13. Plymouth

Und dann stirbt auch noch die Queen … Am Donnerstag (8.9.) um halb fünf zufällig (?) Radio eingeschaltet. Die BBC sendet auf allen Kanälen weltweit ein und dasselbe Programm: aktuelles Magazin zum Tod von Elizabeth II. Sie ist im Geschirr gestorben, zwei Tage zuvor hatte sie noch den alten Premierminister verabschiedet und die neue begrüßt (sie wollte dafür sogar noch nach London reisen!), nur einen Termin am Tag zuvor hatte sie auf Anraten ihrer Ärzte absagen lassen. Kaum Musik im Radio, nur Nachrichten und Erfahrungen, kurz nach halb vier ist die Nachricht durchgesickert, um sechs gibt es eine Ansprache der neuen Premierministerin, sie weiß auch schon den Namen des neuen Königs: Charles III. So wird das tagelang gehen, Berichte über alltägliche Begegnungen mit der Queen, aufmunternde Musik, Elton John hoch und runter (Hallo, Beate!). Ein Arbeiter aus Schottland berichtet, wie er einmal zwei Stunden zu Fuß zur Route des Königinnen-Trosses marschiert ist, und sich dann, als die Karosse vorbeifuhr, so tief verbeugte, dass er von der verehrten Königin rein gar nichts gesehen hat. Einer ihrer Sicherheitsleute berichtet von einer Wanderung in der Nähe von Schloss Balmoral (wo sie gestorben ist), zwei amerikanische Touristen strichen dort auch herum, trafen die freundliche alte Dame und wollten, dass sie ein Foto von ihnen macht, reichten der Queen das Handy … Der Wachmann ging dazwischen, übernahm die Kamera, und schoss das Foto – die Amis hatten die Queen in ihre Mitte genommen. Aber bis zum Weitergehen ein paar Minuten später keine Ahnung, nicht den blassesten Schimmer, wen sie da getroffen hatten … kaum waren die Amis weg, raunte die Queen zu ihrem Sicherheitsmann, sie wäre gerne Mäuschen („a fly on the wall“) wenn die Amerikaner zuhause ihre Fotos zeigten und irgendjemand erkannte, wen sie da in ihre Mitte genommen hatten. Humor scheint sie jedenfalls gehabt zu haben.

Draußen ist plötzlich alles still, kein Motordampferbrummen, kein Verkehrslärm, selbst die Möwen scheinen den Schnabel zu halten. Fehlte nur noch, dass auch die Tide zum Stillstand käme …

Kurz darauf weht die Flagge über der Marina auf Halbmast. Ich habe die courtesy flag noch oben. Was tun? Ist das ungehörig? Außerdem ist eh die falsche Flagge, die britischen Seeleute fahren nicht den Union Jack, sondern „The Ensign“, eine dunkelrote Flagge, die den Union Jack nur im oberen linken Quadranten zeigt. Hole ich meine falsche Flagge ein. Axel ruft an, ob ich die Neuigkeit schon mitbekommen hätte? Auch in Deutschland läuft anscheinend eine Sonderendung über den Tod der Königin. Gut ist, dass nicht nur ich, sondern fast ganz Großbritannien nicht weiß, wie man sich beim Tod einer Monarchin zu verhalten hat, es war einfach zu lange her … Morgens hat Uli angerufen und mir ins Gewissen geredet, ich solle mir für die Biskaya doch einen Skipper anheuern, die Freunde hätten sich Gedanken gemacht, Uli würde auch Geld beisteuern, wenn es daran scheitern sollte … Freunde sind Gold. AM nächsten Tag frage ich in der Marina, am Freitag Abend auch Gareth und Lisa. Sie sind für das Wochenende nach Plymouth gekommen, um die Lorelia heimzuholen.

Samstag Mittag (10.09.) geht es los, es herrscht wenig Wind, wir schaffen es nur bis Salcombe, ehemaliges Fischerdorf am tief eingeschnittenen Flusstal, heute der Ort mit den höchsten Grundstückspreisen in ganz Devon. Der Hafenmeister weist uns eine Boje weit oben im Fluss zu, ein Wassertaxi bringt (die Hunde zum Gassigehen und) uns zum Hafen, Abendessen im Pub und Billiard. Hat Spaß gemacht (mindestens dreißig Jahre nicht mehr gespielt, Gareth zieht Lisa und mich nach Strich und Faden ab). Hätte ich unseren Hochzeitstag nicht verschwitzt, wäre das die angemessene Feier gewesen …

Sonntag um halb eins (die Kinder und Hunde auf der Lorelia schlafen lang) losgemacht und rausgetuckert. Draußen stehen Wind und Strom so ungünstig, dass wir es nicht einmal straks nach Süden schaffen (wir müssen nach Osten). Also von zwei bis halb sieben motort, gute Belastungsprobe für die alte Tucke. Läuft wie die eins. Motorsailing, beliebt bei den Briten: So tun als ob man segelt, aber die Maschine mitlaufen lassen. Video? (folgt hier:)

Um halb vier liegt Salcombe endlich wieder querab, um halb sieben festgemacht am Visitor Pontoon in Dartmouth. »It feels like coming home!« (Ulli Depp, nachdem er zum ersten Mal aus eigener Kraft hereingekommen ist – und nicht geschleppt. Wahrscheinlich war ich einfach zu lange hier.

Gareth kämpft, wie ich später erfahre, zwei Stunden mit seinen Mooringleinen, die anscheinend die Spannung der gesamten Yachtenreihe aushalten müssen, an denen die Schiffe aufgereiht hängen; außerdem sind Dinghy und Laser (kleines Segelboot) vom Regen der vergangenen Woche vollgelaufen. Ich warte jedenfalls vergeblich, gehe noch in den Pub. Betrunken sind die Briten mindestens so herzlich wie die Kölschen. Louis ist Sous-Chef in einem angesagten Restaurant und in Redelaune. Draußen telefoniere ich kurz mit Paula (»Wo bist du?« – Ich muss auf das Kneipenschild schauen, »Im Dolphin.« – »Ich weiß genau, wo du stehst, hinter dir ist die Markthalle und über die Straße die französische Konditorei!« – magisch und erhebend. Und romantisch. Seit sie in Dartmouth war, ist Paula meinem Projekt sehr viel näher.

Montag (12.9.) Nick (Elektroniker) telefoniert (nach Plymouth hat er es nicht geschafft). Er kann frühestens am Mittwoch gucken, ab Donnerstag ist er auf der Bootsmesse in Southhampton, für zehn Tage … scheiß drauf. Endlich die Motorbilge saubergemacht (Diesel, Wasser, Scheißjob) weil Gareth endlich mit den Treibstoffkabeln zufrieden ist und mich fahren lässt. Mittwoch will ich los.

Am Dienstag das Drehzahlmesserkabel repariert, um halb zwei holt Gareth mich ab, wir fahren die Zwillinge von der Schule abholen, Riesenauftrieb, alle SUV-Mütter stauen sich in dem kleinen Ort, um ihre Sprösslinge in Empfang zu nehmen. Gareths BMW mit der aufgeflexten Kühlerhaube (aus der der rot lackierte Torbolader hochsteht) ist das bei weitem lauteste. Das Zuhause der Familie in einer Reihenhaussiedlung der Gemeinde ist noch nicht ganz fertig renoviert, Gareth will die Böden abziehen, wird sicher schön. Lisa hat jedes Zimmer im Vollton gestrichen, das Schlafzimmer tiefscharz. Durch die weißen Tür- und Fensterrahm und weiß abgesetzte Decken (Stuckleiste auf 7/8) Höhe wirkt das sehr lebendig (»Ich hasse weiße Wände.«) Die Kinder zeigen ihre Zimmer, werden bespielt. Pünktlich um halb sechs Aufbruch zum Abendessen. Bantham Beach ist (nicht nur im Sommer) ein höchst populärer Strand, eine weite Bucht, die Mündung des Avon, ein unendlicher Sandstrand, eine vorgelagert Insel (mit Luxuhotel, Sea-Traktor, ein hochbeiniger Bulldog, der auch bei mittlerer Flut Hotelgäste zum Festland übersetzt). Vor allem ist der Strand aber für Lisa und Gareth mit Erinnerungen verbunden. Hier stand auf einer Weide direkt am Strand der Caravan von Lisas Großvater (und dessen Großvater), hier hat sie die Sommer ihrer Kindheit verbracht, diese Bucht war der Grund, warum sie nah Devon gezogen sind, in den Caravan, dort haben die Zwillinge ihre ersten Jahre erlebt, dort hat Badger Kaninchenjagd gelernt »A rabbit a day is the healthiest diet for a dog you can have.«. Wehmütige Stimmung. Außerdem ist Bantham ein mythischer Ort. Seit der Bronzezeit als Hafen genutzt (Artefakte (Handelswaren) aus ganz Europa), unter den Römern der wichtigste Hafen Britanniens, am Hang sind noch Ruinen einer römischen Villa (mit Fußbodenheizung) zu sehen. Außerdem gehen wir in den Pub (”the Stoop Inn“), wo Lisa jahrelang gekellnert und ihre beste Freundin Micha (Miehscha) kennengelernt hat. Die sollte dort heute arbeiten, bekam aber kurzfristig abgesagt. Und kommt trotzdem mit. Ein Energiebündel, wilde Locken, funkelnd Augen, ansteckendes Lachen – und sie hat schon alles über mich gehört. – Nur Gutes, hoffe ich? – Nein, schlreckliche Dinge!.

Lisa und Micha bekommen im Pub nicht nur den besten Tisch, sondern auch Mitarbeiterrabatt. Fischpastete (Fish Pie, mit Kartoffeln und Käse überbacken, Sticky Toffee Pudding mit Custard (Vanillesoße) – »The most typical britisch desert!« und, weil Micha und Lisa die Getränke übernehmen, troztdem das günstigste Abendessen bisher. Nach einem wunderschönen und bewegenden Strandspaziergang.

Lisa hat eine Überraschung für mich, ein selbstgemaltes Bild: »Set Sail to the Seas of Wonder.“ Peinlich, dass ich nichts für sie habe.

Nachts muss Gareth noch in die Werkstatt, ein Kunde wartet auf sein Auto, und setzt mich oben in Dartmouth ab.

Mittwoch früh um halb acht verdunkelt sich die Sonne, weil ein riesiges Kreuzfahrtschiff in den Dart einfährt: die it Maud von Hurtigrouten Explorer. Sie kann kaum wenden auf der Fläche oberhalb der Higher Ferry (die stillsteht) und ankert vor dem Stadtanleger mitten im Fluss.

11.30 abgefahren, vorher noch „red diesel“ vollgetankt. Um halb zwei Stanton Beach (Trainingsgelände für die Invasion der Normandie) passiert, um 14:00 stehen white horses vor Start Pont., eine Viertelstunde später Bantham passiert. Um sechs, eine Stunde motort, der Wind war eingeschlafen, wird es urplötzlich windig, die See kabbelig. Also kurzerhand in den Yealm River eingebogen. Geheimtipp: der zweite, obere Ponton ist weit weniger populär und voll (hat Morgensonne, der untere dafür Abendsonne, erklärt mir der Hafenmeister am nächsten Morgen, der mich mit an Land nimmt).

Zauberhafter Morgen am Donnerstag (15.9.) Wind und Fluss still und spiegelglatt. Vor den steil ansteigenden bewaldete Hügeln im satten Grün fühlt es sich an, als ob man im Blautopf ankerte. Eingekauft, Wassertaxi zurück zum Boot. 11:50 Abfahrt, eine Stunde gesegelt, aber der Wind kommt von vorn, 14:15 an in der Mayflower Marine, Plymouth.

Suchbild: Elizabeth in Plymouth

Lisas Bild im Salon aufgehängt, Zeit zum Lesen

Szczepan Twardoch: Das schwarze Königreich. Große und erhaben. Und schrecklich Über Juden in Pulen in beiden Kriegen, vor allem im Zweiten, im Ghetto, im Aufstand und nach der it Großaktion – dem massenhaften Abtransport nach Treblinka. Ganz großer Stoff, groß erzählt. Mitnehmend und erschütternd. Danke, Georg und Brigitte!

Auf der Yacht gegenüber arbeitet ein Elektroniker. Kurzerhand angesprochen, kommt er viertel nach vier herüber (»That’s the dryest Moody I have ever seen.«), schaut sich mein System an, kennt sich aus. „We‘ll get you on your way.« Bringt noch einen Kollegen mit, sie besprechen. Ist zwar wahrscheinlich die teuerste Chandlery unter den eh schon teuren Bootsbedarfsläden, aber ich brauche nicht zwei Wochen lang hinter irgendeinem Nick Bloomfield hertelefonieren, der zwar superfreundlich klingt, aber eben nie Zeit hat.

Am Freitag (16.9. gestern) kommt Darren (ich hab über Nacht die Bodenbretter rausgenommen und alle Kabel freigelegt) und macht sich ans Werk. Hievt mich auch zwei Mal in den Mast (»Eine Ein-Gang-Winsch? Du bist zu schwer. Ich kann dich nicht hieven, du musst klettern!« Am Ende zieht er mich hoch, indem er mit einer Hand ins senkrecht gespannte Fall greift), checkt alles, flickt alle Kabel, ich brauche einen neuen it Transducer (Echolot und Geschwindigkeitslog), repariert meinen Windanzeiger, zeigt mir, wie ich ihn montieren muss etc. pp. – Glückseeligkeit: Alle Instrumente funktionieren wieder. Im Überschwang bestelle ich gleich noch 30m Kette (Gareth hat am Vorabend (halb elf, ich hatte schon nicht mehr mit ihm gerechnet) den versprochenen Anker gebracht, ein Riesenmonster, 34 Pfund, siebzehn Kilo. Aber: Je schwerer der Anker, desto sicherer. Außerdem hat er noch eine Dieselleitung ausgetauscht und sich endgültig verabschiedet. Wehmütig.

Umd fünf ist die Rechnung fertig, Darren hat mir gnädigerweise nur vier Stunden aufgeschrieben, obwohl er fast den ganzen Tag hier war. Trotzdem 790 Eier (allein der Transducer waren 400, außerdem noch 480 für Kette, Schäkel und Bojengreiferautomatikarm. Geht meine Kreditkarte in die Knie.

Bis Abends Kette eingebracht, vermessen, gekennzeichnet, Anker montiert.

Zur Belohnung Abendessen im Wildwood, im angesagten neuen Ausgehviertel Royal William Yard. Pizza, Salat, Tiger Beer.

Nach dem Essen bringt die Bedienung das Kartenautomätchen. »The client.« – Hä? – »the client!« Klar bin ich der Kunde, aber was soll der Kunde machen? Da zeigt sie mir das Display und der Groschen fällt (größere Münzen wären eh nicht mehr drin): it declined. Meine Kreditkarte weigert sich.

Und nachts den letzten Rest Eifelwhisky (Danke, Wolfgang und Claire!) getrunken.

Heute morgen wieder Queen-Radio. Sechzehn Stunden beträgt die Wartezeit in der der Schlange, die bei St. Paul’s Cathedral anfängt, über die wobbly bridge zum London Eye und über die Westminster Bridge zurück zur Aufbahrung geht. Sehr zivil, gute Stimmung sei in der Schlage, machen haben die gesamte Nacht über gewartet. Erst in Westminster Hall sei die Stimmung sober and sombre. Dass die halbe City im Stau steckt bzw. gesperrt ist, versteht sich von selbst. Gestern abend noch Öl und Gareths alte Kette weggebracht. Und vier tadellose neu Festmacher (weiß, rote Punkte) gefunden, auf dem Müll. Die Elizabeth (plötzlich findet jeder den Namen des Schiffes schön!) bekommt ein neues Styling: Vier Festmacher in denselben Farben – sobald ich Zeit zum takeln finde … Heute früh letzte Blaubeermarmlade gegessen. War superlecker. Danke Doro! (Andere Doro). Tiden und Wind gecheckt, Kurs geplant: 250° geht es nach Falmouth.

Ü5 Mondüberglänzte Zaubernacht

Bis eins hat es gedauert, die Eingeweide der alten Else wieder zusammenzusetzen. Duschen , Einkaufen, Abspülen. Auf dem Weg zum Supermarkt: Mount Wise und das Scott Memorial, das den Polarforscher ehrt. Eine windgepeitsche geflügelte Victoria ist dabei, den Helden mit gleich zwei Lorbeerkränzen zu krönen. Held wurde Scott allerdings erst posthum. Prall vor Stolz und Selbstüberschätzung und ein Meister der Selbstvermarktung (in seinen Tagebüchern) »Wären wir zurückgekommen, hätte ich Geschichten erzählen können von Wagemut und Opferbereitschaft …« (auf die er allerdings angewiesen war, weil seine Pläne realitätsfern und überehrgeizig waren). Gute Story jedenfalls. Für den künftigen Helden war das Beste an Material und Ausrüstung gerade gut genug. Oder wie die Abenteurerweisheit der Zeitgenossen wusste:

»Willst du die beste Ausrüstung, fahr mit Scott.
Willst du erfolgreich sein, fahr mit Amundsen.
Willst du zurückkommen, fahr mit Shakleton (der bei seiner mindesten ebenso wagemutigen Expedition zum Südpol ungeheure Schwierigkeiten zu meistern hatte (für die er nichts konnte), zurückkam und keinen einzigen Mann verlor (Frauen waren nicht dabei). Scott jedenfalls war aus dem Holz, aus dem Helden gemacht werden. Muss man wollen.

Kurz vor 17:00 losgefahren, noch im Hafen das Hydrovane-Ruder eingesteckt (blöde Arbeit, geht leichter mit meinem neuen Gummizug-System, aber mir noch längst nicht leicht von der Hand). Schon vor dem Wellenbrecher im Hafen von Plymouth die Segel gesetzt und auf it einem Bug [ohne wenden, also den Bug durch den Wind drehen zu müssen] bis Falmouth geprescht. Der Wind stand ideal, NW 4 bis 5, in Böen 6 waren angesagt. Hoch (nicht hart) am Wind jagte die flotte Elsbeth behände übers Meer, in Rauschefahrt wie das Windspiel, das sie ja eigentlich auch ist. (Moodys haben den Ruf, bei wenig Wind lahm zu sein, aber mit viel Wind gut klarzukommen). Traumhafter Sonnenuntergang, laue Nacht (zu Anfang), wolkenloser Sternenhimmel. Lizzy machte mächtig Fahrt, in der Spitze 7 kn (12,5 km/h), im Durchschnitt über sechs Knoten! Entspricht fast 11 km/h oder einem gemächlichen Radfahrer. Aber die Elli braucht nie eine Pause und nichts zu futtern und fährt auch die Nacht durch. Geniales Gefühl. Gegen Mitternacht ging der Mond auf, fahl in seinem Hof, doch dann leuchtend gelb und schief hängend wie ein Orangenschnitz. Sehr romantisch.

Und dann strichen noch zwei Delphine (oder sehr große Tunfische, waren in der Dunkelheit nicht zu erkennen) ums Boot, tauchten planschend auf, zischten nur wenige Meter entfernt dem Schiff entlang (und jagten ihm locker davon), zogen im flachen Winkel seitlich weg und rasten gleich darauf wieder heran, unter den Rumpf, wahrscheinlich um den Ballastkiel herum. Warum ich das alle so genau beschreiben kann, wo es doch stockdunkel war (der Mond stand noch flach)? Weil sie sekundenlang grünlich fluoreszierende Spuren durchs Wasser zogen, konnte ich erst nicht glauben. Aber die Tauchspuren glänzten geistergrün, auch auf der Backbordseite, konnten also keine Reflexionen von den Navigationslichtern sein (die sind Bb rot). – Ein märchenhaft magischer Moment, eine verzauberte Viertelstunde. Genial, majestätisch, romantisch, umwerfend. Besser kann es nicht mehr werden. Ein 10er Tag (oder besser: eine 10er Nacht).

Auch weil: Gegen halb zwei wollte ich mich ein Stündchen hinlegen, auch um mich an den Schlaf-Wach-rhythmus zu gewöhnen. Ein letzter Kontrollblick auf Karte und Navigationsbildschirm – oha, wir sind nur noch 8,3 sm vom Ziel (auf dem Festland) entfernt! Bei 5,5 kn Fahrt krachen wir in anderthalb Stunden auf Fels! Wollen wir nicht schon wieder. Zwei starke Kaffees gekocht, wach geblieben. Halbe Stunde später lässt der Wind nach, mit nur noch 3 kn nähern wir uns Falmouth. Erste nächtliche Annäherung an einen unbekannte Hafen für mich. Will man vorsichtig angehen. Und wie wir in der Hafeneinfahrt stehen, schläft der Wind kompett ein! Fantastisch! In aller Ruhe kann ich die Segel streichen, die Fender raushängen, die Festmacherleinen klarlegen. Und dann mit meinem superzuverlässigen Motor gemütlich (1800 U/min, 3,2 kn, später 1000 U/min, wird das Boot so langsam, dass die Navi-Software aussetzt). Laut Karte muss ich durch ein Feld von vor Anker oder Bojen liegenden Yachten, geisterhaft tauchen sie aus der Dunkelheit auf. Zum Glück reflektieren die Lichter der Stadt (auch) genau vor mir und ich kann das Wasser spiegeln sehen. Außerdem sind die Seitenmarkierungen (Bojen) des Fahrwassers beleuchtet und blinken mich freundlich herein. Die Falmouth Premier Marina antwortet nicht auf meinen Funkruf (inzwischen ist es halb drei), die Gasse zwischen den Yachten an ihren Schwimmstegen sieht eng aus. Was tun? Am Vorderende des Piers gibt es eine Tankstelle. Jetzt, mitten in der Nacht, arbeiten die nicht. Also mache ich prügelbreit am Tankanleger fest. Große Erleichterung, große Begeisterung. Was für eine Nacht! Höflichkeitshalber gehe ich die Stege landeinwärts zum Büro des Hafenmeisters, mal sehen, ob er Aushänge für Besucher angeschlagen hat. Kommt da ein Typ raus, Wachmann. Er habe mich gehört, auch auf meinen Funkruf reagiert. Er ist superfroh über die Abwechslung und erzählt mir bei einer Zigarette (die war der Hauptgrund, warum ich mich von der Tankstelle entfernen wollte) sein Leben: wohnt auf seiner Motoryacht, 50 Jahre alt (das Schiff) selbst renoviert, hier im Hafen (zeigt mir ein kunstvoll musikunterlegtes Video der Inneneinrichtung), hat eine kranke Frau im Pflegeheim, wird sich gleich einen einschenken etc. Ihm ist langweilig, die Nachtwache zieht sich. Nur: Liegeplatz gibt es keinen, die Marina ist rappelvoll belegt, alles Dauermieter. Soll ich bis zum Morgen warten.

Morgens (drei Stunden geschlafen, ich will früh im Marinabüro sein und einen guten Eindruck machen) kommt die Tagwache. Sie haben tatsächlich keinen Platz, um neun macht die Tankszelle auf, dann muss ich weg sein. Superfreundlich dabei und herzlich, it cheers!

Andere Marina angerufen, Boot umgesetzt, um 10:30 bin ich wieder an Land. Großes Frühstück, Obst und Gemüse und Säfte kaufen, (Bastelladen Torga o.s.ä. entdeckt, Häkchen für Kojensegel gekauft, telefoniert, geduscht, diesen Blog geschrieben – ist der Sonntag auch vorbei. Morgen ist die Beerdigung der Queen. Ihr zu Ehren gehe ich gleich einen heben. Alles Bestens eben. Geht nicht besser. Jetzt nur nicht übermütig werden! Oder gar, Scott bewahre, selbstüberschätzend!

BEM: In Falmouth ist schlechtes WiFi, deshalb diesmal keine Fotos, liefe ich nach.

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