4. Über Navigation

Was an Navionics nervt (wenn man es noch nicht beherrscht); warum ein Leuchtturm Vorfahrt hat (auch wenn es nicht in den KVR steht)

Corona eingefangen, Quarantäne gegangen, Kataloge von awn und SVB [Segelausrüsterversandhändler] gewälzt – und durchbestellt: Leinen, Blöcke [Umlenkrollen], Flaggen, Satellitentracker [Winzsender für GPS und SMS], Funkgerät, Bootsmannsstuhl [Klettergurt], Messer, Kissen fürs Cockpit, Segelnähgarn, Nadel, Nähhandschuh [eine Art überdimensionierter Fingerhut], Rettungsinsel, Sicherungsleinen, Kleinzeug. Danach beim Kartenversand noch einen Satz Seekarten, London bis Gibraltar, da war das zweite kleine Vermögen futsch. Aber niemand hat gesagt, dass Segeln ein Billighobby sei …
Fehlen noch die elektronischen Karten für Navionics (und das Garmin-Abo [so heißt der Winz-Sender]), dann sollten die größten Posten durch sein. Denkt sich der Segelanfänger so.

Barbados – Bequia {“Backway“}: alle Angaben falsch – Userfehler!

Beim Verfassen der dritten MitseglerInnen-Mail hab ich versucht, in Navionics die Routen und Entfernungen ausrechnen zu lassen, auch um mich in das Programm einzufuchsen. Nervig. Weil immer, wenn ich durch Antippen des Bildschirms den Startpunkt einer Route eingeben wollte (pinker Punkt), der Schreibmodus ansprang und mir anbot, die Rechtschreibung zu korrigieren oder zu übersetzen oder zu löschen. Zum Verrücktwerden.

Köln, im Februar

Hey-Ho, ihr Lieben,
es herrschen Sturmtage in NRW und im Norden. Da ist man doch froh, dass man sich im warmen Bett nochmal umdrehen kann und nicht an Deck oder gar aufs Vorschiff muss …
Ich hoffe, ihr seid gut ins Neue Jahr gekommen und die Seuche geht euch nicht zu sehr auf den Keks. Wie die Zeit fliegt – whoops, war der Januar vorbei! Und jetzt auch schon der halbe Februar. Nur das Boot steht aufgebockt und wartet, dass sich jemand kümmert. Warten muss ich auf wärmeres Wetter (Epoxy und Dichtmasse brauchen mindestens zehn Grad plus, zumindest während des Trocknens bzw. Aushärtens).
Heute schreibe ich euch über Details zu euren Vorbereitungen fürs Mitsegeln, zum Ablauf, zum Ankommen, zum Leben an Bord, und: eine kleine Planänderung (davon wird es sicher noch mehr geben).

Erste Abteilung: zu eurer Information I – Videokanäle
Falls ihr euch schon im Vorfeld zum Thema einstimmen wollt, empfehle ich euch gerne einige YouTube-Videokanäle. (Falls ihr genauso gerne Segelvideos guckt wie ich. Eigentlich gibt es nur zwei große Kategorien: JP (junges Paar) und OM (alter Mann)).
Auf Englisch: Sailing Uma – reines Elektroboot, beste (aufwändigste) Cinematographie, unfassbar schöne Bilder (JP); Adventures of an Old Seadog (OM) – ¬ sehr humorvoll, Hochs und Tiefs, so möchte ich in zehn Jahren sein; Sailing Millenial Falcon (JP) – Häufigstes Bild: Khiara; Ryan & Sophie Sailing (JP) – beste Reparaturtipps, beste (franz.) Küche; See the little things (JP) – kopieren das Beste aller übrigen Kanäle, selbsterklärtes Gute-Laune-Programm (die dunklen Zeiten überspringen sie); Sailing Gently (OM) – weiß alles, hat alles gesehen und gesegelt, beste Informationen. So möchte ich in zehn Jahren auf keinen Fall sein (häufigstes Bild: Klugscheißer doziert vom Sofa); Newcomer, ganz aktuell: The Sailing Brothers (JJ), zwei Brüder auf kleinem Boot; klingen authentisch, haben gerade den Atlantik überquert.
Auf deutsch: Guido Dwersteg (M) – hat spät angefangen, beste (Hafen-) Manövertechniken; M. Jambo (OM) – Typ (Chemie-)Lehrer, häufigster Satz: „das wohlverdiente Ankerbier“; Sailing Insieme (JP) – zwei Unsympathen vor dem Herrn, absolute Anfänger, die innerhalb von zwei Jahren zu echten Teerjacken werden, häufigstes Bild: Julias Stirnrunzeln; Newcomer, ganz aktuell: Sailingmanatee (JP) – sind gerade über den Atlantik. Häufigstes Bild: Hannahs eingefrorenes Süßlächeln. –Fast jeder dieser Kanäle hat eine Episode über die Route (den Teil der Route), die mir mit euch vorschwebt.

Zu eurer Information II: für eure konkreteren Vorbereitungen lege ich einen Segeln-Magazinartikel (06/21) über Do‘s und Don’t’s beim Mitsegeln bei (keine Hartschalenkoffer!, nicht mit feuchten Badesachen auf die Polster setzen!). Auf manchen Schiffen gibt es ausformulierte (schriftlich fixierte) Regeln (auf die man schwören bzw. die man unterschreiben muss). Die meisten sind super sinnvoll und nach etwas Nachdenken leicht nachvollziehbar. Wasserhahn nicht laufen lassen (Wasser sparen), Salz draußen halten, also nicht mit nassen Badesachen auf die Polster setzen. Navigationstisch ist für die Navigation/den Skipper reserviert. Lest auch den Artikel durch und meldet euch vor allem bei den Dingen, bei denen ihr Schwierigkeiten seht (vgl. Anhang).
Anscheinend gibt es bisweilen Probleme bei Haftungsfragen. Ich denke, wir alle sollten uns im Klaren sein, dass ich kein Reiseveranstalter bin (und dass es keine Haftungsansprüche gibt!). Ihr und ich organisieren unsere Reise nach bestem Wissen, aber es gibt keine Gewähr, weder für Termine noch Strecken, es gibt auch keine Haftung für Schäden und Unfälle. Jeder fährt auf eigenes Risiko. Übrigens solltet ihr (mir und Mitseglern) rechtzeitig Bescheid sagen, wenn ihr im Segeltagebuch, auf Fotos oder möglichen Videos nicht erkennbar sein wollt.

Zweite Abteilung: Mitbringen
Mitbringen I: Packliste
Sonnenbrille, Sonnenhut/-cap, (Sport-)Schuhe mit Gummisohlen, Mittel gegen Seekrankheit. Warme Sachen: Leggins, Pullover, Mütze, dicke Socken. Dünner Schlafsack (Bettbezug), kl. Handtuch. Am besten KEINE Wertsachen, keine wasserempfindliche Elektronik.
Mitbringen II: Spenden
Was ihr mir mitbringen dürft/solltet: 2 (alte) Geschirrtücher; 1 dickes Lieblingsbuch (Schmöker) für die Bordbibliothek; später im Jahr evtl. ein paar Scheiben Vollkornbrot/Pumpernickel.

Dritte Abteilung: Einklarieren
Wenn ihr ankommt, können wir leider nicht direkt lossegeln. Der übliche Ablauf wird sein, dass wir Vorräte einkaufen. Dafür legen wir in der Regel zusammen. Es gibt (bis dahin, hoffentlich) eine erfahrungsgestützte Einkaufsliste. Wenn ihr euch an Alkohol/ Fleisch/ Weißmehl/ Zucker o.ä. nicht beteiligen wollt, sollten wir dafür eine Regelung finden. Üblicherweise geht alles aus der gemeinsamen Kasse, auch Restaurant- und Barbesuche. Gerne wird der Skipper dabei übrigens freigehalten.
Außerdem müssen wir vor dem Lossegeln zwei Einweisungen absolvieren. Die Sicherheitseinweisung wird ca. drei Stunden dauern, die Einweisung zum Segeln (je nach Vorkenntnissen) weitere ein bis fünf Stunden. Ihr geht jedenfalls besser davon aus, dass wir die ersten paar Stunden bzw. den ersten Tag nicht sofort lossegeln können, sondern Zeit für ein paar grundlegende Vorbereitungen brauchen (und seid darüber bitte nicht enttäuscht). Klinge ich schon wieder zu negativ? Ist mir schon gesagt worden, tut mir leid, ich versuche nur, Frustrationen zu vermeiden.

Ganz anderes Thema: Planänderung
Statt an der belgischen und französischen Ärmelkanalküste entlangzugondeln (viele große Seehäfen, heftige Strömungen und Gezeiten, nicht ganz einfache Hafenansteuerungen) denke ich jetzt eher daran, lieber die Südküste Englands entlang zu segeln. Daraus könnte sich der folgende erste Terminplan ergeben (s.u.). Aber ACHTUNG: der Plan klingt tagesgenau, das wird sich so nicht einhalten lassen, auch wenn viele Extratage/Sicherheitsmargen eingeplant sind: Also bitte nicht irritiert/enttäuscht sein, wenn die Termine nicht so klappen wie hier angekündigt:
07. 05. – 11. 05.: de Heen – Oostende (65 nm, 15h)
14. 05. – 21. 05.: Oostende – Eastbourne (192 nm, 1d)
25. 05. – 01. 06.: Eastbourne – Plymouth (177 nm, 1d 1h)
01. 06. – 07. 06.: Plymouth – Dartmouth – Plymouth (Reserve)
08. 06. – 22. 06.: Plymouth – À Coruña (495nm – 4d)
23. 06. – 02. 07.: À Coruña – Lissabon; da wird mir schon ganz warm von der Sonne Portugals und Muffensausen …

Dritter MitseglerInnenbrief
Im Herbst 2020, noch ohne Navigation

Wenn einer, weil er zum Beispiel auf besseres Wetter wartet, zu viel Zeit hat, dann lässt er sich ins (gebraucht) neu erworbene Handy einen neuen Akku einbauen, damit es auch mal länger als einen halben Tag läuft; dann recherchiert er ein neues UKW-Marinefunkgerät (reicht ein AIS-Empfänger oder braucht es auch den SENDER? Eigentlich müsste ein EMPFÄNGER reichen, wenn er zugleich vor Kollisionen warnt; Anfunken muss man das aufkommende Schiff auf jeden Fall, um nachzufragen, ob es einen gesehen hat. Dann stellt einer fest, dass Marinefunkgeräte neuerdings nicht nur mit GPS, sondern mit GNSS ausgerüstet sind und einer noch nicht weiß, was das ist. Dann macht er sich Gedanken, ob der Haltegriff, den er sich für die Steuersäule hat schweißen lassen (Edelstahl=nichtmagnetisch!) nicht dennoch den Kompass fehllenken könnte, weil dabei zwei winzige verchromte Eisenschräubchen verwendet wurden? Muss man ausprobieren. Navigation jedenfalls ist ein weites Feld – beziehungsweise Seegebiet [und in diesem Beitrag irreführenderweise keineswegs Thema, auch wenn die Überschrift dies versprach]. Fehler passieren dabei auch den Besten …

Der zweitgrößte Navigator der US-Atlantikflotte

Funkverkehr, der im Oktober 1995 zwischen einem US-Marinefahrzeug und kanadischen Behörden vor der Küste Neufundlands stattfand:

Amerikaner: »Bitte ändern Sie Ihren Kurs 15 Grad nach Norden, um eine Kollision zu vermeiden.«
Kanadier: »Ich empfehle, Sie ändern Ihren Kurs um 15 Grad nach Süden, um eine Kollision zu vermeiden.«
Amerikaner: »Dies ist der Kapitän eines Schiffs der US-Marine. Ich sage noch einmal: Ändern Sie ihren Kurs.«
Kanadier: »Nein. Ich sage noch einmal: Sie ändern Ihren Kurs.«
Amerikaner: »Dies ist der Flugzeugträger USS Lincoln, das zweitgrößte Schiff der Atlantikflotte der Vereinigten Staaten. Wir werden von drei Zerstörern, drei Kreuzern und mehreren Hilfsschiffen begleitet. Ich verlange, dass Sie ihren Kurs 15 Grad nach Norden, das ist eins-fünf Grad nach Norden, ändern, oder es werden Gegenmaßnahmen ergriffen, um die Sicherheit dieses Schiffes zu gewährleisten.«
Kanadier: »Dies ist ein Leuchtturm. Sie sind dran.«

(DIE ZEIT, 27.03.2002)

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