
32. Martinique
Di., 28.03.2023, Port du Plaisance, Marina au Marin, Martinique. Der Arbeitsplatz im Workspace blue-working liegt über dem Hafen, Blick auf die Marina und (irgendwo in der Bildmitte) auch auf die LISBETH. Und kostet € 25 am Tag, Wifi und Strom (und Kaffee) inklusive. Superpraktisch.
Wir haben die zweite Nacht an einer Boje verbracht, jeden Tag Dinghyrudern an Land mit den entsprechenden Absprachen. Klappt aber einigermaßen reibungslos. Gestern hab ich uns für einen Platz am Steg einzubuchen versucht, ist abgelehnt worden, heute läuft die Anfrage für einen Bojenplatz (bis Oktober). Mal sehen, ob es klappt. Wenn ja, erkunde ich die Insel noch ein paar Tage und suche mir dann eine Passage nach Europa. Wenn nicht, muss ein Plan B her.

Auf Barbados haben wir nach unserer Nacht an Land, Speickstown, gute 20 Minuten Fußweg von der Marina Port St. Charles, wo es außer einem einzigen Restaurant (und der Immigration) rein gar nichts gibt (Ferienwohnungen mit Bootsanlegestellen, gated community), am nächsten Nachmittag in Richtung Bridgetown aufgemacht, zwei Stunden herrliches Segeln mit Seitenwind. So jedenfalls die äußeren Bedingungen. Ohne Windsteuerung wollten wir Rudergehen und andere Segelstellungen als das ewige Passatwindsegeln austesten. Und Vorschoten bedienen und Wenden fahren und all sowas. Irgendwas lief aber schief, Alba hat keinen geraden Kurs hinbekommen, wollte sich aber auch nichts sagen lassen, sondern hat sich gegängelt gefühlt. Was ich falsch gemacht habe, kann ich nicht rauskriegen, weil mir Antworten verweigert werden. Aus Andeutungen (»mitten im Manöver!«) schließe ich, dass mein Fehler war, Alba anzubrüllen, die Vorschot nicht zu früh loszuwerfen, weil Gustaves Wenden ohnehin schwierig genug waren … Jedenfalls war miese Stimmung an Bord. Gustave hat uns in den Careenage Old Schoner Port gefahren, dort war aber kein Platz am Pier, alles voller Charterkatamarane für die Tagesausflügler von den Kreuzfahrtschiffen. In der Carlisle Bay direkt südlich gehen wir vor Anker. Nach zwei Nächten und zwei Abenden in der Stadt (Marlene und Alba schneiden mich, reden nicht mit mir) vor den BCC, den Barbados Cruising Club verholt, wo es zwar auch keinen Ponton für das Dinghy gibt (Anlanden am Strand und vor allem Ablegen vom Strand war kein bisschen trivial, auch wenn die Minibrandung höchstens 20cm hoch war: Mich hat es ebenso wie die anderen quergeschlagen und ins Meer geschubst, Wasser im Dinghy und alle Klamotten durchnässt. Vor dem BCC ist zwar auch Strand, aber wir sind besser und koordinierter geworden im raschen Hochzerren des Beiboots auf den Strand). Im BCC gibt es Duschen, eine (Snack-) Bar mit herrlicher Terrasse und superfreundliches Personal. Ninja, der Hafenmeister des Clubs, hat uns direkt bei der Ankunft von unserem geplanten Ankerplatz verjagt, ist aber dann mit seinem Kajak herausgepaddelt und hat uns einen perfekten Platz zugewiesen (und außerdem für die WeedliebhaberInnen an Bord speziellen Kaffee (»this is not for you!«) mitgebracht. Superfreundlich eben. Vierundzwanzig Stunden vor der geplanten Abfahrt kam André pünktlich (wenn auch abgehetzt, meine Signalnachrichten haben ihn nicht erreicht, obwohl sie bei mir als zugestellt angezeigt worden sind,) von seiner mehrtägigen Inselerkundung zurück. Hellauf begeistert von Barbados (»ein klasse erstes Ziel in der Karibik«), der Landschaft, den Leuten. Er könnte sich sogar vorstellen, hier zu leben (und eine deutsche Bäckerei aufzumachen). Andrés Begeisterung war ansteckend. Deshalb sind wir, nachdem wir am Nachmittag die Ausreiseformularitäten geklärt hatten (Taxi in die Stadt, anderthalb Stunden Warten, bis die Kasse aufmacht, Mittagessen bei Millie, Zoll, Immigration (kein Ausreisestempel!), Rückfahrt wieder Taxi) noch am Abend losgezogen: Oistin Bay ist ihm als lohnendes Ausflugsziel empfohlen worden, den Süden der Insel hatte er, wegen Zeitdruck, nicht mehr geschafft. Also blitzartig Sachen gepackt und um halb sieben ins ZR (Sammeltaxi) geklettert für die härteste Taxifahrt der Welt (18 Mann im Minibus, bauchfellwummernde Musik, der Fahrer holt alles aus dem Toyota-Bus, der, gefühlt ohne Kupplung, mit ausgeleiertem Getriebe und kreischendem Motor für irgendeine Rallye durch Wohngebiete und schmale 90°-Einmündungen zu trainieren schien, außerdem Jagd auf die einparkenden Mietwagen der Touristen machte. Wegsehen war nicht, nur Erdulden. Die Passagiere nahmen es stoisch; nur als ich in einer abrupten Linkskurve ins offene Fenster greifen musste, um nicht abzuheben, grinste der junge Mann neben mir sachte.
Rausgeworfen (die Geduld des Fahrers entsprach seinem Fahrstil) wurden wir allerdings nicht am WhattheTruck, unserem Imbissziel, sondern in Oistin Bay Garden, eine staubige Busstation und am Strand ein Markt aus Fressbuden, laute Musik, Bier- und Bratendüfte überall. Breakdance und Publikumsanimation auf einer Riesenbühne – das Rhythmusgefühl des schwarzen Jungmannes ist eben unübertroffen. Wogegen (außer dem expliziten Rassismus) im Prinzip nichts zu sagen ist. Nur: Alle Besucher waren weiße Urlauber, Typ Kreuzfahrtteilnehmer (von den wir im Hafen von Bridgetown beim Warten auf unsere Ausreiseabfertigung die wohlbeleibtesten und spärlichst bekleideten in reicher Auswahl bewundern konnten). Also nichts wie weg.
Der Foodtruck, den André empfohlen bekommen hatte, liegt drei km Fußmarsch entfernt. Taxi erhandelt. Sehr gut gegessen, auf der Wiese/Parkplatz neben dem Grillstand/Kochcontainer, wo sie herrliche Grillgerichte zaubern. War jeden Aufwand wert. Nur Bier gab es keins.
Also auf den Rückweg gemacht. In drei Kneipen geschaut (1. nur Backwaren; 2. machen in fünf Minuten zu (aber zwei Gläser Rum (und 11 Minifläschchen Bier) waren drin); 3. filmreife Bretterbude von Bar, Wirtin im Blümchenkleid mit buntem Tuch um den Kopf geknotet wie aus Onkel Toms Hütte, drei Gäste sitzen im Halbdunkel um einen niedrigen Tisch, ihr Kreolisch verstehen wir nicht. Jedoch: wunderbar passende Musik (Südstaaten-Schnulzen); es gab noch eine 4. Kneipe, vielversprechend abgerockt, aber die haben wir uns verkniffen.)
Sandy Beach macht seinem Namen alle Ehre, ein Musikpavillion (Rückzugsoption bei Regen), ein paar Picknicktische, Bäume und Meeresrauschen (um etwas zu sehen, ist es inzwischen zu dunkel). Sechs Bier waren noch zu killen. Wunderschön.
Nacht auf Isomatte unter Baum, morgens wurde André in den Rücken gezwickt: die irritierenden Löcher im sandigen Grasboden waren gar nicht von Wühlmäusen, sondern von handtellergroßen, hurtig flinken Krabben!
Aufbruch im ersten Licht, das Meer ist weit, der Strand wild bewegt, aber sandig. Die Bäckerei auf dem Rückweg hat schon offen, süßen Kuchen und Schinkensandwiches (halbgares Schweinefleisch; seit gestern hab ich Gicht im linken Knie).
Der Weg zurück, zwölf Kilometer an der Südküste der Insel entlang, führt durch Oistins (Ferienwohnungen, Boutiquehotels, Märchenstrände), Hastings (dito, ein halbes Jahrhundert älter) und Worthing. Für jede Pause (alle vier km) hab ich mir vorgenommen, ein Taxi zu nehmen, falls ich nicht mehr kann. Ging aber immer wieder. Letzte Pause auf einem nicht mehr bebauten Meergrundstück, die Brandung hat sich nach und nach die Uferbefestigung zurückerobert, malerisch verfallen. Und dann noch Kultur: das George-Washington-Haus; der erste US-Präsident hat auf seiner einzigen Auslandsreise Barbados besucht; superteurer Saft im angeschlossenen Café. Aber das Beste: das Denkmal, neben riesiger Pferderennbahn und alter Garnison, liegt kaum 200m hinter dem BCC! Eine abschüssige Straße hinab (ein altertümliches Feuerwehrauto schnauft herauf) und wir sind an der Tanke, die unsere Einkaufsmöglichkeit darstellt, zwei Minuten Weg vom Cruising Club!

Aufbruch am späten Nachmittag, unsere letzten Barbados-Dollars gehen für Abschiedsgetränke und Ninjas Trinkgeld drauf und wir lichten den Anker. Alba hat sich entschlossen, nicht mehr mit mir zu reden, vor allem keine Anweisungen von mir entgegenzunehmen und bleibt deshalb an Land zurück.
Rauschende Nachtfahrt für die knapp über 100 nm nach Martinique, halber Wind, Speed teilweise fast 8 kn. Wir steuern von Hand, Gustave und André haben die ersten Wachen, für meine (00:00 bis 03:00) lasse ich Georgie ran. Am Vormittag sind die typischen Pitons (dschungelbewachsene Rundberge) von St. Lucia zu sehen, um die Mittagszeit kommt Martinique in Sicht. Wir umkurven die Südspitze in heftigem Wellengang und laufen gegen vier in die lange, komplizierte Zufahrt nach Le Marin ein (»Don’t try to enter the approach at night!«).

Anlegen an der Tanke ist nicht. Böse Überraschung: für einen Platz am Steg oder an einer Boje hätten wir reservieren müssen. (André: Soviel zu einem Skipper, der sich mokiert über Traveller, die sich nicht vorher informieren; aber selbst ahnungslos in eine überfüllte Marina einläuft … – hat er leider Recht.) Es ist Sonntag (Marinabüro geschlossen) und der mittelfreundliche (und vor allem kaum verstehbare, außer Französisch/Kreole wird hier keine andere Sprache gesprochen) Marinero geleitet uns zu einer Boje und macht uns fest.
Le Marin ist ein übervoller Yachthafen hinter weiten (und vollen) Ankerbuchten mit angeschlossenem Dörfchen, dabei die zweitgrößte Stadt der Insel. Aber für Yachties steht alles bereit: Ausrüster, Segelmacher, Reparaturservice, Bars, Restaurants. Abendliches Picknick mit André am Strand (Leberpastete, Baguette, Pflaumenkuchen, Bier).
Am Montagmorgen einbuchen in die Marina mit der grummeligsten Sekretärin der Karibik, Frühstück in der französischen Feinbäckerei („Wir haben doch noch Brot“ – aus Barbados), Gustave bringt zwei riesige Trommeln Wäsche auf den Weg und in den Trockner. Abends sind er und Marlene Essen mit Freunden, Rückfahrt ans Boot erst gegen elf. Aber heute früh, ich wollte um zehn im workspace sein, haben sich alle brav aus den Federn geschält und wir sind um elf an Land gewesen.
Ach ja: Film über die Passage gibt es wohl keinen. André (Fotograf, Kameramann) war überaus bereit, mit der GoPro zu filmen (»Inzwischen gibt es aber weit leistungsfähigere Modelle«) und hat auch oft herrlich draufgehalten. Nur leider hatte ich zuletzt einen extremen Zeitraffer-Modus eingestellt. Hab ich vergessen, André (»Nee, nee, alles klar«) mitzuteilen. Also sind alle Schnipsel exakt 00:00 sek lang. Und damit unbrauchbar. Hatte allerdings einen Vorteil: Das Überspielen zur Sicherung aufs Notebook ging ratzfatz.