
Willkommen zu den höchsten Wellen der Welt
… steht über dem stählernen Torbogen, gleichzeitig Sperre für den Autoverkehr, vor den letzten anderthalb Kilometern steile Landstraße hinunter zur Festung, dem Aussichtspunkt und Leuchtturm („Farol“), über der Brandung bei Nazaré, magischer Ort für Wellensurfer und You-Tube-Afficionados wie mich.

Um sechs nachmittags in der Marina Nazaré angekommen, superfreundlicher Hafenmeister bestellt mir um kurz vor sieben ein Taxi hinauf zur Festung. Im letzten Licht (und dichtem Nebel) kommen mir jede Menge Schaulustige entgegen. Die Festung selbst liegt zum Glück gerade unterhalb des Nebelschleiers, die brausende Brandung am berühmten Sandstrand ist zu sehen und zu hören.

Wellen oder Dünung gibt es allerdings – bei Windstille – keine besonders eindrucksvollen. Dennoch ist die Magie des Ortes zu spüren. Das kleine Museum in der Festung steht voller Surfbretter, signiert und mit Dank an die Helfer, die Bevölkerung und die Atmosphäre in Nazaré vollgeschrieben.

Die Erlebnisberichte sind nichts für schwache Nerven: »zehn Minuten bewusstlos gewesen, kurz aufgewacht, den beiden Vertrauten zugeblinzelt (bewegungsunfähig, weil auf der Trage festgeschnallt,, dann wieder bewusstlos im Rettungswagen, im Krankenhaus wieder aufgewacht«; »die höchsten Wellen, die ich jemals gesehen habe und gesurft bin« – Erfahrungsberichte gibt es nur von denen, die überlebt haben. Es wird rasch dunkel, Festung und Museum leeren sich, die machen um 20:00 dicht.

Oben auf dem Felsen über der Stadt kleben Häuser, Restaurants, Andenkenläden, eine Kirche nah an der Kante, an der Brüstungsmauer geht es hunderte Meter senkrecht hinab, die Lichter der Altstadt liegen unten ausgebreitet.

Jede halbe Stunde fährt die Drahtseilbahn, schräge gestufte Sitze, bis direkt in die Innenstadt. Mit Leon bin ich im Aki del Mar verabredet, absolut frischer Fisch und Meeresfrüchte in der Auslage, aber eher lieblos zubereitet und dafür dann doch zu teuer.

Am Dienstag (11.10.) früh abgelegt, Kurs Süd. Noch immer ist es diesig, aber wenigstens trocken und Wind kommt auf: fünf Stunden gute Fahrt unter Gennaker, dann frischt es auf und das Riesensegel ist kaum zu bergen, 6,2 kn hat das gute alte Ding uns gezogen.

Die letzten beiden Meilen rund ums Kap Corvoeiro (Cabo Corvoeiro) kocht die See, aber die gute Bets rauscht mit sieben kn bis zum Wellenbrecher vor dem Hafen von Peniche da Cima (alle sagen nur „Penísch“).
Die Marina ist voll und eng, mühsam wieder rausmanövriert, eine französische Yacht aus St. Malo ist einverstanden, dass wir längsseits gehen und nimmt unsere Leinen. Die wollen im Dezember über den Atlantik in die Karibik und sehen sehr gut ausgerüstet und vorbereitet aus. Warten allerdings auf ein Ersatzteil für ihren Motor. Das heftige Knarren meiner ungeeigneten Festmacherleinen hat den kleinen Sohn (ca. 2 J) aufgeweckt und der französische Skipper (ein belgischer Freund ist auch an Bord) gibt mir seine (geschlagene) Leine: viel besser.

Leon hat wieder den ganzen Tag gesteuert, untadelig, unermüdlich, unablösbar: in den fünf Tagen, seit er in Porto zugestiegen ist, war ich insgesamt vielleicht eine Viertelstunde am Ruder. Allerdings sind wir auch nur höchstens insgesamt fünf Minuten gesegelt. Bis zum Dienstag, den wir beide ausdrücklich sehr genossen haben.

Abends mit den Männern telefoniert, großes Hallo. Und mit Paula (aus Berlin zurück) und gekocht: Ottolengis pfannengerührter Spitzkohl à la Jeffrey. Lecker, fand Leon.
Heute früh um sechs nicht mehr schlafen können, wir wollten ohnehin früh los. Ins Fischer-Industrieviertel spaziert, eine 24h-Tankstelle hat geöffnet und verkauft Kaffee und Kippen – Erlösung. In der Marina von Peniche gibt es kein Hafenbüro, nur eine Telefonnummer. Dafür eine Zugangstür, die sich nur mit Codekarte öffnen lässt. Oder eben, indem man auf das Gittertor klettert und den Innen-Knopf von außen drückt. Die superfrühe Abfahrt war dann um zwanzig nach acht. Draußen kein Wind. Also motoren wir. Leon wird morgen nachmittag von Lissabonn aus zurückfliegen.

Die Einfahrt in den Tejo war grandios. Zum ersten Mal an diesem Tag strahlender Sonnenschein, glasklare Sicht, mit bis zu 7 kn bei halbem Wind nach Lissabon reingerauscht, Leon am Steuer (wie immer). Marinaplatz klargemacht, einigermaßen angelegt (heftiger Wind). Duschen und Abendessen in irgendeiner Sozialeinrichtung, kaltes Büffet, das eigentlich warm sein sollte, aber die Heizlampen haben’s nicht gebracht. Dennoch Salat, Lachssteaks mit Knofikartoffeln, Rippchen mit Pommes, Mousse au chocolat. Dann noch zwei Cocktails in der schicken Bar an der Marina (»ihr seid uns sympatisch« – eigentlich ist drinnen nur zum Essen, aber draußen war’s uns zu kalt, wir sind beide etwas verschnupft: zu viel windige Seeluft.

Heute (Do., 13.10.) früh fahren zwei Kreuzfahrtschiffe zum Sonnenaufgang in die Innenstadt hinein. Scheinen die extra so zu timen: Lissabon im Glanz. Kurz darauf bringt ein Marina-Angestellter frische Brötchen aufs Boot. Hab ich noch nie erlebt, fantastisch. Also Cockpittisch aufgebaut und draußen gefrühstückt. Leon nimmt ein Taxi, ich leihe mir ein Fahrrad. Schwerer Fehler: für die Strecke zum Placa do Comercio im Zentrum, sollte eigentlich in einer Dreiviertelstunde zu schaffen sein (sagt der durchtrainierte junge Typ vom Bootsbedarfsladen), brauche ich volle drei Stunden.

Dabei bin ich mit Leon verabredet, der um halb zwei zum Flughafen muss. Schwer geschwitzt. Im Bootsbedarfsladen beim schiefen Turm hatten sie auch keine große, dafür umso teurere Auswahl an Leinen – die Großschot ist durchgescheuert, der Ersatz, den ich gestern eingeschoren [eingefädelt] habe, ist zu kurz und taugt nur als Provisorium. Einzige Pause, sonst durchgeradelt, komme völlig fertig am Treffpunkt an. Reicht gerade noch zu Toast und schnellem Bier (für Leon), zu O-Saft und Brathuhnbrötchen und Milchkaffee (Pingo heißt der nur in Porto!) für mich. Lissabon wie immer grandios, strahlend und voller Touristen. (Als ich beim Torre Belem und dem Kolumbus-Denkmal vorbeiradelte, war die Strandpromenade schwarz vor Menschen, die Kreuzfahrtschiffe hatten ihre Kunden für die Stadtrundfahrt ausgespuckt und mit Bussen herangekarrt.) Dann ist Leon weg, seufz. Alone again, naturally.
Rückweg ruhiger angegangen, in einer gutsortierten Chandlery neue Leinen für Großschot und Baumniederholer gekauft, auch einige Umweg vermieden. Kaffee und Eis mit Sahne in einer Strandbar mit Bikini-Schönheiten. Hier herrscht Sommer; kurze Hose, T-Shirt, Sandalen beim Leinen einfädeln. Jetzt noch Nervennudeln kochen, Blog und Insta-Post abschicken (ich hab das WLAN-Passwort verlegt, dabei ist das Wifi in der Marina Oeiras ultraschnell und superstabil!).
Rankin: Der kalte Hauch der Nacht (Set in Darkness): wieder ganz groß. Aber lieber im Original lesen, Rebus‘ Sarkasmus und Schlagfertigkeit leiden in der Übersetzung.