3. Schon Februar!

Schon wieder zwei Monate vergangen, seit ich den letzten Eintrag geschrieben habe. Aber so ist das mit den Blogs – sind viel Arbeit. Aber schön.

Im Dezember und Januar Elektronik besorgt, ein Smartphone, ein Tablet, Navionics [Segelsoftware], dazu mich eingearbeitet. Im Januar im Allgäu die bestellten Edelstahl-Arbeiten abgeholt, zwei Konsolen, um eine Art Badeplattform außen an den Rumpf zu hängen, einen Handgriff, der an der Steuersäule befestigt werden soll und auch Ösen für Sicherheitsleinen trägt. Dies alles, damit man am sich nicht ausschließlich am Steuerrad festhalten kann; sollte zusätzliche Sicherheit geben. Außerdem genäht:Kojensegel [seitliche Verspannungen, damit man nicht aus dem Bett rollt] und Vorhänge für die Achterkabine. Außerdem einen Ausflug nach Oostende gemacht. Bietet sich als Stopp an: Yachthafen direkt am Bahnhof, Supermarkt und Restaurants direkt über die Straße, praktische Bahnverbindungen. Allerdings ist der Hafen bei NW-Wind, vor allem wenn er stürmisch weht und Wasser ins Hafenbecken treibt (ca. 6-8m Tidenhub, geschätzt; sie haben sogar Sandsäcke und Flutbarrieren angebracht, weil das Hafenbecken überzulaufen drohte), ziemlich furcheinflößend: Wind steht genau in die Einfahrt, enger Hafen vor Schleuse. Wenn das Beidrehen nicht beim ersten Versuch klappt und reibungslos im Festmachen am Ponton mündet, wird es sofort eng und schwierig. Der eigentliche Schutzhafen ist erst weiter innerhalb der Stadt, hinter zwei Schleusen, erreichbar.

Mögliche Planänderung: Vielleicht gondele ich gar nicht die französische (normannische, bretonische) Kanalküste entlang (schwierige Strömungen, Tiden [Hoch- und Niedrigwasserunterschiede], Winde und Hafenansteuerungen), sondern setze direkt nach England über, fahre die Südküste entlang und starte von Plymouth aus direkt über die Biskaya? Klingt verführerisch.

Ein Segel gekauft (bei Oldenburg, dreihundert Kilometer Fahrt). Gestern zwei zukünftige Mitseglerinnen kennengelernt, super vielversprechend. Weil: Ich weiß noch nicht, wer auf welcher Strecke mit mir segeln wird. Ich weiß nur, dass ich nicht alleine unterwegs sein möchte. Jedenfalls nicht für längere Strecken.

im Volkerak

Rückblende

Ab September habe ich diese Mail an alle möglichen Freunde, Bekannten und SportskameradInnen geschickt:

»Ihr Lieben,

wie ihr sicher bereits wisst, plane ich seit sehr langer Zeit, eine größere Segeltour zu unternehmen. Das möchte ich nicht alleine machen. Jetzt rückt meine Abreise langsam näher und ich suche Leute, die ein Stück weit mit mir zusammen segeln wollen (ohne andere Interessen meinerseits). Heute stelle ich euch die geplante Route vor und ein paar Einzelheiten. Solltet ihr Interesse haben oder einfach nur neugierig sein, antwortet auf diese Mail und ich nehme euch in einen Verteiler auf, wo ich dann die Einzelheiten kläre. Selbstverständlich wäre eure Rückmeldung zum jetzigen Zeitpunkt völlig unverbindlich.
Voraussetzungen: Ihr braucht keinerlei Voraussetzungen mitzubringen, Sicherheitsausrüstung und Segelkleidung sind auf dem Schiff vorhanden. Von euch wird erwartet, dass ihr euch an den Wachen (auch nachts) und am Kochen beteiligt und steuert (am Ruder sitzt/steht). Alles, was ihr wissen und können müsst, wird euch gründlich erklärt.
Einschränkungen: Das Boot ist nicht sehr groß, es wird eng. Schlafen wird anstrengend und kurz. Seekrankheit (kommt leider vor, aber) sollte nach wenigen Tagen verschwinden. Wie auf jedem Boot ist Frischwasser ein kostbares Gut, tägliches Duschen/Haarewaschen wird nicht möglich sein. Ebenso gibt es wahrscheinlich nicht genug Strom, um auf Dauer elektronische Geräte (außer denen zur Navigation) zu betreiben. Alkohol gibt es nur sehr selten. Und ihr müsstet euch nach den Plänen des Schiffsführers (das wäre dann ich) richten.
Das Boot: Ist eine Moody 33 Mk II, 10m lang, von 1979 (!). Es ist ist klein, aber sehr seegängig und sicher. Und gemütlich. Und mit elektron. Navigation, Satellitentelefon und Wind-Selbststeueranlage ausgerüstet. Moody-Yachten sind als extrem seetüchtig und stabil bekannt, auf  solchen Schiffen (auch auf demselben Modell) wurden vielfach Weltumsegelungen sicher durchgeführt. Auf dem Schiff gibt es in zwei Kabinen Platz für vier (zur Not im Salon, aber nicht auf Dauer, für sechs) Leute – die sich besser gut verstehen sollten.
Informationen zum Schiff und zur Reise findet ihr später auf der dazugehörigen Internetseite (die derzeit noch nicht eingerichtet ist).
Kosten: Eure Anreise müsstet ihr selbst organisieren (ich kann euch aber ein Reisebüro empfehlen). Dazu kommen Auslagen für Essen, Treibstoff, Hafengebühren u.ä. von ca. € 150.— pro Woche und Person.

Route und Termine (alle Angaben, vor allem die Termine, sind Schätzungen, außerdem nicht exakt planbar. Eure Anreise könnt ihr nur sehr kurzfristig buchen, wir sind vom Wetter abhängig!)
Mai 2022 Holland – belgische, französische Atlantikküste – Bretagne (drei Wochen, Teilabschnitte möglich)
Juni 22 Bretagne – Biskaya – Nordspanien (drei Wochen. Wild. Nichts für Segel-Anfänger)
Juli 22 Sommerpause
August 22 spanische, portugiesische Atlantikküste – Gibraltar – Cartagena (Spanien)
September 22 vor Cartagena (privat reserviert, Tage- oder wochenweise Ausfahrten evtl. möglich)
Oktober 22 Gibraltar – Kanaren (zwei Wochen, wild)
November 22 Kanaren – Kapverden (zwei Wochen)
Dezember 22 Transatlantik: Kapverden – Barbados (privat reserviert)
Januar + Februar 23 Inselhopping in der Karibik (Curaçao, San Blas usw.; Teilabschnitte von ein oder zwei Wochen möglich )
März 23 Winterpause
April 23 San Blas – Panama
Mai 23 Panama-Kanal (eine Woche, vier Mitsegler/innen gesucht: Linehandler)
Mai 23 Panama – Kolumbien – Guyaquil/Ecuador (vier Wochen)
Juni 22 Guyaquil – Galapagos (privat reserviert, drei Wochen)
von da ab plane ich noch nicht weiter, es soll Richtung franz. Polynesien gehen.

Soviel von mir.
Also: wenn ihr unverbindlich euer Interesse anmelden wollt, antwortet auf diese Mail und ihr werdet in einen separaten Mailverteiler zur Reiseplanung aufgenommen. Wenn nicht: Alles Gute für euch, schönen Herbst und Winter,

herzliche Grüße
Ulrich Brandt (der in den letzten Monaten Segel- und Funkscheine gemacht hat und in diesem und dem letzten Sommer Erfahrungen mit dem Boot gesammelt hat)« 

Erste „MitseglerInnen-gesucht“-Mail

Darauf kamen unterschiedlich ermutigende Antworten, alle möglichen Reaktionen zwischen »Nichts für mich.« und »Supertolles Projekt, bin dabei!«. Und vor allem sehr viele Nicht-Reaktionen.
Manche fanden, wie ich inzwischen weiß, die Mail eher abschreckend, viel zu wenig einladend (»Kein Alkohol? – Ohne mich!«). Doch immerhin rund dreißig Antworten gingen ein. Anfang November ging die zweite Mail raus:

Also,
liebe [XXs], lieber [XYs] ; und jeweilige Familienmitglieder, –

schön, dass ihr euch gemeldet habt, ich freue mich sehr, dass so viele sich für das Projekt zumindest theoretisch interessieren. Von den fast dreißig Menschen, die sich zurückgemeldet haben, können sich etwa die Hälfte vorstellen, möglicherweise eine Teilstrecke mitzufahren, die anderen möchten gerne informiert werden und als „Zaungäste“ dabei sein. Was mich persönlich am meisten beruhigt: dass sich für alle größeren Strecken InteressentInnen gefunden haben, es sieht also so aus, als müsste ich diese Tage- und Nächtelangen Überfahrten nicht alleine durchstehen. Herzlichen Dank und ein herzliches Willkommen an euch alle! Wahr ist allerdings auch, dass ich noch lange nicht ausgebucht bin, es gibt noch Plätze für alle Strecken; falls ihr also diese Mail oder einen Ausdruck weitergeben möchtet: bitte gerne.

Ihr seid super unterschiedlich, eure Erfahrungen reichen von erfahrenen SeglerInnen und RegattateilnehmerInnen bis keinerlei Segelerfahrungen, aber neugierig. Eure Bekanntschaft mache ich gerade, sie reicht bisher von Mitglieder der eigenen Familie bis noch nie gesehen oder gesprochen. Ausgesprochen spannend also.

Mein Plan ist es, euch zwischen heute und Ende April etwa VIER Mails zuschicken, aufgrund eurer Unterschiedlichkeit werdet ihr sie unterschiedlich nützlich finden, tut mir leid.

In diesen Mails erhaltet ihr:
– allgemeine Vorschläge zum Verhalten als Gast und Crew auf Yachten (Magazin-Artikel), inkl. so einer Art Packliste (KEINE Hartschalenkoffer!),
– ein Video bzw, den Link zu einem Video mit der Außenansicht und der Inneneinrichtung des Bootes,
– Antworten (Q&A) auf (hoffentlich sämtliche) eure Fragen; Fragen dazu sammle ich ab sofort, bitte schicken!,
– den Link zur URL (Blog) „sailing-elizabeth“ (existiert derzeit noch nicht [dieser hier!]).

Hier erstmal Infos zur derzeitigen Lage:
Das Boot steht seit Anfang November auf dem Trockenen, südlich von Rotterdam. Voraussichtlich Anfang April wird es wieder zu Wasser gelassen, dann wird es Gelegenheit geben, das Boot zu besichtigen, vielleicht sogar zu segeln. (Fahrtzeit von Köln: 2,5 Stunden, je nach Verkehr).
Letzte Woche habe ich im Innenraum gearbeitet und bin nicht ganz damit fertig geworden, dort herrscht großes Tohuwabohu, deshalb dauert es noch etwas mit dem Video. Im Frühjahr werden zusätzliche Navigationsinstrumente und die Selbststeueranlage installiert, zuletzt Antifouling aufgebracht.

Zur Vorgeschichte/zum Hintergrund:
mein Plan, eine größere Segelreise zu unternehmen, datiert aus den 1980er Jahren. Damals habe ich zusammen mit meinem Bruder angefangen, ein Boot zu bauen, um damit um die Welt zu segeln (Bilder und Erläuterungen dazu auf „anemoi-online.de“, die Webseite wird von meinem Bruder betreut). In den letzten zwanzig Jahren war die Yacht-Baustelle ziemlich zum Erliegen gekommen, da wir beide Familien gegründet und Kinder großgezogen haben. Nach der langen Zeit hatte ich den Glauben an dieses Projekt verloren und im Sommer 2020 mein eigenes Boot in Holland gekauft, das ich jetzt für die Reise (mit euch) vorbereite. Nicht ahnen konnte ich, dass mein Neffe, Axels Sohn Ludwig, uns dazu anstiften würde, unser ursprüngliches (größeres) Projekt doch noch fertigzustellen. In diesem Jahr (Axel seit Oktober 2020) haben wir also die Anemoi fertiggestellt und im Juli in Lübeck ins Wasser gebracht.

Was mich zur Zusammenfassung meiner Vorerfahrungen bringt (eine häufig geäußerte Frage): Seit mehr als vierzig Jahren beschäftige ich mich mit Segeln, Bootsbau, Weltreisen und habe so gut wie alles gelesen (und jedes You-Tube-Video gesehen), was es zum Thema gibt. Seit mehr als vierzig Jahren segle ich (auf kleineren Jollen), habe auch als Segellehrer gearbeitet. Ich bin Eigentümer von 1,4 Yachten.
ABER: Ich war noch nie auf einem großen Ozean. Ich war noch nie in einem schweren Sturm. Und ich möchte auch nicht unbedingt in einen geraten. Weil: ich bin mehr als bereit, aus den Erfahrungen anderer zu lernen und langfristig zu planen. Niemand ist gezwungen, sich in der Hurricane-Saison in der Karibik aufzuhalten, Kurz: Ich halte mich für einen umsichtigen und eher übervorsichtigen Segler.

Soviel für heute,
schöne Vorweihnachtszeit
Ich freu mich auf euch
Ulrich

It is better to be on dry land
wishing you were sailing
than be sailing
wishing you were on the dry.

Zweite „MitseglerInnen gesucht“-Mail

Die Spruchweisheit am Ende ist von Ryan (von Ryan & Sophie Sailing), einem Ex-Piloten. Ursprünglich lautete die (Flieger-) Weisheit: »It’s better to be on the ground wishing you were flying…« Ziemlich nachvollziehbar, nicht?

Wie dem auch sei: Jetzt scheint endlich diese Internet-Seite hier zu funktionieren und es wird Zeit für die dritte Mail.