Vorbereitungen – 1. Eine Yacht in Holland

Die Suche

Anfang Dezember ist keine besonders gute Zeit, um ein Boot zu besitzen. Es ist ungemütlich kalt, diesig, andauernd irgendwas zwischen Nebel und Nieselregen. Jahresendzeitstimmung und Stress: Weihnachten steht vor der Tür. Vielleicht ist es auch keine gute Zeit, um einen Blog zu beginnen.

Anfang November kam das Boot aus dem Wasser, nach fast zwei Jahren im Brackwasser des Volkeraks. Das war spannend. Der Bewuchs sah nicht besonders schlimm aus, Schäden gab es auf den ersten Blick keine. Der Rumpf trocknete gleichmäßig, keine Blasen oder feuchten Stellen. Große Erleichterung. Unten am Ruder ist das Antifouling [Fachworterklärungen weiter unten] abgestoßen, GFK-Gewebe schaut raus. Muss bis zum Frühjahr repariert werden. Wie auch eine ganze Latte an Ergänzungen von Ausrüstung und Instrumenten. Aber insgesamt macht die Elizabeth, wie sie ab nächstem Jahr heißen wird, einen guten Eindruck. Ich bleibe fünf kurze, kalte Tage an Bord, das Cockpit ist nur über eine hohe Leiter umständlich zu erreichen. Ich räume, repariere Kleinigkeiten, versetze die Haken über der Spüle, damit die Spüllappen nicht im Weg herumhängen. Absolute Winzigkeiten. Die großen Arbeiten, die im Winter möglich sind, stehen an: Einziehen und Einbau einer Seewasserversorgung für die Spüle und das Waschbecken im Klo, veränderte Führung des Wasserablaufs an der Spüle. Kühlschrank versetzen. Doch: Nach dem Ausbau des Kühlschranks ist eindeutig zu sehen, dass die Ablaufführung am Spülbecken original ist, von der Werft so gewollt und nicht nachträglich geschustert. Sie kann also so bleiben, dann muss der Kühlschrank auch nicht versetzt werden. Damit waren die ersten Tage vorbei. Gerade das Zusammenstellen der Liste für Material, Schläuche, Schlauchschellen etc. war noch drin. Danach frustriert zurück nach Köln gefahren, aber auch erleichtert: Es hätte keine Möglichkeit gegeben, den Kühlschrank zu versetzen, höchstens ersatzlos auszubauen.

Beim zweiten Aufenthalt Mitte November gab es Heulen und Zähneklappern, weil alles viel komplizierter war als gedacht und ich an die Grenze meiner Kräfte und Möglichkeiten stieß …
Doch vielleicht sollte ich, solange noch Dreckwetter herrscht und die Außenarbeiten nicht losgehen können, von Anfang an erzählen: Was bisher geschah.

Rückblende

Nach siebzehn Jahren als Realschullehrer lief im Sommer 2017 „meine“ alte Schule aus, es gab mehrere Abschiede: vom letzten SchülerInnenjahrgang, von langjährigen Kollegen, vom Arbeitsplatz mitten in der Innenstadt. Für mich brachen die letzten 36 Monate meiner Berufstätigkeit an. Für die sich nun deutlich abzeichnende Zeit des Ruhestands lagen schon länger zwei Projekte in meiner (mentalen) Schublade: deutliches Abnehmen (zehn Kilo) und ein Segelboot (für eine Langfahrt). Von da an hab ich jede Person angesprochen, von der ich annehmen konnte, sie könnte von zu verkaufenden Booten hören: zwei befreundete Segellehrer, die Schwägerin, die mit ihrem Segelclub öfter Törns [Reisen] in der Nord- und Ostsee unternimmt, den Ausbilder meines SKS-Scheins [Segelschein für Küstengewässer], den Mitschüler beim Funkschein, der gerade sein Boot verkaufen wollte, die spanische Verwandtschaft meiner Frau, die Freunde aus Cartagena (liegt am Mittelmeer), den Onkel, der auf Gran Canaria lebt, den Mann einer entfernten Cousine, Kapitän einer Privatyacht und selbst Besitzer einer 15m-Alu-Segelyacht (Aluminiumrümpfe gelten als das Beste (und Teuerste), was es gibt), einfach alle. Außerdem bekam ich zum 60. Geburtstag ein Abo der Segeln [Seglerzeitschrift] geschenkt. Und fing an, die Verkaufsangebote dort und im Internet zu verfolgen.

Eine lange Reise unter Segeln geistert als Traum seit meiner Schulzeit in meiner Familie herum. Belegbar seit den 1980er Jahren haben mein Bruder und ich dafür auch intensiv und handfest gearbeitet (cf. http://www.anemoi.online). Die Spezialisten von den Bootsprofis [You-Tube-Kanal] sagen: Eine Weltumsegelung kostet, in der allerbilligsten Version (nur zur Orientierung), allermindestens € 50.000. (Geld, das ich nicht hatte.) Davon sollte höchstens die Hälfte fürs Boot eingesetzt werden. Also lag mein (theoretisches) Budget für eine Segelyacht bei 25.000. Die andere Hälfte hoffte ich aus meiner Rente zu finanzieren, die ich ab Mitte 2020 beziehen sollte …

»I’ve got a boat for you.«

Perico, Kapitän

Die Nachricht kam als völlige Überraschung, als wir im Herbst 2018 auf der Rückfahrt von Spanien bei der Cousine meiner Frau in Barcelona Station machten. Perico ist erfahrener Charterskipper [Schiffsführer] und im Hauptberuf Kapitän einer großen Privatyacht. Sein Englisch ist besser als mein Spanisch. Vor Nervosität musste ich sofort wieder mit dem Rauchen anfangen: Einer von Pericos Freunden (Nacho) hatte Kontakt zu einem Schotten, der im Namen und für die Yacht seines verstorbenen Mitseglers (und Trinkkumpans) einen Käufer suchte. Das Boot war eine Moody 42 [42 Fuß sind ca. 13m Länge des Bootsrumpfs, ein foot entspricht ungefähr 30 cm], es stand zum Verkauf, Fotos und weitere Angaben waren noch nicht einmal veröffentlicht. Doch Nacho hatte das Boot besichtigt, sogar Fotos vom Inneren der Yacht gemacht, es sah super aus! 

Salon Moody 42

Ich musste hektisch noch eine rauchen. Alles klang perfekt, so eine Art Geheimtipp. Später kontaktierte ich den Verkäufer, Scot (kein Witz, aber er war tatsächlich Schotte) bereitete gerade die Anzeige auf Apollo Duck [bei britischen Seglern beliebte Internetangebotsseite] vor, er klang interessiert. Allerdings hatte die Yacht fünf Jahre unbenutzt im Wasser gelegen, die Elektrik war hinüber, über Segel, Takelage [Mast und Verspannungen] und den Zustand der übrigen Ausrüstung wusste keiner Bescheid. Das Boot war jetzt an den Sohn des ehemaligen Besitzers übergegangen, der lebte in Australien. Weder der Sohn, noch die Witwe, noch Scot, der Schotte, hatten das Boot jemals gesegelt oder kannten es näher. Es gebe jedoch Einiges an Reparaturen zu erledigen. Und: Es sollte 40.000 kosten, weit oberhalb meines Budgets. Andererseits schwärmte Perico von der Qualität einer Moody. Lange Geschichte kurz erzählt: Ich bot meine 25.000, Scot konnte oder wollte nichts dazu sagen, machte mir aber Mut. Nach mehreren Telefonaten kam im Januar 2019 raus, dass zwei Spanier (das Boot lag in Südspanien in der Nähe von Huelva, im Grenzfluss zu Portugal), den geforderten Preis oder nahe dran geboten hatten, das Boot war weg.
Also war selbst eine vierzig Jahre alte, jahrelang vernachlässigte und in einem Fluss herumdümpelnde Moody mit erheblichem Reparaturstau noch immer deutlich mehr wert, als ich mir leisten konnte. Das ging mir noch mehrere Monate nach, bis die Anzeige endlich von der Internetseite gelöscht wurde. Ersichtlich konnte ich mir ein Boot über zwölf Meter Länge nicht leisten.

Die nächstkleinere Kategorie in der Seglerzeitschrift begann bei 10m. Auf allen möglichen Bootsbörsen träumte ich mich an alle möglichen Yachten heran, teilweise lagen sie in meiner Preisklasse, teilweise waren sie bereits für Langfahrt ausgerüstet, oft auch sichtbar schon lange unterwegs gewesen und entsprechend abgeschrammt, die lagen dann aber in einer Flussmündung in Guatemala, Besichtigung nur mit Hin- und Rückflug (wenn man nicht wie White Spot Pirates [You-Tube-Kanal] das Ding unbesehen kaufen wollte. Dafür waren sie aber alle zu teuer.)

Innenraum 9,5m Schärenkreuzer

Das günstigste Boot, das ich besichtigte, war ein Schärenkreuzer in Kiel, aus Holz, sehr alt, sehr schön, sehr schlicht, sehr klein, im Innenraum nicht größer als ein Zwei-Mann-Zelt. Sollte 8.000 kosten, segelfertig. Jeden Winter musste der Holzrumpf von innen gewässert werden (konnte man außen herauslaufen sehen), damit er im folgenden Sommer wieder dicht(gequollen) war. Wunderschönes Schiff, aber traute ich mich nicht.
In einer Marina bei Koblenz lag ein Stahlbau, Eigenbau, höchst massiv und schwer, mit eingebauter „Handbremse“ (wenn man den Hubkiel [einziehbarer Ballast] auf den Grund sacken ließ), aber auch sonst massiv verbaut. Fehlte mir die Fantasie, den wieder hübsch zu bekommen, obwohl er mit 10.000 gut in meine Preisvorstellung passte.

Der Traum von einer Moody beschäftigte mich trotz oder gerade wegen des misslungenen Abenteuers mit Scot, Nacho und Perico weiter sehr, vor allem der gute Ruf der Werft (in den frühen 80er Jahren): sie bauten stabile, gutmütige, seegängige Yachten (vielleicht ein wenig lahm bei leichtem Wind, aber ich würde es, stellte ich mir vor, ja nicht eilig haben). 

»The seagoing qualities of Moody yachts are legendary.«

Perico, Besitzer einer 15m-Segelyacht und eines Kapitänspatents

Es gab eine ganze Reihe kleinerer Modelle aus der Werft unterhalb der 42er (12,7m), die ich fast gesehen hätte, zum Beispiel die 33er (rund 10m). Vom Modell MK II [„Mark zwei“ oder „mark two“], das ich mir wegen der Achterkabine [achtern=hinten] in den Kopf gesetzt hatte, gab es alleine fünf Schiffe im Angebot. Zwei in Großbritannien – eine auf einem Binnensee in Schottland, eine in einer Marina westlich von London–, eine in Griechenland (Besitzer jedoch in Augsburg), alle ungefähr in der Preisklasse zwischen 16 und 24tausend Euro (bzw. 20.000 Pfund GB). Alle waren rund vierzig Jahre alt, alle vom selben Zuschnitt: Mittelcockpit [Cockpit oder Plicht ist der tieferliegende Steuerstand], wie es für Ozeanüberquerungen sehr empfohlen wird, davor einen Salon [Ess- u. Wohnzimmer] mit zwei Kojen [Betten] links und rechts, um (je nach Windrichtung) die entsprechende Lage [Neigung] des Schiffs zu nutzen, eine winzige Nasszelle und davor die V-Vorderkabine mit eigener Luke [Klappfenster], die zugleich als Notausgang dienen konnte. Slupbesegelung [zwei dreieckige Segelflächen am einzigen Mast]; robuste, aber nicht überstarke Dieselmotoren, Wasser- und Treibstofftanks in verschiedenen Größen. Die Innenausbauten waren unterschiedlich gut erhalten, aber auch nach vierzig Jahren noch in einem Zustand, der die Originaleinrichtung ahnen ließ – gute Handwerksarbeit. Kontakt, zumindest per Mail, hatte ich mit allen. Die in Ipswich hatte ein Gelcoatproblem [Gelcoat ist die äußerste, hochglänzende Schutzschicht bei glasfaserverstärkten Kunststoff[GFK]yachten]; die in Schottland müsste erst ins Meer transportiert werden, die in Griechenland kam infrage, für € 16.400 ein Schnäppchen, erforderte aber einen Flug für die Besichtigung. Und es gab eine in Herkingen, südlich von Rotterdam.

Abb. ähnl.

Im April 2019 fuhren mein Bruder (Zimmermann und seit 40 Jahren Schiffsbauer) und ich hin, die In the Mood (origineller Name für eine Moody, nicht wahr?) lag aufgebockt an Land, Schuurd und seine Familie (Töchter und Schwiegersöhne) bereiteten das Antifouling [gifthaltiger Unterwasseranstrich gegen Bewuchs] vor. Schnuckelig war sie auf den ersten Blick, einigermaßen in Schuss auch, die Steuerung ging schwer, in der Achterkajüte waren Löcher in den Himmel geschnitten, Schraubenspitzen standen heraus, die Nasszelle und alle Schrankvorhänge hingen schäbig (Leder mit verschlissenen Reißverschlüssen) herum. Aber: die Bilge [auch: Bilgensumpf, tiefstliegender Ort im Rumpf, dort sammelt sich jede Flüssigkeit] war trocken und es roch gut im Schiff, kein bisschen modrig oder muffig. Technisch sah alles recht gut aus, Die Elektrik schien neu eingezogen (von Schuurd und seinem Bruder: Elektriker), die Takelage blinkte und glänzte; bis auf die blind gewordenen Scheiben in Salon und Achterkabine schien es keinen Reparaturstau zu geben. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Machte einfach einen guten Eindruck, das Ding – für ein vierzig Jahre altes Schiff, niemals zu vergessen. Später an jenem Samstag sollten noch andere Interessierte kommen, also machten wir/machte mein Bruder ein Angebot: 15.000. Schuurd lachte ungläubig auf: Soo billig nun nicht.
Über mehrere Telefonate besserte ich nach, 17.000 sollten es schon sein, bevor er sich auf ein Probesegeln einließ. Denn ich wollte das Schiff unbedingt einmal im Wasser erleben. Also sind im Juni 2019 Tochter, Gattin und ich hingefahren und wir haben, an einem fast windstillen Tag, sämtliche (vier) Segel hochgezogen und sind zurück in den Hafen motort. Und haben das Ding gekauft. Für 16.500. Bis August durfte es sogar an seinem Liegeplatz in der Marina bleiben, weil Schuurd sich nach einem neuen Schiff umsah (er brauchte größere Kojen für sein großgewachsenen Schwiegersöhne) und noch keins in Aussicht hatte.

Ende Juli konnte ich ein Wochenende auf dem Boot arbeiten, hab die Ankerkette ausgelegt, geprüft, vier marode Meter herausgesägt, die Teakhandläufe nachgeölt, die Wassertanks aus dem Tiefkeller der StB-Backskiste [steuerbord: in Fahrtrichtung rechts; Backskisten sind Stauräume unterhalb der Cockpit(auch: Back(s))bänke] herausgewuchtet, geschrubbt (Spülbürste an Wasserschlauch getaped; dabei Cockpit geflutet und Motorbilge knöcheltief unter Wasser gesetzt) und in der größten Hitze (die Polster durchgeschwitzt/ruiniert) die Scheuerleisten silikoniert/gegen den Rumpf abgedichtet. Weitere ausstehende Arbeiten laut Vorbesitzer: blinde Kajütscheiben [Kajüte=Kabine=Raum] austauschen, einen Dieselschlauch am Motor erneuern, Deckslicht/Dampferlicht funktioniert nicht, eine zusätzliche Winsch [Zugtrommel mit Kurbel] für die Reffleinen [reffen=Segel verkleinern] anbringen – Kleinigkeiten. Später, Mitte August gab es ein langes Wochenende Zeit das Boot auszuprobieren (Einhand)[alleine] zum Tanken hinüber nach Bruinisse, zwei Stunden, kaum zwei Seemeilen (ca. vier Kilometer), danach dort in die Marina für die Nacht, dann das Grevelinger Meer hoch bis zur Pferdeinsel, erstes Beiliegen [Boot quer zum Wind stilllegen] (weil Fockschot falsch eingezogen), erste Grundberührung (weil Karte falsch gelesen, weicher Schlamm), erste Nacht vor Anker (Ankerlicht funktioniert nicht); am nächsten Tag fast ohne Wind (Sonnenbrand) nach Port Zeelande Marina gekrochen, Einhand-Anleger am Gästekai, zwei Tage im Hafen, musste einen Text zum Geburtstag der Tochter (6.08.) fertigschreiben. Ein paar Boxen weiter am selben Steg lag die M. Jambo, gerade von ihrem Transatlantik-Törn (cf. Youtube) zurück.
Rückfahrt über die Zwillingsinsel Mosselbank. Beim Ausfahren und Wenden Segel vertörnt, unkontrolliert gewendet, von Motorboot angehupt worden, völlig zurecht.
Einparken im Hafen (Heimathafen Herkingen, alle kannten das Boot besser als ich!, Glück gehabt, hat gut geklappt, es gab Applaus von der Nachbarin/vom Nachbarboot). Rückfahrt nach Köln mit gutem Gefühl.

Herkingen

Ende August Überführung in die von Schuurd empfohlene Marina, wo auch der Mechaniker seine Firma hat, der die In the Mood bis dahin betreut hat: Freddy.
Herkingen-de Heen sind weniger als zwanzig Kilometer Luftlinie, dauerte 6½ Stunden mit dem Boot, zweieinhalb per Fahrrad, zwanzig Minuten mit dem Auto.

Im Herbst 2020 entdeckt, dass die Cockpitabflüsse mit der Spüle verbunden sind: wenn das Cockpit vollläuft, schwappt das Wasser im Salon aus der Spüle: nicht gut. Regenwasser mit hohem Sandanteil steht handbreithoch in der Bilge, Arbeitsplatte und neu gemachte Besteckschubladen sind durchweicht, verquollen und klemmen. Nicht gut. Ausgepumpt: die Bilgepumpe schafft ordentlich was weg, doch ihr Schlauch reicht nur bis in die Spüle, die soviel Wasser nicht ablassen kann: nicht gut. Dennoch zwei schöne Segeltage, durch den befahrenen Volkerak hinüber nach Oude Tonge, superschmale Einfahrt, nette Marina, Restaurant am Hafen, Abendessen schon unter Corona-Bedingungen (was die Niederländer nicht sehr streng nehmen). Am nächsten Tag Richtung Binnenland bis fast nach Dintelloord, Rückfahrt in kräftiger Brise, Tischplatte kracht aus Scharnier (Festschnallen!), Frachterkapitän winkt Steuerfrau Mut zu, weil die Moody tapfer gegenan [gegen Wind und Wellen] kämpft, sich zwar kräftig schräg legt, aber keinerlei Geräusch oder Ächzen von sich gibt: sicheres Gefühl, trotz allem. Im Wassercafé an der Schleuse biegen sich und ächzen die alten Eichen schwer im Wind: fast schon ein kleiner Sturm. Rückfahrt und Anleger klappen einigermaßen. Gutes Gefühl: am Schiff wird es jedenfalls nicht scheitern, wenn es schweres Wetter gibt.

In de Heen den Motor zum ersten Mal winterfest gemacht: Ölkontrolle (sieht noch zu gut aus zum Wechseln, fast klar), Getriebeölkontrolle (dito), Kühlwasserfilterdeckel demontieren. Motor laufen lassen, gleichzeitig Antifrost in Kühlwasserfilter kippen, bis blaues (umweltfreundliches) Kühlwasser hinten unterhalb des Hecks [hinteres Ende] austritt (Was man nicht sehen kann, wenn man bis zum Hals unterhalb des Cockpitbodens im Motorraum kauert, um über den tuckernden Motor gebückt Kühlmittel in den Kühlwassereinlass zu kippen…) Alle Seeventile geschlossen, Landstromversorgung abgekoppelt, Hauptschalter off. Deck [Oberseite] winterfest mit Plane verspannt, gut verzurrt. Allerdings die Gasflasche offen gelassen, was mir ein paar unruhige Wochen verschafft hat.

Über den Winter drei Segel und die Sprayhood [Plane der Niedergangsabdeckung] zur Segelmacherin gefahren. Ihr Partner erkennt das Großsegel: der vielzackige Stern ist das Zeichen für Moody-Segel. Ob das Großsegel noch das Original aus den 80er Jahren ist? Jedenfalls ein weiteres Plus: jeder Kenner vermittelt ein gutes Gefühl, wenn er über die Marke spricht.

Später im Winter die Sprayhood imprägniert. Per Ebay ein faltbares Beiboot Port-A-Bote gekauft, Außenborder gekauft, Hydrovane [Selbststeueranlage] bestellt (wegen Corona ist die MWSt. halbiert, dennoch 6.500 (!!!). Der Paketbote, der die viermal dreißig Kilo anschleppen musste, hat sich bitterlich beschwert). Farben gekauft. (Bilge muss gestrichen werden, ebenso Heckspiegel [Hinterfläche des Bootsrumpfs]). Boot angemeldet: heißt jetzt K-B 160, alten Namen abgekratzt, neue Folie ans Heck geklebt.

Wolken im Mai

2021 hatte ich wenig Zeit für das Boot (vgl. anemoi.online). Im Mai Ausflug mit beiden Töchtern und Easy, deren Freundin. Spät losgekommen, hoffentlich schaffen wir es durch die beiden Schleusen, Gattin telefoniert und die Schleusenwärter beruhigen sie: bis 18:00 lassen sie uns passieren. Lio am Steuer, in der Krammersluis geb ich das falsche Kommando, das Schiff legt sich quer und schrammt schwer an der betonharten Schleusenwand entlang. Plastikstaub explodiert heftig. Mein Fehler, Tochter kann nichts dafür, beschwert sich umso bitterer. Nacht an der Zwillingsinsel, fast verlassen im kühlen Frühjahr. Stimmung gut, wenn auch ernst: schwierige Themen. Am nächsten Tag bis zur Pferdeinsel, dann zurück nach Bruinisse, Tanken, wieder durch die beiden Schleusen und zurück zur Marina. Töchter und Freundin wollen früh am Morgen von Rotterdam aus zurückfahren, Gattin bringt sie.

Freddy kennt die In the Mood tatsächlich gut. Rumpf stabil, Osmose-Prävention zwei Jahre zuvor neu gemacht [Osmose, Blasenbildung bei ins GFK-Gewebe eingedrungenem Wasser, ist der Horror jedes Kunststoffbootbesitzers], Rigg [Mast, Verspannungen, Leinen, Segel] in gutem Zustand, Motor okay. Dass die Steuerung schwergängig ist, lässt sich reparieren, auch die Winsch wird sein Helfer bis zum September anbringen. Als Schuurd (der Vorbesitzer) nach einer Kollision ein Oberwant [Wanten=Mastverspannungen in Querrichtung] hatte austauschen lassen müssen (bezahlt vom Unfallgegner) und der Rigger [Spezialist für Masten und Verspannungen] das dicke Stahlseil extrem anspannte, was Freddy besorgt intervenieren ließ, beruhigte ihn der Rigger: »Don’t worry, it’s a Moody!«

Ende Mai 2021 bei Elsa, Freddys Frau (Seglerin, hochseeerfahren, tiefenentspannt) Leine für drittes Reff gekauft und Nähzeug (Segelmacherhandschuh mit verstärktem Handtellerschutz zum Durchstoßen der Nadel) geliehen, Segel auf- und Reffleine eingezogen, Ansatzpunkte für Reffleinen entrostet und umgesetzt. Nur die Winsch hat Freddies Helfer nicht angebracht.

Im August 2021 mit Gattin auf dem Schiff; Motor springt nicht an. Kein Ausflug möglich. Dennoch drei Tage, zwei Nächte auf dem Schiff verbracht, neuen Mechaniker, Charles, kennengelernt. Er wird den Motor wieder in Gang bringen (und zwei neue Batterien einbauen, waren nicht mehr zu retten.) Motor sei völlig verbaut, irgendwelche Kabel, die keine Funktion haben hängen rum. Gerne hätte ich ihn damit betraut, den Motor zu entzerren. Bloß: zu teuer, und solange der Motor noch funktioniert …

Inzwischen ist die In the Mood schon als Elizabeth angemeldet, nur noch nicht umgetauft und umgekennzeichnet – Schuurd (Vorbesitzer) hatte mir erzählt, dass der allererste Besitzer, ein Engländer, sie auf diesen Namen getauft hatte: ich gehe also zurück auf ihre ursprüngliche Bezeichnung. Nach dem Engländer kam nach dieser Schilderung ein Niederländer (oder Schotte), der sie ziemlich vernachlässigt und verkommen lassen habe, danach Schuurd, der (glaubt man seinen Beteuerungen, was ich tue), sie (günstig erworben und) wieder in Schuss gebracht hat. Das Einzige, was mir dabei nicht passt: Um im Salon zwei zusätzliche Schlafplätze (Doppelkoje) zu gewinnen, hat er eine Konstruktion – aus verbreitertem Rückenpolster, zwei Längsbalken, vier Balkenschuhen an Querbank und auf dem Batteriekasten, plus einer zusätzlichen Sperrholzplatte (die den Zugang zu den Staufächern hinter der Rückenlehnen verkompliziert) – einbauen lassen. Habe ich rückgebaut, als erstes Polster schmaler geschnitten, Bezüge schmaler genäht, Bezüge mit Reißverschlüssen neu gefasst in Salon und Achterkajüte, Teppichboden in Achterkajüte (schweineteuer) neu verlegt. Das war alles im ersten Jahr, 2020.

Innen

In diesem Jahr, 2021, das Boot Ende Oktober zur Bootsrampe verholt und aus dem Wasser hieven lassen. Im November ist die Marina ziemlich gottverlassen, feucht und kalt, die Duschen sind geschlossen und nur die Hardcore-Yachties/Liveaboards [Leute, die auf ihrem Boot wohnen], die ihr Boot als Wochenendhaus benutzen, treiben sich vereinzelt im Hafen herum. Und Charles und Freddie, die Mechaniker. Was, in Absprache mit Freddie zu tun ist, während das Boot an Land aufgebockt sitzt:
– Lukenumfassungen: Luken demontieren, alte Bohrungen verspachteln, neu epoxieren/mit GFK belegen, verkleben, schleifen, versiegeln, Luken wieder montieren;
– Scheiben /Verglasungen in Achterkabine und Salon demontieren (Hunderte von Schrauben), einschicken, in 8 (statt 6) mm neu fertigen lassen, einbauen/verkleben, verschrauben. Beides hab ich noch nie gemacht, allerdings im Sommer Eloxieren gesehen/praktiziert. 
– Und vor allem: den Schlauch der Bilgepumpe zu einem Auslass aus dem Boot verlegen, wo die Pumpe uneingeschränkt pumpen und ihre Leistungsfähigkeit ausspielen kann.
– Außerdem: eine Seewasserleitung zu Spüle und Waschbecken im Klo verlegen (um Süßwasser zu sparen: Seewasser gibt es immer genügend).

Leider hatte ich mir in den Kopf gesetzt, die beiden letztgenannten Arbeiten selbst zu erledigen. Dabei istdas Wetter genauso unwirtlich wie Anfang des Monats. Der Ablauf der Bilgepumpe ist ein Sicherheitsfaktor. Im Notfall (bei einem Wassereinbruch) ist die (elektrische) Bilgepumpe eins der wichtigsten möglichen Rettungsmittel. Bisher liegt der Ablaufschlauch unter einer Klappe zusammengerollt, er wird in die Spüle gehalten, die aber nicht genug Wasser wegschafft, dass man die Bilgepumpe durchgehend laufen lassen könnte – kein haltbarer Zustand. Ende Oktober Kühlschrank ausgebaut, um nachzusehen, wie der Ablauf der Spüle original verlaufen sein muss. Fehlanzeige: es gibt keinen Borddurchlass [Öffnung in der Außenhaut] unterhalb des Kühlschranks. Der Verlauf der Abflussleitung zu den Cockpitentwässerungen scheint original so vorgesehen zu sein. Belasse ich so. Was aber heißt: wenn eine Welle tatsächlich ins Cockpit einsteigt, quillt das Wasser aus der Spüle und läuft ins Boot, zumindest so lange, bis das Cockpit sich entleert hat. Um den Schlauch hinter den Einbauschränken und dem Gasherd hinauf bis über die Wasserlinie und nach hinten in die Bb-Backskiste [backbord= in Fahrtrichtung links] zu führen (wo es sehr hoch an der Bordwand (sehr sicher als Ablauf!) einen ungenutzten Durchlass gibt), muss ich: den Gasherd aushängen, den Kühlschrank ausbauen, den Schrank um den Gasherd zersägen/ausbauen, den Innenausbau der guten alten Moody inklusive Abdeckungen und Teilen des Bootshimmels demontieren, bis ich auf Bauteile stoße (Seitenwände des Gasherdschrankes), die beim Bau des Schiffes in die Außenwand/Bordwand EINLAMINIERT worden sind. Superstabil, aber wenn ich die ausbaue, also absäge, kann ich sie nicht wieder zusammenbauen. Große Verzweiflung, großes Chaos im Schiff. Bis ich für den Schlauch (sechs Meter Länge) Durchlässe gebohrt, ihn zwischen Einbauregalen (mit fest installierter Gasleitung) und Bordwand eingefädelt und mit Schraubschellen fixiert hatte, war ich mit den Nerven wie mit meinen handwerklichen Fähigkeiten am Ende.  Jauchzen vor Erleichterung, als ich den Schlauch zum ersten Mal hinter Tellerschrank und Gewürzregal wieder am Tageslicht auftauchen sah. Aufheulen vor Frustration, als das Führungsseil sich hoffnungslos verklemmt hatte und das ganze Projekt zu scheitern drohte. Nach zwei Tagen mit Heulen und Schreien, kurzen Triumphen und langandauernder tiefer Verzweiflung liegen die Schläuche endlich, wo sie sollen. Dann stelle ich fest, dass ich die falschen Schlauchschellen besorgt habe. Und nach fünf Tagen ungeduscht, bei Regen und Nebel knapp über dem Gefrierpunkt, nach mit Elektropüster on/off-stoßgeheizten Nächten, gebe ich auf.

Zurück in Köln stelle ich fest, dass die Schlauchschellen doch passen müssten. Es gibt jedenfalls keine passenderen. Fazit: ich liebe die alte Tante Elisabeth wie einen Pickel. Vor allem vertraue ich ihrer Stabilität (jedenfalls mehr als meinen handwerklichen Fähigkeiten).