt sich durchs Meer, tatsächlich ähnelt das Geräusch des Wassers am Rumpf nicht mehr dem üblichen Rauschen und Gurgeln, sondern eher einem feinen Schleifen. Hält auch das Unterwasserschiff sauber, stell ich mir vor. Etmal 99 Meilen (ca. 170 km). Wir fahren ohne Vorsegel (das hat im Windschatten des inzwischen ungerefften Groß´ nur gerattert und geknallt) ziemlich platt vor dem Wind. Und hurtig: „(Wind) pfeift“, „Vorwind, wild bewegt“. Etmal am So, 22.01.: 141 nm, (ca. 250 km) – Rekord!
Als es dunkel zu werden droht, wollen wir nicht noch einmal eine Nacht ungerefft dahinrauschen. Also Beiliegen [Boot quer zum Wind gestellt fast unbewegt treiben lassen] und wieder zwei Reffs einbinden.
(… Textteile fehlen!)
Über die Sonntagnacht berichte ich hier zu einem späteren Zeitpunkt (Veröffentlichung: 25.02.23), wir sind den Montag über und durch die Nacht rasant weitergesegelt und am Dienstag früh (24.01.) gut in Arrecife, Lanzarote, angekommen.

Las Palmas, Gran Canaria (04.02.2023)

Uff. Lange Strecke, die ich nicht geschrieben habe. Aus gutem Grund. Die Sonntagnacht steckt Gawain und mir noch in den Knochen. Und jede und jeder, dem Gawain sie erzählt (ich rede eh zuviel) packt sie nicht einfach so weg, sondern ist erstmal geplättet. Wir hatten inzwischen fast zwei Wochen Zeit, sie zu verarbeiten. Aber fertig damit sind wir noch nicht. Noch hab ich keine Ahnung, wie (und ob) es weitergeht. Aber einiges spricht dafür. Marlene, Gustave und Alba sind eine super Crew. Das Boot ist im besten Zustand. Fehlt nur noch das Selbstvertrauen des Skippers.
In chronologischer Reihenfolge: Am Do., 26.01. war Reparaturtag. Den Kompassfuß hab ich mit Epoxy und Glasmatte geklebt, sollte stabiler sein als zuvor. Für das Sonntagsfrühstück wollten wir den Tisch aus dem Motorraum holen. Böse Überraschung: ziemlich Öl und Wasser in der Motorbilge. Und: die Konsole mit Ölabsaugpumpe und Dieselfilter hat sich vom Motorblock gelöst; eine der Schrauben liegt in der Bilge, eine steckt noch locker in ihre Bohrung. Die dritte fehlt. Den Job habe ich bis zum Abend vor mir hergeschoben, er stellte sich dann aber als der leichteste des Tages heraus: Öl abschöpfen (war vor allem Wasser), zwei Schrauben einsetzen und festziehen (es gibt zwar drei Bohrungen an der Konsole, aber nur Öffnungen für zwei Schrauben am Motorblock). Luftfilter wieder in seine Gummifassung pressen. Eine Viertelstunde später läuft die Maschine wie neu.
Für Freitag (27.01.) hatte Gawain einen Ausflug vorbereitet. Mit einem Mietroller (vorne zwei Räder) zum Timanfaya Nationalpark (Vulkanlandschaft mit Kratern), Regenpause in einem Tal voller Rebenanlagen, jahrelang aufgehäufte halbkreisförmige Steinwälle schützen einzelne Weinstöcke, dramatische Wolken ziehen darüber, düsteres Licht.


Im Nationalpark (letzter größerer Ausbruch vor erst 300 Jahren!) längerer Spaziergang um den Cráter de la Caldera de Los Cuervos herum und hinein.

Anschließend Mittagessen im Asador (mies), merienda in einem Ausflugslokal voller angeheiterter Festgäste, Karaoke zu Gitarrenbegleitung und das ganze Lokal singt mit (phantastisch). Im Abendlicht nach Norden hinauf zum Mirador del Rio (Rio heißt die Meerenge zwischen Lanzarote und La Gracía, der Nachbarinsel). Aussicht atemberaubend, aber der Mirador hatte geschlossen, war nix mit dem heißersehnten Kaffee auf der Aussichtsterrasse. Kühl war es nämlich schon auf dem Roller, selbst hinten, obwohl Gawain fuhr wie ein Pro und uns auch navigierte.

Abends noch ein vierte und fünfte Lage Glasmatte auf die Innenseite der Kompasskonsole geklebt.

Samstag morgens Roller zurückgeben, Frühstücken gegangen. Nachmittags Kompass angebaut. Selbst Aaron findet die Reparatur gelungen. Sonntag (29.01) kommen Alba, Marlene und Gustave um halb drei an der Estación de Guaguas (so schreiben sich also die Busse auf den Kanaren) an. Kleiner Einkauf, große Sicherheitseinweisung auf dem Boot. Montag quatschen, Dienstag Mittag Abfahrt aus Lanzarote. Die Selbststeuerung ist absichtlich nicht installiert, wir wollen reihum von Hand steuern. Günstiger guter Segelwind bringt uns um die Südspitze der Insel und zwischen ihr und Fuerteventura hindurch. Delfine und ein einzelner größerer Tümmler begleiten uns ein Stück weit. (Video Lanzarote-Gran Canaria: https://youtu.be/oKAcT-uNDFM) Gustave und Gawain haben zusammen Nachwache und überbieten sich darin, das Boot möglichst schnell zu segeln. Außerdem sehen sie die Lichter/Leuchttürme von VIER Inseln (Gran Canaria und Teneriffa noch dazu) und Sternschnuppen. Alba ist etwas seekrank, aber die Stimmung ist bestens und alle steuern in ihren (doppelt besetzen) Nachtwachen tadellos. Ruhige Nacht für den (wachfreien) Skipper. Etmal 95 Meilen, 17:30h Anleger in der Marina Las Palmas. Bloß: sie haben keinen Platz (wie Alba schon vorher telefonisch erfahren hat). Wir müssen (wie alle andere auch) auf den Ankerplatz neben der Marina, liegen um halb acht beim zweiten Versuch fest und packen das Dinghy aus. Neun Uhr in der Sailor’s Bar, aber als die zumachen sind wir alle etwas frustriert bzw. geschafft.
Am Do (02.02.) nachmittag wollen wir duschen gehen, fünf Menschen im Dinghy plus Badesachen. Dann Stadtrundgang, Gustave und Marlene gehen ins Camp der Boathitchhiker („Marocco“), Alba ihrer eigenen Wege, Gawain ins Schuhgeschäft und ich verlauf mich in einem Neubaugebiet. Treffen zum Sonnenuntergang (leider Hügel im Weg) am Stadtstrand. Alba hat News: Um halb neun gibt es in einer nahen Bar eine Jam Session. Also rudern wir nicht zurück aufs Boot, sondern verbringen die Zeit mit Fastfood auf die Hand am Strand, tanzen später (samt Duschzeug) im Motown ab und begleiten die Hitchhiker, die von ihrem Platz vor der Bar vertrieben werden, hinunter zum Strand. Musik, bis die Polizei kommt (02:30h). Auf dem Rückweg zum Boot sind wir nur zu dritt: Alba, Gawain, ich. Marlene und Gustave verbringen die Nacht im Camp. Donnerstag früh weckt mich Peter, erfahrener Weltumsegler, zur Vorführung seines selbstentwickelten Downwind-Segelfallschirms. Beim Einsteigen versenke ich beinahe sein Dinghy: ich bin übernächtigt. Mittags frag ich in der Marina nach, immerhin liegen wir jetzt schon zwei Nächte ungewollt vor Anker. Reagieren die ungehalten und genervt. Rufe ich Juan an (den wir vor zwei Wochen dort kennengelernt haben, Ex-Kollege von Pepe), um ihn nach einem Liegeplatz im direkt nebenan liegenden Club Nautico zu fragen. Regelt der das innerhalb von zwei Stunden: 15:45 an Muelle de Espera im it Real Club Nautico de Las Palmas. (Danke, Juan!) Gleich kommt Tio Pepe und wir gehen Mittagessen. Und morgen fährt Gawain alleine weiter, nach Teneriffa. Seufz.
