10. Ab Portsmouth

Durch den Solent
Gunwharf Quays, Portsmouth

Jaab legt um 10:30 ab, ich eine Viertelstunde später (Wir lagen im Päckchen [das zweite Boot macht nicht am Steg, sondern an einem Boot fest, das am Steg liegt], ging nicht gleichzeitig). Übler Seitenwind, war aber mit einer zusätzlichen Leine zu machen. Im Hafen und vor allem draußen ist die Hölle los.

Solent, leer

Das berühmteste Segelrevier der Welt ist auch eins der belebtesten. Yachten in alle Richtungen bis zum Horizont (der nicht sehr weit ist, weil der Solent zwischen dem Festland und der Isle of Wight liegt – fast rundherum Land, das auch den Wind abhält bzw. schwächt. Dafür drehende Winde und Windstillen. Zumindest heute. Alle Boote legen sich mächtig auf die Backe, Wind bis Bf 6 (hat Jaab gemessen), keine Welle: perfekte Segelbedingungen, zwar bedeckt, aber trocken. Jaabs Strömungskalkulation haut auf den Punkt hin: der Tidenstrom schiebt uns mit mindestens 3 kn, die Bojen legen sich schräg an ihren Ketten, Eine hat sogar leise geklingelt (Glockenboje). Klar fahren alle mit Vollzeug, bei den perfekten Bedingungen. Bis auf mich. Weil ich reffen schwierig finde, wenn ich gleichzeitig steuern soll, fahre ich im zweiten Reff (also nur mit zwei Dritteln der Segelfläche) im Groß. Überholen mich eben alle, was solls. Aber ich fühl mich besser dabei. Ein entgegenkommendes Boot ruft sogar herüber, warum ich denn nicht das Segel hochziehe? Gelächter unter den jungen Frauen im anderen Boot. Aber ich bin eben ein fauler Segler.
Trotzdem komme ich, nach einigen Winddrehern und unfreiwilligen Wenden (Georgie scheint nicht seinen besten Tag zu haben) zügig voran. Mittags liegt der Ausgang des Solent vor mir, eine Engstelle (Festungen zu beiden Seiten) mit dem Needles Channel dahinter. Scheinbarer Wind 3 kn, Strom in dieselbe Richtung 3 kn – ich stehe im Wasser, auch wenn sich das Schiff über Grund bewegt. Weil der Needles Channel laut Handbuch besonders schwierige Strömungsverhältnisse aufweist (für größere Tanker ist er verboten), werfe ich den Motor an.

Needles sind die drei (vier) kleinen Felsen am linken Bildrand

Needles, drei einzeln stehende Reste der Kalkfelsen am westlichen Ende der Isle of Wight, sind unter Seglern legendär. Leider war ich zu weit weg, auf dem Selfie sind sie kaum zu erkennen.

… auch nicht besser zu erkennen.

Unmittelbar hinter der Engstelle und der zugehörigen Landzunge frischt der Wind deutlich auf, Auch nur unter Vorsegel (ist viel bequemer auszurollen als das Groß) mache ich fast 7 kn (sicher drei davon Strömung!) Dann kommt über Funk ein Mayday. Eine Yacht ist auf Grund gelaufen, nur etwa drei Meilen entfernt. Einen Wimpernschlag lang überlege ich, mich zu melden. Ich meine, ich kann die Yacht sehen, im Winkel zwischen Küste und Landzunge. Doch bald melden sich zwei starke Motoryachten, die auch weniger Tiefgang haben und kurz darauf sind eine ganze Reihe Schiffe am Ort der Havarie. Solent Coast Guard fragt nach den Umständen, der Anzahl der Personen, ob das Schiff Wasser zieht etc. Vier Stunden lang verfolge ich (und der gesamte Schiffsverkehr in der näheren (und weiteren: teilweise Stimmen aus Frankreich) Umgebung a) die Art der Havarie: die Yacht, zwei Meter Tiefgang, ist auf Sand gelaufen. Der Skipper fürchtet, bei ablaufender Flut in Schräglage zu geraten. Das erste Motorboot übergibt, in Absprache mit Solent CG, eine Leine, schafft es aber nicht, den Mayday-Kandidaten wegzubewegen. Inzwischen ist auch die Yarmouth Coast Guard unterwegs. Später fragen die für die Akten, wie es zur Havarie kam. Eine gravierende Fehlfunktion im Chartplotter war die Ursache. Und dann fährt man einfach auf eine Landzunge mit deutlich erkennbarem Sandstrand zu? Außerdem haben die es noch nicht einmal geschafft, die Segel herunterzunehmen. Nicht: absichtlich stehen gelassen, um Schräglage (und weniger Tiefgang) zu erzeugen, nein: die Segel schlagen zu sehr im Wind, deswegen kriegen die sie nicht runter. (Alles über Funk – selbstverständlich war ich zu weit weg, um das zu sehen.) Nach zwei Stunden stuft Solent CG den Vorfall zu Panpan (frz: Panne, Panne) herunter. Nach drei Stunden wartet Yarmouth Coast Guard, dass die Flut hoch genug steigt, damit das Schiff freikommt (dabei sollte doch eben noch fallendes Wasser drohen?) Nach vier Stunden ist der Unglücksrabe frei und kann seine Fahrt fortsetzen. Und zwar völlig kostenfrei. Und Solent CG cancelt die Panpan-Funkstille.

Nachmittags wird der Wind schwächer, dreht sich auch im Uhrzeigersinn (heißt, dass das Hoch über mir nach Osten zieht (wenn ich beim SKS richtig aufgepasst habe)).

Bournemouth

Im Abendlicht passiere ich Bournemouth. Viele schöne Erinnerungen. Als ich im Februar 2002 als Lehrer angefangen habe, schenkte Paula mir und uns (Lioba war anderthalb) eine Woche in England, in den Osterferien. Um mein Englisch aufzufrischen. Super Idee, eigentlich. Little did we know, dass in meinem neuen Job geschliffenes Englisch so ziemlich das letzte war, was ich brauchte. Im ersten Jahr habe ich eine Vorladung als Zeuge in einem Missbrauchsprozess bekommen (ich sollte dem Missbraucher ähnlich sehen), eine Rüge der Bezirksregierung kassiert (ich hatte in einem Brief an die Eltern der Klasse Klassenbucheinträge aufgelistet (also veröffentlicht), eine Anzeige wegen Nötigung (Freizeitdealer (Klasse 9) wollte seine  Quellen nicht nennen), eine dienstliche Anweisung der Schulleitung, eine Disziplinarmaßnahme (Ausschluss vom Unterricht für drei Tage) zurückzunehmen und ich soll gegenüber der Konrektorin den Satz gesagt haben: „Ich bin noch nie so gedemütigt worden, wie in diesem Job!“ Den hat sie noch Jahre später zitiert/zum Besten gegeben. (Schöne Grüße, Frau Borowski!) Andererseits habe ich auch in diesem ersten Jahr eine Creative writing-AG ins Leben gerufen, samt kopierter kleiner Broschüre mit von SchülerInnen-geschrieben Texten (Dialoge, Kurzgeschichten), auf die der Schulleiter noch lange stolz war (und vielleicht immer noch ist – Schöne Grüße, Herr Schwarz!) Wo war ich?

Bournemouth

Bournemouth. Superschöne Erinnerungen: schnuckeliges Bed&Breakfast mit köstlichem Tee (schwarz, auch für das Kleinkind – „Die vertragen das super!“), grandioses Abendessen im Restaurant des Strandhotels (der weiße Rundbau links unterhalb des Riesenrads – soll ich eine Lupe reichen?), Strandspaziergänge und eine eigene Badehütte am Meer (die weißen Kästchenreihe am linken Bildrand) inklusive zweier Liegestühle. Und zwei schlimme: Abendessen beim Asiaten, Lioba (1,5) wird übel, sie erbricht sich auf den Tisch, wir schaffen es gerade noch aus dem Laden, aber auf der Schwelle oder knapp daneben entleert sich das gesamte Kind (No connection with the tea, I presume?). War uns superpeinlich, aber die Asiatin lächelt freundlich dazu. Die andere Erinnerung ist noch viel schlimmer. Ich hatte mehrere Tage Verstopfung. Als ich endlich auf der Toilette eines kleinen Cafés zu Potte kam, gebar ich einen Stuhl von der Konsistenz (und Länge) eines Schlagzeugstocks. Oder eher: ein Prügel. Das Ding passte in kein Abflussrohr, schon gar nicht um die enge Krümmung. Mangels andere Werkzeuge (keine Klobürste!) rückte ich ihm mit einer zusammengefalteten Zeitung zuleibe. Keine Chance, der Prügel blieb stocksteif. Nach einer halben Stunde verließ ich den Ort der Peinlichkeit, Zeitung und Stuhl in der Schlüssel steckend zurücklassend. Und war gottfroh, dass draußen niemand wartete, ich muss sicher eine Dreiviertelstunde drin gewesen sein. Falls der Café-Besitzer (oder seine Reinemacheperson) dies lesen (es ist 20 Jahre her, aber ich bin felsenfest überzeugt, dass sie sich an den Betonstuhl erinnern): es tut mir furchtbar leid. Eigentlich tat es mir schon im Moment der Erleichterung furchtbar leid. Und: Ich schulde euch mindestens einen Drink, bitte melden!

Bournemouth – viele schwere Gedanken

 An Bournemouth bin ich jedenfalls mit gemischten Gefühlen vorbeigefahren. Dann kam schon die Einfahrt nach Poole, ohne Navi kaum zu finden und der Kanal durch den zweitgrößten Naturhafen der Welt (1. Platz: San Franzisko? Mein Google hat keine Lust), wo ich mich sogar mit Navi verfahren hab und die lange Strecke zur hintersten (von Jaab zurecht empfohlenen) Marina, dem Poole Quay Boat Haven. Liegt am Kai, Häuser sehen aus wie alte Fischerkneipen, könnte die Altstadt von Poole sein. Sehr hübsch und sehr praktisch jedenfalls. Erst verfahre ich mich noch in der Marina, doch dann klappt der Anleger (es war fast windstill) vorzüglich (und sah gut aus). An der Einfahrt des Hafens liegt wie selbstverständlich die Medallia, das Rennboot, mit dem Pip Hare (die kommt wohl aus Poole) bei der Vendée Globe mitgeheizt ist, gegenüber ist ein Tesco (Vorräte kaufen für die Tage vor Anker und Muringboje), weiter innen am Kai gibt es einen Chandler (CO2-Patrone für Rettungsweste) und eine Tankstelle (und ein Fischercafé, wo sie sicher gutes Frühstück machen). Alles perfekt also. Bis auf den Preis. Er fängt mit achtundvierzig an und hört mit Pfund auf.

Elli in Poole. Dahinter ein kleines Motorboot
Naja, doch eher riesengroß
Ein schöner Tag zum Segeln
Segelschule

Lizzy in der Bucht von Swanage. Dienstag, 31. Mai, 19:00h Sonnenuntergang über der Bay, am Himmel nur ein paar Wölkchen. Aber: Wind aus Südwest, genau mir auf die Nase (wie immer beim Ankern, aber für morgen sollte er drehen). Um mich herum tobt eine Segelschule, die Hälfte davon in RS Fevas, wie der Opi eine in Spanien liegen hat. Schöne Erinnerungen; überhaupt könnte das Leben recht schön sein, Motor läuft wieder, Funk ebenso. Nur den Tag gestern musste ich erst einmal verdauen …

Kein schöner Tag

Montag, 30. Mai. Hätte man schon morgens ahnen können, dass der Tag fies wird. Über Nacht haben mir Möven das Cockpit vollgeschissen. Also nicht randvoll, aber doch ein paar dicke Flatschen. Will ich mir den Schlauch holen, der neben meinem Liegeplatz seinen Hahn hat – ist der zum SuperdickMotorschiff Rahal (Rahel, Rachel: wahrscheinlich arabisch), direkt neben mir gelegt, die Besatzung braust und wienert das Schiff von oben bis unten. Sollen die mir Bescheid sagen, wenn sie fertig sind. Sicher, no worries. Erstmal zum Chandler, sein Assistent kennt sich aus mit Schwimmwesten, hatte jahrelang den Job, sie nachzuladen: genau der richtige Mann. Sie verkaufen mir auch die Patrone, weigern sich aber sie einzubauen – das dürften sie nicht. Außerdem beharrt der junge Mann darauf, dass die Salztablette [die sich bei Wasserkontakt auflöst und die Weste auslöst] verbraucht sei. Deswegen sei mir zwei Mal die neue Patrone aufgeblasen. Neuer Auslöser war beim Paket auch dabei. Also ich auf den Kai gegenüber vom Laden, Schwimmweste zusammengebaut und: funktioniert! Genial. Dann den Wasserschlauch für eine Viertelstunde geliehen, Cockpit gesäubert und Wassertank und -kanister nachgefüllt. War das in de Heen überhaupt eine gute Idee für deinen Rücken, Andrzej? Danke jedenfalls. Der Ableger klappt vorzüglich, obwohl nicht ganz einfach, bei Wind seitlich gegen den Steg, vor und hinter mir zwei Schlauchboote, die Gasse supereng. Aber souverän gemeistert, sah gut aus. Jetzt noch tanken, gehen wahrscheinlich nur vierzig Liter rein, aber die nächsten Tage werde ich vor Anker liegen (Worbarrow Bay, Dartmouth), also aufstocken (wie gestern auch im Tesco am Kai Vorräte eingekauft). Bloß: die Tankstelle akzeptiert meine Karten nicht (nur wenn man ein Konto beim Betreiber hat). Also unverrichteter Dinge wieder abgelegt. Nur klappt der Ableger ganz und gar nicht, ich komme nicht um die Kurve und werde unter die Klappbrücke gedrückt (eisern, 19. Jhdt, Industriedenkmal und eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt). Oberwant und Achterstag krachen gegen die Brücke, der Bug schiebt sich auf einen Holzpoller, der die Brückenpfeiler schützt: ich hab die Strömung (es ist steigendes Wasser) völlig übersehen, die mit sicher drei Knoten den Fluss hoch drückt. Eine Leine zum Holzpoller kann ich ausbringen und mich zumindest einen halben Meter ranziehen, aber die arme Lizzy hängt quer zur Strömung fast mitten im reißenden Strom, Oberwant und Achterstag scheuern an der stählernen Fußreling der seitlichen Fußgängerstege am Brückenrand. Wenn die Flut noch zunimmt, wird sie mich unter die Brücke drücken. Lektion 15: Vor dem Ablegen auf ALLES achten!

»Think, Think, think!«

Marco, Skipper aus Kroatien

Praktisch sofort kommen jede Menge hilfsbereiter oder sensationslüsterner Passanten, das halb unter der Brücke eingeklemmte Schiff sieht von oben sicher interessant aus … einer will die Coast Guard rufen. Gerne. Einer kommt mit dem Schlauchboot, versucht mich freizuschleppen, aber sein Motor ist viel zu schwach. Ich kann die Brückenunterseite und die Scheuerstelle am Oberwant erreichen, versuche ein Kissen dazwischenzuschieben – keine Chance, die Strömung presst mich viel zu stark dagegen. Zwei junge Briten mit einem starken Motorboot kommen, bleiben aber auf Rufweite. Sie wollen eine Leine quer über den Fluss spannen, um mich abzuhalten, Sehe ich nicht als realistisch an, soviel Kraft kann niemand aufbringen. Also hilft nur warten: anderthalb Stunden später wird die Tide kippen, dann hört die Strömung auf. Danke und bis später. Aber die beiden sind neugierig, bleiben in der Nähe, halten sich mit ihrem starken Motor locker rückwärts gegen den Strom auf der Stelle. Von oben steigt ein hilfsbereiter Passant herab, aber selbst zu zweit, ich auf dem Bugkorb sitzend, er auf der Holzverschalung und mit den Füßen schaffen wir es nicht, den Bug abzustoßen oder gegen den Strom zu bewegen. Inzwischen ist oben auch der Brückenwärter angekommen. Ihn interessiert allein, ob seine denkmalgeschützte Brücke etwas abbekommen hat. Ich beruhige ihn, aber er hört vor allem auf die beiden jungen Briten, die ihn ebenfalls beruhigen. Gute Leute. Tatsächlich erreicht die Flut um Viertel nach zwei ihren Höchststand, der Strom kommt zum Erliegen und die beiden Briten können mich mit meiner Mittelleine leicht (so wirkt es jedenfalls: superstarker Außenborder im Rückwärtsgang) freiziehen. Aufatmen. Beim Weg den Fluss hinab grüßen mich die Besatzungen der Superyachten (von denen es in Poole eine Menge zu geben scheint), die alle gerade saubermachen oder reparieren, überfreundlich: Mein Brückenklemmer war den ganzen Fluss hinauf schon von Weitem zu sehen, ich bin wieder Mal das Tagesgespräch. Aufatmen, als ich endlich aus dem Hafen und dem ewig langen Zufahrtskanal heraus bin. Draußen geht es gut ab, Wind sicher Bf 4 bis 5, die Yachten liegen alle auf der Backe. Ich rolle erstmal nur das Vorsegel aus, will zu einer wunderschönen und auffälligen Formation einzeln stehender Kalksteinsäulen vor der Küste, dort Hydrovane installieren und Segel hochziehen. Die Bilderbuchfelsen bilden allerdings gleichzeitig ein Kap, um das herum es zwar weniger Wind, dafür umso höhere Wellen gibt. Beim Einsetzen des Hartgummiruders, dazu muss ich jedes Mal wadentief ins Wasser die Badeleiter hinabsteigen, schaukelt das Schiff mich bis Oberschenkel nass (Gummistiefel reichen nur bis zur Waden hoch), außerdem einen Arm fast bis zum Ellbogen. Lektion 16: Hydrovane nur in absolut ruhigen Wassern aufbauen. Dann Segel hoch (dauert auch eine halbe Stunde bei dem Geschaukel) und los geht’s. Strahlend schönes Segeln, genau auf Kurs 180°, straks nach Süden, um die Halbinsel zwischen mir und meinem Tagesziel herum. Georgieboy steuert, einmal installiert, wie die eins. Starkwind und Sonnenschein … geht nicht besser. 18:00h: Als ich die Halbinsel klar passiert und schräg hinter mir (achterlicher als querab) habe, setze ich neuen Kurs auf die weiße Felsformation, die an die Worbarrow Bay grenzt, ihr Erkennungszeichen, und kann es direkt anlegen (hoch am Wind, aber das bin ich ja inzwischen gewöhnt): ein Traum. Dann schaue ich aufs Navi und muss erkennen, dass ich mal wieder die Strömung nicht bedacht habe. Der Bug zeigt zwar aufs Ziel, aber in Kombination mit der Tidenströmung habe ich Kurs genau auf die Küste der Halbinsel (Felsen, nur ein schmaler Streifen Niedrigwasser). Keine gute Perspektive. Also Motor angeschmissen, zusammen mit den Segeln bringt er mich auf 4 kn Fahrt in die Richtige Richtung. Dann fällt der Funk aus. Die Stille (kein andauernder AIS-Alarm) ist zwar erholsam, aber Kontakt zur Außenwelt wäre auch nicht schlecht. Dann fängt der Motor an zu schwächeln, verliert Drehzahl, fängt sich wieder und geht bald völlig aus. Stille (bis auf das Fauchen des Windes in Takelage und Mast).

Tja, ein neuer Plan muss her. Ohne Motor ist die Worbarrow Bay nicht zu erreichen. Mit Glück kann ich versuchen, an Land zu kommen, um nicht zurück zu den Needles Felsen (die am Horizont wunderschön und sehr vielversprechend leuchten) getrieben zu werden. Vorwindkurs der Küste entlang: entspanntes Abendsegeln, ein paar Jungs rufen von den Klippen zu mir herüber. Ein halbe Packung Schokokekse für die Nerven. Tabak hab ich zum Glück auf Vorrat gekauft. Die erste Bucht nach dem Kap sieht ruhig aus, Kies- oder Steingrund, keine einzige Yacht zu sehen. Trotzdem probiere ich schon einmal, ob ich ohne Wind hinein und nahe genug ans Land zum Ankern komme. Klappt. Die nächste Bucht, ein ausgewiesener Anker- und Bojenplatz, wartet hinter der nächsten Spitze (stets mit Leuchtturm): Swanage Bay. So dicht wie möglich ums Kap herum versuche ich einzubiegen, ich hab nur eine Chance, in die Bucht und zu einer Boje zu kommen. Die Bucht ist gut besucht, lauter moderne Yachten, vorbildlich mit Ankerlicht, entspannt beim (dritten?) Sundowner (inzwischen ist es 21:00 geworden und wird deutlich dunkel). Lautlos schleiche ich bei 0,1 bis 1,5 kn (also praktisch im Stehen) zwischen den Yachten hindurch, versuche abzuschätzen, wohin der leichte Wind mich drücken könnte (bei kaum Geschwindigkeit ist das Schiff auch kaum zu steuern). Visiere eine Boje an, treffe sie auch, sie schrammt leise an der Bordwand entlang, aber sie hat keine Öse, auch mit dem Bootshaken bekomme ich ihr Ankertau nicht zu fassen. Die zweite Boje verpasse ich, kann sie um einen oder anderthalb Meter nicht erreichen: Boje fassen ist für Solosegler nicht trivial. Weiter innen in der Bucht locken größere Bojen mit irgendwelchen Aufbauten (sicher Einhängeösen, denkt der Dödel…ich). Beim Näherkommen stellen sie sich als Verkehrsschilder (maximal 5 Knoten!) heraus. Ich wäre froh, wenn ich zwei schaffen könnte.

Die Boje des Verlangens
5 Knots Max

Also lasse ich neben der letzten Warnboje den Anker fallen und alles ist gut.
Hunger hatte ich keinen mehr (Schokokekse!), aber Durst auf den Whisky, den Wolfgang und Claire mir aus der Eifel mitgebracht haben (danke ihr beiden!)

»Never drink whiskey without water.
Never drink water without whiskey.«

Irische Volksweisheit

Die Iren, große Sänger und große Trinker, haben es einfach drauf. Nach zwei Gläsern sieht die Welt schon viel freundlicher aus.

»Der Alkohol nimmt die Spitzen.«

Dietmar Hüsemann

Und ich falle kopfüber ins Bett.
Was ich noch vergessen habe: Weil beim dauernden Orgeln die Motorbatterie sich schwächer werdend anhörte und weil ich sie notfalls gegen die Verbrauchsbatterie austauschen können wollte, habe ich abends extrem Strom gespart, kein Licht gemacht (nur kleinbatteriebtriebene LED-Leuchten, keine Wasserpumpe benutzt. Nur, Dödel, ich, vergessen, den Kühlschrank (läuft, wann er es braucht, auch nachts) auszuschalten!

Heute hab ich Betsy einen geblasen (oder eigentlich drei)

Dienstag, 31.05. war Reparaturtag. Kräftiges Frühstück (Toast aus der Pfanne, Butter, Marmelade, Kaffee) und ab 10:00 die Reparaturen angegangen. Erst (um mich zu drücken) Motorbilge (3/4 Eimer) und beide Salonbilgen (1 ¼ Eimer) ausgetupft. Mich dann sechs Stunden im Bauch der alten Tante Elli herumgedrückt, den Kraftstofffilter ausgewechselt (Schuurds Ersatzteillager geplündert), wollte ich ohnehin lernen (Sache von Minuten), dann die Einspritzdüsen auszubauen versucht, war nicht zu machen (Lassen Sie diese Arbeit auf jeden Fall von einem Fachmann erledigen, sagt die Bedienungsanleitung), aber wenigstens die Zuflussleitungen und die Einspritzdüsen (drei Zylinder – drei Einspritzdüsen) mittels Druckbeatmung auf Gängigkeit geprüft. Scheinen alle in Ordnung zu sein. Dann alles wieder zusammengebaut. Motor springt nicht an (aber orgelt beruhigend kräftig). Stimmt ja: Dieselmotoren müssen entlüftet werden! Also sicher zwei Stunden den Pumphebel an der Kraftstoffpumpe gesucht, mittels dessen man die Dieselzufuhr entlüften kann. Die gesamte Pumpe ist nur hühnereigroß, aber ich hab es nicht geschafft, daran einen kleinen Hebel zu finden. Youtube sagt, es gibt auch Motoren, die sich selbst entlüften. Muss man eben länger orgeln. Super Idee. Diesel aus Ersatztank ins Loch der Entlüftungsschraube gekippt (Riesenschweinerei), georgelt. Beim zehnten Versuch oder so springt er kurz an, geht sofort wieder aus. Zehn weitere Versuche und er läuft, aber jetzt geht der Drehzahlmesser nicht! Keilriemen quietscht (hat wahrscheinlich vom Dieseleinfüllen was abbekommen, sollte doch gut geschmiert sein!) Dann läuft wieder alles. Zur Probe und zum Aufladen der Batterie eine gute Viertelstunde laufen lassen. Ohne Probleme. Motor läuft also wieder. Glaube nur nicht, dass das irgendetwas mit meiner „Reparatur“ zu tun hat …

Das Funkgerät war dagegen piepseinfach. Stromkabel aus der Lüsterklemme gerutscht. Hat irgendein Dödel (ich) nicht richtig angezogen. Funktioniert wieder wie es soll.

21:00 Endlich hat der Wind gedreht: NNW, fantastisch. Morgen kann es in aller Frühe losgehen. Jetzt noch Kochen und Essen. Zwiebelreis mit buntem Salat, Apfelmus.

Third time lucky

Oder

Mein persönliches Kap Hoorn

(Langsam komm ich mir schon selber wichtigtuerisch vor, weil jeden Tag die schlimmsten Katastrophen passieren. Aber a) ich übertreibe nicht und b) ich wäre gottfroh, wenn alles glatter liefe, ich schwöre!)

Mittwoch, 1. Juni. Doro ist krank (Covid) und kann vielleicht nicht pünktlich kommen. Ich werde warten. 04:00 aufgestanden, weil heute günstiger Wind sein sollte und ich den langen Schlag nach Dartmouth wagen möchte. 05:30 Anker hochgezogen und abgefahren. Mindestens eine Stunde Traumsegeln, frischer Wind, kaum Wellen. Die Flut ist am höchsten, es gibt keine Strömung. Später wird sie auslaufen und mich schieben. Am St. Alban’s Head (die Landspitze, die ich schon vorgestern zu runden versucht habe), bin ich fast vorbei. Alles super. Aber:

»Man soll den Sex nicht vor dem Orgasm…
Äh: … den Sessel nicht vor dem Aufstehen loben.«

Spruchweisheit

Da schläft der Wind ein. Das Funkgerät spinnt und gibt keinen Kurs über Grund mehr an. Also das ipad und Navionics angeschmissen. Die Tidenströmung treibt mich nach Nordosten! Sollte mich nach meiner Orientierung eigentlich nach Süden schieben. Kann ich mir nicht erklären. Um gegen die Strömung wenigstens die nächste Landspitze zu erreichen, muss ich hoch am Wind gegenan fahren und komme doch nur im rechten Winkel zur Fahrtrichtung seitlich voran. Die Tidenströmungen machen mich fertig. Den Anvil Point und Durlston Head kann ich runden (um ins Lee der Steilküste zu kommen) und suche mir die allernächste Bucht aus (Durlston Bay, kaum ein Mandarinenschnitz), um Anker zu werfen und auf das Kippen der Flut (gegen 18:00) zu warten. Leider bin ich zu übervorsichtig, flaches Wasser zu erreichen und der Anker fällt viel zu nah am Ufer. Wir setzen auf, sanft zwar und auf den Ballastkiel aus Stahl, aber die einzelnen Rumpler sind deutlich zu hören (und zu spüren). Steiniger Grund. Wenn jetzt gleich, wie ich kalkuliert habe, fallendes Wasser einsetzt, liegt die Elli am Boden, mindestens bis zur nächsten Flut. Aber das Wasser steht ja nicht still. Auf Steinen oder Felsen zermahlt sich ein Kunststoffboot in wenigen Tagen (oder Stunden?). Will ich jedenfalls nicht probieren, ich schmeiße die Maschine an. Volle Kraft rückwärts und scheppert und kracht, weil ich dabei den Anker gleich mit ausreiße und über den Grund zerre. Dachte ich. Tatsächlich bemerke ich, als ich tieferes Wasser erreiche, dass ich mir beinahe die gesamte Ankerkette (50m) aus dem Kasten gezerrt habe. Das hat den Riesenradau verursacht! Also Notfallstopp und hinten den zweiten Anker (den ich zum Glück in Ramsgate gekauft und ausgerüstet habe) hinten seitlich ins tiefere Wasser geworfen. (Anker werfen ist übrigens eine Metapher. Selbst ein kleiner wie meiner, 15 kg, platscht so ziemlich direkt neben dem Boot nach unten. Zum Glück greift er rasch und ich kann die Elli mit diesem Heckanker vom Flachwasser und den Felsen abhalten. Aber was jetzt tun? Den Originalanker aufgeben (weil er eh nicht rauszuholen ist, liegt im viel zu flachen Wasser)? Das Beiboot klarmachen und damit versuchen, den Hauptanker zu bergen? Klarmachen dauert eine gute halbe Stunde und es ist keineswegs gesagt, dass ich mit dem kleinen Ding 50 Meter Kette und den Anker heraushieven kann (falls ich ihn loskriege)? Guter Rat wäre jetzt unbezahlbar (würde aber gerne genommen). Einerseits will ich ungern den Anker aufgeben, andererseits will ich auch nicht riskieren, das ganze Boot zu verlieren. Dritterseits läuft mir die Zeit davon. Außer hektisch zu rauchen fällt mir nichts ein.
Dann entschließe ich mich für einen einzigen Versuch. (Wenn der misslingt, werde ich die Ankerkette losmachen und zurücklassen und vielleicht später versuchen, sie rauszuholen).
Der Plan ist folgender: Den zweiten Heckanker führe ich zum Bug. Dann hole ich den ersten Anker nach und nach ein und gebe dem zweiten Anker zweimeterweise Lose, wenn sein Tau zu sehr unter Spannung kommt. Falls der zweite Anker ausbricht, wird der Versuch zu Ende sein und ich davonfahren (falls das dann noch geht).
Um es kurz zu machen: nachdem ich alle Taue, die ich habe, nach und nach verbunden und am zweiten Anker ausgebracht habe, nachdem ich 50m Kette mit der handbetriebenen Ankerwinsch (langer Hebel: dreiviertel Meter Armbewegung – fünf Zentimeter Kette kommen rein) eingerasselt und-geknarzt habe, nachdem ich mit dem Motor nachgeholfen und das wieder sein gelassen habe, weil zu viel Druck auf das Tau des zweiten Ankers kam, nachdem das Boot wieder mehrfach aufgesetzt hat, nachdem ich die letzten Meter Kette mit Gewalt (und gegen den zweiten Anker) reingewuchtet habe und nachdem die arme Ankerwinsch unter aller Gewalt es geschafft hat, auch noch den Anker aus dem Boden zu brechen, bin ich frei (aber vom Ufer nur wenige Meter entfernt). Jetzt rasend rasch das Tau zum zweiten Anker einholen (von Hand, weil ich so schnell die Ankerwinsch nicht freibekomme), während das Boot unter Motor im kleinsten Gang Richtung offenes Wasser ziehen soll (so hab ich zumindest das Steuerrad eingestellt gehabt). Aber gegen den Motor kriege ich das Tau nicht eingeholt, nicht mit aller Kraft (ich hab Sternchen gesehen). Also Motor abstellen und riskieren, dass die Elli wieder an Land treibt …
Was soll ich sagen? Nach einer Dreiviertstunde Kampf bin ich nassgeschwitzt und völlig fertig, aber eben auch sehr stolz, dass ich den Anker gerettet habe und dem Schiff, bis auf ein paar Schrammen nichts passiert ist.
Aus Erfahrung klüger geworden ankere ich unmittelbar darauf weiter draußen. Und warte. Und räume das ganze Tauwerk zusammen. Und sehe auf dem Wasser einzelne Segler auf dem Kurs vorbeisegeln, den ich zwei Stunden früher nicht geschafft habe. Irgendwas ist faul mit meinen Berechnungen. Neu nachgeschaut und kalkuliert: die Flut ist um 15:00, ab eins müsste das Wasser stehen und ich weiterfahren können. Jetzt ist es halb eins. Atempausen sind anscheinend für Leute, die keine Hobbies haben. Losgemacht und abgefahren, der Wind hat aufgefrischt, kommt jetzt ziemlich aus Südsüdwest, sollte er überhaupt nicht laut Vorhersage, aber scheiß drauf, es geht mächtig voran. Georgieboy steuert uns klag- und fehlerlos schnurstracks nach Süden, die Strömung macht daraus einen Kurs nach Südsüdost. Hauptsache nur, ich komme endlich an diesem vermaledeiten Kap vorbei!

Letzte Schikane: In der Seekarte stand irgendetwas von overfalls und kleine Spiralen sollten wohl Wirbel andeuten, die sich von der Landspitze meilenweit ins Meer hinausziehen (weil sich zwei Strömungen überlagern). Als ich (weit genug draußen, meine ich) wende, um das Kap zu umfahren und näherkomme, sehe ich merkwürdige Brandung. Mitten auf dem Meer? Da dämmert mir, dass „Overfalls“ wahrscheinlich Brecher heißt, hier draußen sind auch Notfall-Schutzbojen ausgelegt, große Stahlbehälter, in denen Schiffbrüchige Unterschlupf finden können. Drei Stück, im Westen, im Osten und im Süden der Brecher-Zone. Könnte etwas zu bedeuten haben. Also umfahre ich das Gebiet weiträumig (gerate trotzdem kurz hinein, aber ich will euch nicht langweilen, die Elli schaukelt und bockt, nimmt es aber stur wie ein Pferd) und sehe, wie zwei andere Yachten (Ortskundige sicher) einfach mitten durchfahren. Aber ich hab nichts dagegen, als übervorsichtig zu gelten. Noch schöner wäre es, man konnte das merken.

Ab ca. 15:30 Kurs laut Navi auf das Ziel, die Worbarrow Bay (laut Kompass dreißig Grad daneben: die bescheuerten Tidenströme). Um 17:30 fahre ich ein, werfe Anker und bin extrem erleichtert.

Was ich morgen Abend vorhabe, darüber schreibe ich erst, wenn es gelaufen ist. Vielleicht gibt es doch einen Grund, weshalb Seefahrer abergläubisch sind. Zuchini in Tomatensoße mit Dinkelpenne.

Ach ja: Der Motor ist wieder ausgegangen, mittendrin. Und verliert Diesel, nicht wenig. Als ich ihn allerdings gebraucht habe, beim Notfall-Rückwärtsrausfahren, hat er funktioniert. Wahrscheinlich braucht er auch einen Namen. Vielleicht „Boy“? Denn zusammen mit der Hydrovane verschafft er mir dringend nötige Atempausen. Und heute Vormittag hat das Funkgerät gesponnen – wenn ich bei meinen „Reparaturen“ mehr schlimmer mache als heil, sollte ich es vielleicht besser lassen.

»Was man nicht reparieren kann, ist auch nicht kaputt.«

Alf, Außerirdischer
Pin, sicher festgeschnallt am Steuerrad

Donnerstag, 2. Juni. Pin (oder auch Pip) heißt der -guin, mein Maskottchen, das ich von Schuurd übernommen habe. Steuersäulengriff geschweißt von der Fa. Landsperger, Krumbach (Danke, Herr Landsperger, funktioniert super), Handlauf gebogen von der Fa. Wachter, Waltenhausen und Aletshausen (Danke, Lothar!). Tassen (und Aschenbecher-) Kästchen von Doro, wie schon gedankt. Dingen Namen zu geben scheint üblich zu sein. Hab ich schon erzählt, dass Solosegler dazu tendieren, wunderlich zu werden? Der Zausel neben mir (Catweazel-Frisur, 70er Jahre Sonnenbrille, spillerige Beine in kurzen Hosen, mit Hund) hat gestern eine halbe Stunde damit zugebracht, seinen Außenborder ans Laufen zu kriegen. Nur um damit fünf Minuten die Bucht hoch und wieder zurück zu fahren. Musste heute früh allerdings auch den Hund zum Kacken ans Land bringen. Sein Schlauchboot ist winzig, aber sicher praktisch. Eben hat er sein (wunderhübsches) Boot ans andere Ende der Bucht verlegt. Es ist unruhiger geworden.

Schönes Boot in schöner Bucht: Worbarrow Bay

Nach allem, was ich bisher sehe, verliert Boy, der Motor, keinen Diesel mehr. Keine Ahnung, ob das mit meiner dreistündigen Reparatur heute Vormittag zu tun hat, hoffe das aber.

Inzwischen schaukelt die alte Elly mächtig: heute Nacht hat (sich der Wind und damit auch) sie sich gedreht. Jetzt zeigt die Nase aufs offene Meer. Von wo die Wellen in die Bucht steigen. Was aber ein gutes Zeichen ist: der Südostwind (auf den ich warte) verstetigt sich. Sonnenschein und ein ruhiger Tag in einer der schönsten Umgebungen der Britischen Inseln (Tom Cunliffe, The Shell Channel Pilot, das Standardwerk für den Ärmelkanal), was will man mehr?

Handyempfang wäre schön. Die Bucht liegt mitten in einem Militärübungsgelände, einem (aufgegebenen? Sagt jedenfalls die Solent Coast Guard) Marine-Schießplatz. Wie heute Nacht eine SMS von Paula durchgekommen ist, kann ich mir nicht erklären. Außer: Gestern spät lief vor der Bucht eine Motorsuperyacht vorbei, heller erleuchtet als jeder Kitsch-Christbaum (War vielleicht die Rahal aus Poole, das liegt nur 12 Meilen entfernt um die Ecke. Vielleicht haben die Telefonempfang vom Satellit und übertragen ihn über extrastarkes WLAN? Und grillen sich damit die Unterleibe? Tja, teure Freunde aus dem Nahen Osten, falls es mit der Dynastie nicht so gut klappt – ich hätte da eine Idee, woran es liegen könnte.

Hab jetzt, gegen alle Vernunft, mein Telefon hoch an den Mast geklemmt. Vielleicht gibt es ja hier irgendwo doch einen leichten Schleier Netzverbindung zur Außenwelt.

14:00 Das Schaukeln hat zugenommen. Der Zausel hatte den richtigen Riecher. Ganz schön professionell, der Zausel. Also Anker auf, für die kurze Fahrt ziehe ich nur die Rettungsweste an, Motor tuckert brav im Leerlauf, kriege den Anker auch hoch, bringe die Elli auf Kurs – stottert der Motor, geht aus. Lässt sich wieder starten, geht wieder aus. Rasch wieder Anker fallen lassen, an einer tieferen Stelle diesmal, 21 Meter rasseln raus. Aber wir sind wieder sicher. Scheiße das. Und in der Motorbilge ist auch schon wieder Diesel zu sehen (abgetropfter Rest von meiner neuerlichen „Reparatur“, hofft der Seemann). Erstmal essen. Dickes Blumenkohl-Sahne-Süppchen. Dann wieder ans Werk.

19:00 Ersten, vordersten Kraftstofffilter ausgebaut. Sah ziemlich verpeekt aus. Wahrscheinlich hätte ich damit anfangen sollen (Spar dir deinen Kommentar, Axel!), aber der Diesel darin sah so sauber aus! (Es war der bereits gefilterte). Außerdem sitzt das Ding ganz hinten im Motorraum (in den ich inzwischen schon sehr flüssig (geradezu elegant, scheint mir) eintauchen kann).

Regel 9: Den faulen Seemann bestraft das Leben

Gorbi

Hülse aus Blech, darunter Sichtgefäß aus Kunststoff (nicht mit der Zange angreifen!), darunter Fassung aus Billigplastik. Muss wohl die Blechhülse sein. Eigentlich gibt es dafür spezielle Zangen, mit Gewebeband und Klemmer. Hab ich nicht. Zurrgurt und Rohrzange müssen es tun, übel gewuchtet, dann bewegt sich die Hülse (kleine Delle reingedrückt). Heissa! Dann fängt die ganze Apparatur an zu suppen. Vielleicht besser was unterstellen? Und erkenne, dass Vorbesitzer Schuurd genau zu diesem Zweck eine exakt passende Kanne an Bord hat, samt Anklemmvorrichtung (ich Laie hab das Ding bisher schnöde zum Bilge-Ausschöpfern benutzt). Dann geht, nach einem endlos langen Gewinde, endlich der ganze Apparat ab – und zerfällt in seine Einzelteile. Oben ist nämlich, leicht zugänglich, eine Schraube (M11), die in eine Gewindestange im Zentrum des Filterapparats fasst. Wäre so leicht gewesen … früher hatten Spritfilter Papiereinsätze, die man auswechseln oder zur Not von Hand säubern konnte. Dieser hier ist wieder einmal ein Wegwerfteil: C1191PL Fuel Filter Fram. Merk ich mir besser. Leider ist kein Ersatz an Bord (schwere Rüge, Schuurd!) Also bade ich seither das Teil in seinem maßgeschneiderten Kännchen in Waschbenzin. Trübt sich etwas, mal sehen, ob es hilft. Jedenfalls ist beim nächsten Stopp, wo immer das sein wird, ein neuer C-elf-einundneunzig-Pe-El für Boy-Boy fällig, versprochen.

Tja, Kaffee ist alle, Tabak ist alle: für meine erste Nachtfahrt bin ich prima vorbereitet! (Suppe von heute und Zucchini-Penne von gestern sind noch da.)

Und irgendwo werde ich sicher auch wieder Handyempfang haben …

Ein Gedanke zu „10. Ab Portsmouth“

  1. Solosegler?
    Dem müssen wir entschieden widersprechen! Wir alle, die deinen Blog mit bereitgestellten Herztropfen lesen, reisen mit dir.
    Viele Anteil nehmende Gedanken begleiten Dich.
    Zu Beginn Deiner Reise haben wir Dir Mast- und Schotbruch gewünscht, an die vielen anderen Dinge haben wir leider nicht gedacht…
    Wir sind immer wieder beeindruckt, wie Du diese schwierigen Situationen unerschrocken meistert!
    Großes Kompliment!

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