
Überraschung: Marbella liegt am Mittelmeer
Na, das war nun keine Überraschung. Aber wie viel sich verändert hat auf den knapp über 40 nm seit Gibraltar: Marinas (heißen nicht mehr so) sind ausgebucht, Yachten von 10m nehmen sie überhaupt nicht (»wir haben nur Liegeplätze für Yachten ab 12 m«, die Snobs), keine Schwimmstege (weil: (so gut wie) keine Tide), Anlegen römisch-katholisch [(keine Ahnung, woher diese Bezeichnung kommt): Heck zum Kai, zwei Achterleinen; im Hafenbecken sind tief unter und vor dem Bug lange Muringleinen verankert, deren Ende vom Kai aus hochgezogen (Marineros), nach vorn geführt und am Bug belegt werden]. Marbella (Victor: »con el jet-set!«) ist am strahlenden nächsten Morgen genauso (wenig) schön wie in der Nacht. Aber wenigstens hat uns der überhilfreiche Abend-Hafenmeister einen Platz am Wartesteg zu- und uns nicht abgewiesen wie sein Kollege von der anderen Marina. Heute morgen mussten wir dann umlegen. Rückwärts in eine kaum schiffsbreite Lücke zwischen zwei andere Yachten gesetzt, der Marinero nimmt die Heckleinen und hebt uns die Muringleine aus dem Wasser. Klappt Bombe. Jetzt ist Celia am Strand, ihren ausgefallenen Sommerurlaub nachholen.

Endlich was gelernt
… hat aber nur einen Tag funktioniert. Und zwar: Richtige Entscheidung, in Sancti Petri fünf (!!!) Tage auf besseren Wind zu warten. Weil: die Strecke nach Barbate, die ich einen langen Tag lang nicht mal zu einem Drittel geschafft hatte, war mit Rückenwind unter Gennaker locker in einem Tag zu machen. Und: Sonntag Nachmittag rief Celia (Tochter) an, setzte sich noch am selben Abend in den Zug und kam am Montag Abend in Cádiz an! Große Freude. Bacalao in Cognaksoße an der Plaza San Franzisco (die zu probieren ich nicht mehr gehofft hatte), Rückweg mit der S-Bahn durch die Vororte, deren Straßen an Halloween komplett verstopft waren. Auch aus der ankommenden S-Bahn stiegen jede Menge feierwütig Verkleidete (Lieblingskostüm: Engelchen (weißes Brautkleid), Teufelchen (schwarzer Minirock, Netzstrümpfe): Cádiz hatte bridge&tunnel day.

Am nächsten Tag Sicherheitseinweisung für Ce und Aufbruch. Sicher einer der schönsten Tage bisher: kräftiger raumer [schräg von hinten] Wind, der Gennaker zog den ganzen Tag, strahlender Sonnenschein. Das Kap von Trafalgar (wo Nelson pures Glück (und günstigen Wind) hatte, wie uns ein missgünstiger Ire angesäuselt-wortreich im Irish pub an der Plaza San Franzisco erklärt hatte) gerundet.

Gegen fünf kommen hohe Berge weit draußen auf dem Meer, abseits von Spanien in Sicht: Afrika! Das Atlasgebirge Marokkos.

Beim Dunkelwerden in Barbate eingefahren, erst am falschen Steg festgemacht, dann vom Hafenmeister Liegeplatz, Chipkarte (für Klo- und Stegzugang) und Wegweisung zum Städtchen bekommen. Super Abendessen in Strandpromenadenrestaurant – wir waren die letzten Gäste. Barabate scheint die Hauptstadt des Atun de almadraba (gewesen) zu sein, hat sich aber scheint es nicht halten können: der entsprechende Infopavillon am Hafen ist verwaist und verfallen. Aber immerhin gibt es auf der Speisekarte eine eigene Abteilung für den berühmten Fisch (und eine Abbildung der Fischteile, damit der Kellner einem zeigen kann, welches Stück man serviert bekommt. Ich natürlich nur das Beste: den Bauch. Ce, vegan: Salat, patatas bravas [gekochte, dann frittierte Kartoffeln mit scharfer Soße]. Der Sandstrand von Barbate ist unerreicht: vogelkäfigfein und breit.


Schon beim ersten Versuch, Barbate zu erreichen waren im Funk irgendwelche Amphibien-Manöver angekündigt, das Gebiet ist Übungsgebiet der spanischen Marine. Als wir am Mittwoch (02.11.) die nächste Landspitze südlich umfahren, liegt oder kreuzt dort ein graues Navy-Schiff. Tasächlich sollen wir das Kap mit drei Meilen Abstand umfahren, weist uns der freundliche Funker (»gracias por su collaboration«) an. Zwei Stunden Umweg straks nach Süden. Und später schießen die tatsächlich blitzend explodierende Salven Richtung Land!


Tatsächlich hat die neue Planungskompetenz gerade noch für einen halben sonnigen Tag unter Gennaker gereicht, dann kam der Wind wieder von vorn und wir sind fast vier Stunden nach Tarifa motort (die engste Stelle der Straße von Gibraltar (Ce: »Wahrscheinlich heißt die auf spanisch „Straße von Tarifa“!«, entsprechende Strömungen, die wir aber eingeplant hatten!) und spät, wieder bei Einbruch der Dunkelheit, nach Tarifa reingefahren. Riesenhafter, leerer, ausladend beleuchteter Hafen, keine einzige Yacht zu sehen, spooky. Erst weist uns einer der Männer vom hinausjagenden Piloten-Zubringerboot aus im Hafenbecken nach weiter hinten. Dort ist der Fischereihafen – kein freundlicher Empfang zu erwarten. Von dort scheucht uns der Hafenpolizist vom Land aus weg, zeigt uns in Richtung porentief ausgeleuchtetem, völlig leerem Kai. Dann zeigt uns der zurückkommende Lotsendampfer (mit dem Suchscheinwerfer) einen kurzen leeren Schwimmsteg. Als wir dort festmachen, kommt der Polizist schon angelaufen: für eine Nacht okay, aber am nächsten Morgen müssen wir weg sein, bevor die (Fähre? oder) Ausflugsschiffe den Steg nutzen. Denn (Planungsfehler): Tarifa hat keine Marina. Und kurz darauf legt eine riesige Kreuzfahrtfähre rückwärts entlang des angestrahlten Kais an – Tarifa ist augenscheinlich DER Fährhafen in Länder, wo Frauen Kopftuch und Männer Schnurrbart tragen. Busladungen stehen rauchend und auf Gepäck sitzend am Kai. Später dreht noch eine überbreite Katamaran-Hochseefähre im Hafenbecken und legt an.

Tarifa hat noch Gebäude aus der Zeit der Conquista, der arabischen Herrschaft in Spanien. Und ein Hafenviertel mit engen Gassen (und Seemannskneipen, bzw. heute Touristenbars. War anscheinend immer Grenz- und Festungsstadt. Und schön.

Berückendes Morgenrot am Donnerstag (03.11.), früher Start (09:30), voller Tag unter Gennaker, »farbkastenblauer Himmel« (Ce) in allen Schattierungen und gut Fahrt gemacht. „The Rock“, der Affenfelsen, schiebt sich steil aufsteigend und brüsk abbrechend hinter der nächsten Landzunge in den Horizont: Gibraltar. Die Queensway Quay Marina (im britischen Bereich) hat keinen Platz für ein Schiff wie unseres, liegt anscheinend schon im Mittelmeer.




In der ewig langen Hafeneinfahrt, die voller Frachter vor Anker steht, zerfetzt uns eine Bö den Gennaker, später brechen wir im Seegang am überkragenden Betonkai der Marina von La Linea ein handbreites Stück aus der Scheuerleiste am Übergang zwischen Deck und Rumpf der armen Lizzy – Zeit für den Reparaturaufenthalt irgendwo im Mittelmeer. Zwei Hamburger vom übernächsten Nachbarschiff empfehlen Fuengirola, kurz hinter Marbella. Eine schweizer Rennyacht mit Familienbesatzung, die in der Nacht in Tarifa noch neben uns festgemacht hatte (und uns tagsüber hat stehen lassen), steht schon am Kai und wartet, dass das Büro (nach der Siesta) aufmacht – sehr viel haben die uns auch nicht abgenommen.

Druckspaziergang in die britische Enklave, Grenzübertritt klappt reibungslos, obwohl Ce nur einen Perso dabei hat. Quer über die Landebahn in die Festungsstadt, die gleichzeitg ein britische Seebad am Mittelmeer ist. Mainstreet wie in irgendeiner englischen Kleinstadt, inklusive kaum bekleideter Britinnen. Sauftourismus. Seilbahn auf den Felsen hoch hat bereits geschlossen (nur bis 17:45h), also bergauf. Wir schaffen ca. ein Drittel, mehr als ein Blick über die Bucht incl. Sonnenuntergang ist nicht drin. Keine Affen. Rückweg durch altes Viertel. Gibraltar ist so klein, dass jeder jeden kennt, Vorteil und Nachteil zugleich, erklärt ein Gibraltese (o.ä.). Abendessen in la Linea, im Sparfuchs-Restaurant: Einheitsmenü für € 11, solala.

Am Freitag (04.11.) Rauschefahrt unter großer Genua, teilweise im Schmetterling, teilweise bis über 7 kn (wahrscheinlich incl. Meerengenströmung). Und Delfine, eine ganze Schule, sicher mindestens 15 Stück, begleiten uns sicher eine Stunde lang. Ce, die im Bugkorb mit dem Gesicht nach unten lag, kommt ganz beseelt zurück: die Tiere spielen unter und hinter dem Bug mit der Strömung, schubsen sich gegenseitig weg, reiben sich aneinander …
Abends schläft der Wind ein, zwei Stunden unter Motor bis Marbella. Also nicht ganz. Ce am Steuer, ich schau mir unten die Karte für die Einfahrt an, ruft Ce mich hoch: ein Motorboot, und ganz nah! Als ich hochkomme, blendet uns ein Suchscheinwerfer. Ein Schnellboot der Guardia Civil (unbeleuchtet) fährt fast längsseits. Erst sollen wir den Motor stoppen, was wir machen, dann sollen wir wieder aufs Meer hinausfahren, was wir nicht machen. Tatsächlich sollen wir nur den Bug gegen die Wellen stellen, damit ein Polizeibeamter an Bord kommen und das Schiff durchsuchen kann. Schicken sie den jüngsten, der sowas ersichtlich auch zum ersten Mal macht, es kaum herüber schafft (Seegang) und alle Fächer und Bettstellen durchsucht. Und Fragen stellt. »Woher? Schon vorher in Spanien gewesen? Schon mal im Knast gewesen? Weswegen?« Nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei und sie wünschen uns gute Fahrt.
Die kleinere Marina in Marbella, die sie uns empfohlen haben, hat keinen Platz für ein Boot von nur 10 m. Der freundlichere Kollege vom Puerto deportivo (»Bin selbst Seefahrer seit ich ein kleiner Junge war, weiß wie das ist, wenn man nachts ankommt, da kann man doch niemand abweisen!« (er hat den Funkverkehr und mein Betteln um einen Liegeplatz mitbekommen). 21:30 an Marbella, heftiger Bar-, Disko- und Shisha-Cafébetrieb an der Promenade, Abendessen eine Ecke weiter in die Stadt. Und sehr glücklich.

Am Samstag (05.11.) geht Celia Baden, es ist ihr Sommerurlaub, und einkaufen, ich schreibe. Für abends hat sie eine vegetarische Paella an einer Strandbude aufgetan, darauf freuen wir uns. Dann ein Spaziergang den Berg hoch zur Busstation – dort wird am nächsten Tag Ce‘s Blablacar losfahren. Und in der Altstadt (casco antiguo) im el Gallo Bier und ein köstlicher arroz vegetariano (Paella). Wunderschöner letzter Abend mit Ce. Sonntags Baden und Schreiben, Bratkartoffeln mit gebratenen grünen Paprika, um halb vier geht die Mitfahrgelegenheit los. Ich mache um Viertel vor fünf los und dampfe drei Stunden (Flaute) durch einen Sonnenuntergang in allen Regenbogenfarben, der Felsen von Gibraltar und gegenüber der hohe Atlas zeichnen sich deutlich gegen das Abendrot ab, nach it Fuengirola, an 20:30h. Die Promenade ist Gangstalandia: Shishabars, Sportsbars, Discos. Marbella in arm, selbst die Animierpersonen vor den Bars sehen abgelebter aus. Als nichts wie weg hier (Montag, 07.11.), sobald dieser Beitrag hier abgeschickt ist – selbst das WiFi schwächelt.

Was macht einen guten Lehrer aus? Er trägt VERANTWORTUNG, in dem WAS er lehrt und WIE er es lehrt. Offenbar ergab es der Zufall, dass Sie zum Segellehrer von zwei jungen Menschen wurden, von denen Sie sich gern als „Segelgott“ anhimmeln ließen. Was ich mich ernsthaft frage: wäre es nicht der verantwortungsvoller Part gerade dieses Lehrers, der den beiden bei völlig friedlicher Witterung die Grundtechniken des Segelns in gerade mal ein paar Tagen beibrachte, diesen zwei (von jeglichem Risikobewusstsein völlig befreiten) jungen Abenteurern aufzuzeigen, dass eine Atlantiküberquerung ohne jegliche Erfahrung eine wahnwitzige, geradezu einem Selbstmord gleichkommende Idee ist?? Und ich frage mich weiter, wie es sich anfühlen mag, wenn die „milden Weisheiten“ die man als Lehrer jungen wissbegierigen Menschen beibrachte, dazu beitragen, dass die beiden vielleicht in einem Sturm weit draußen im Nirgendwo des Atlantiks samt ihrem armen Hund in Seenot geraten – und man selbst als Lehrer dazu seinen Beitrag geleistet hat – indem man sie in ihrem Extremvorhaben offenbar noch bestärkt hat?? Und auch frage ich mich ob man sich dabei abgesehen von der moralischen Seite nicht auch haftbar macht??
Die Jungs sind fort, das Glück ist geblieben, schreiben Sie – ich hoffe es ist Ihnen weiterhin hold, und vor allem verlässt es es Ihre beiden Segelschüler nicht –
Mfg –
eine der „Zweiflerinnen“ zu Hause, die über Umwege auf Ihrem Blog gelandet ist und ihrer Verwunderung oder eigentlich ihrem Entsetzen Ausdruck verleihen möchte
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Liebe Frau Anja Fuchs,
bitte (ver)zweifeln Sie nicht und genießen weiter diesen doch so kurzweiligen, mitreis(s)enden Segel-Blog!
Werden Sie zu einer Fahrlehrerin, wenn Sie eine(n) AnhalterIn mitnehmen?
Eine Mitfahrgelegenheit lässt keineswegs „offenbar zufällig“ eine Lehrer-Schüler Beziehung entstehen. Dafür gibt es bekanntermaßen Segelschulen, auch für die praktischen Vorbereitung einer „verantwortungsvollen“ Atlantiküberquerung.
Doch haben Sie recht: Die literarische und fachliche Gabe unseres Schreibers verleitet durchaus, den berichtenden Skipper in der Rolle eines „dozierenden“ Lehrers zu sehen.
Doch zerstört dieser „Segelgott“ den Eindruck immer wieder selbst, durch Witz und Selbstironie und sorgt so, zumindest bei mir – mindestens einmal wöchentlich – für ein herzliches, befreiendes Lachen.
Was einen guten Skipper ausmacht? Er begeistert fürs Segeln, gerne ohne Worte und „auf eigene Gefahr“;)
Herzliche Grüße aus der Stadt mit K
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Liebe Frau Fuchs (unbekannterweise), Sie haben in allen Punkten umfassend recht. Julian und Lukas gegenüber habe ich unzweideutig klargemacht, dass sie NICHT genügend Erfahrung haben, um loszusegeln, schon gar nicht gleich über den Arlantik. Den Segelgott hab ich erfunden (mich aber nie so nennen lassen) weil die beiden alles begierig aufgesogen haben, was (weniges) ich ihnen vermitteln konnte. Danke für Ihre Kritik. Und danke, dass sie meinen Blog verfolgen. Herzliche Grüße Ulrich Brandt Mail@ulrichbrandt.de
Von meinem iPhone gesendet
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Freue mich für Dich und auch für Celia – die zufrieden und glücklich auf den Fotos wirkt.
LG Sonja
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Schön, dass Celia dich begleitet hat auf dieser spannenden ‚Straße von Gibraltar‘. Das war sicherlich eine große Freude für dich und sie.
Weiterhin Mast- und Schotbruch und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel bei achterlichem Wind.
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