

Do., 2. Juni und Freitag, 3. Juni Worbarrow Bay – Brixham. Abends 21:00 in Worborrow Bay losgemacht, Absegeln war Nervensache, Wind steht in die Bucht rein, die Felsen sind vielleicht dreißig Meter entfernt. Wende klappt aber.
»Wenden geht nicht immer, Halsen geht immer.«
Andreas, Yachtschule Eichler, Hamburg
Platz für Halse wäre vielleicht knapp gewesen. Sei‘s drum, Kurs offenes Meer. Die Dunkelheit bricht rasch herein. Zunächst dem Tidenstrom folgend die Küste entlang nach Westen. Wind soll ab 22:00 kräftiger werden, zunächst nur ein laues Lüftchen, wir kriechen. Dann die Halbinsel Portland Bill entlang nach Süden. Geht gut voran. Über Weymouth (Feuerwerk! Es ist das lange Wochenende des Elizabeth II-70jährigen (Platinum) Kronjubiäums) geht ein bleicher Mond als Sichel unter. Navigation: erst 90° dann 180°, bei genügender Entfernung von der Spitze der Halbinsel (Portland Race ist eine gefürchtete Gefahrenstelle, die Wirbel und Kreuzseen sollen schon ganz Schiffe verschlungen haben) vier nm Entfernung, dann Kurs 270°(oder 250) – Navigation im rechtem Winkel. Wind frischt auf, See noch immer glatt: super segeln. Ab 04:00 fängt es an hell zu werden, Sonnenaufgang (blutig rot) ab kurz nach fünf. Läuft noch immer gut, niedrige Wellen (< 0,5m), bedeckt, aber freundlich. Immer wieder mal versucht, den Motor zu starten, ruckelt manchmal vielversprechend, aber kommt einfach nicht auf Touren. Nach und nach alles gefuttert, was an Mahlzeiten vorbereitet ist (kalt, aus der Thermosdose bzw. dem leeren Marmeladenglas). Trotzdem lecker. Und eine komplette Packung Schoko-Cookies. Fehler. Zum ersten Mal ist mir so etwas ähnliches wie schlecht. Könnte auch an den insgesamt drei Fluppen liegen, die ich mir aus zerfriemelten Kippenresten bastele. Nicht lecker, beruhigt aber die Sucht (etwas).





Dartmouth bzw. die Flussmündung des River Dart liegen genau voraus. Der Schlag quer übers Meer, die Küste kaum auszumachen, zieht sich. Die Hügel von Torquay mache ich gegen 13:00 aus. Uff, fast geschafft. Dann schläft der Wind ein. Strömung geht in meine Richtung, vor Dartmouth allerdings nach Süden. So ruhig sind Meer und Wind, dass ich versuche, meinen Patzer vorm Vortag auszumerzen: der waschbenzingereinigte erste (oder Vor-) Filter muss vor dem Einbau gefüllt (geprimed) werden. Ich werde es mit Schuurds maßgefertigtem Kännchen probieren. Letzter rascher Kontrollblick, bevor ich wieder Schweinerei mit Diesel anrichte: das gläserne Kontrollgefäß (sitzt ganz unten) ist fast gefüllt. Könnte doch der Filter darüber ebenfalls voll sein? Motor springt jedenfalls nicht an. Zweiten Filter entlüftet/befüllt (ich brauche eine Spritze für diesen Job). Ohne ist sie (die Schweinerei) kaum zu vermeiden. Geht aber (vielleicht), Sprit ist jedenfalls genug (daneben) ausgelaufen. Schuurds Minitrichter ist lange nicht so genial wie sein Filterkännchen. 16:00 rufe ich den Hafenmeister von Dartmouth und den Funk der Marina. Keine Antwort. Was hätte ich auch erwartet? Neun Meilen vor dem Ziel (also mindestens zwei Stunden Schleppen). Warten auf Wind. Lähmend. Halb sechs kommt so etwas wie ein Lüftchen auf, dass mich innerhalb von drei Stunden in ankerbar flaches Wasser bringt. Habe es tatsächlich geschafft. Winzige Abweichung nach Norden würde mich sogar in eine traumhaft schön (auf der Karte) aussehende kleine Bucht (Fishcombe Cove) bringen. Auch das klappt. Superleise ziehe ich in die Bucht ein, dort sind schon drei Boote, aber Platz ist genug. Nur die Muringbojen fahre ich nicht an, kurz dahinter ist schon der Fels, ich hätte einen einzigen Versuch … zu riskant. Also Ankern. Klappt wunderbar. Die Bucht ist pittoresk, Urwald, Kiesstrand, Badetreppen in den Fels gehauen, Ferienhäuser oben auf der Klippe. Auf einem Boot wird gegrillt, eine junge Mutter führt ihr Kinder auf dem Stand-Up-Brett aus. Idyllisch.

Abends ziehen alle anderen Boote ab. Bis auf ein blaues. Romantisch ruhiger Abend, traumhafter Sonnenuntergang. Ich geh früh schlafen, war 23 h unterwegs.


PanPan Elizabeth
Nachts werde ich von lautem Lärm geweckt. Ein Sturm ist aufgezogen, aus Nordost. Exakt die einzige Richtung, aus der Seegang quer durch die Torbay, die Bucht von Torquay, auf unsere Zwei-Boot-Idylle einsteigt. Das blaue Boot ist an einer der drei Murings festgemacht, schaukelt ziemlich, hebt die schwere Muringboje bis zu einem Meter hoch aus dem Wasser, hält sich aber tapfer. Auch die Elizabeth hat schwer zu kämpfen.
Aber was kann ich tun? Eine Muringboje könnte ich nur mit dem Dinghi erreichen, traue ich mir bei dem Wind und den wilden Wellen nicht zu. Re-Framing: Die Laute (Knallen, Knarzen, Ächzen, Schlagen), die von der Ankerkette (in ihrer Führung) und der Großschot (an ihrem Flaschenzug) erzeugt werden, sind kaum auszuhalten. Um fünf Uhr früh im ersten Licht geb ich dem Anker mehr Kette. Frühstücken. Danach, oh Schreck, ist das blaue Boot weg. Die lagen auch VIEL zu nahe an den Felsen, vielleicht nur drei oder vier Meter entfernt. Ich hab wenigstens 20m. Reframing geht über die Krächzlaute der Ankerkette. Eigentlich schlimme Töne, aber: solange die Kette ächzt, ist sie nicht gebrochen. Damit sind es plötzlich positive Geräusche, mit denen sich gut leben lässt. Außerdem verbringe ich den Rest der Nacht komplett angezogen in der V-Kabine im Bug (wo man sich ganz gut mit den Hüften einklemmen kann und so die Schiffsbewegungen mitgeht).
»… sitze gerade im schaukelnden Boot im Sturm und wünschte, ich wäre nie losgefahren. Oder fast.«
SMS an Doro, 06:30h
Dann (06:45) hört das Kettengeräusch auf. Ganz wie befürchtet ist die Kette gebrochen. Der wilde Wind treibt die arme Elli rasch auf die Felsen zu. Eine Möglichkeit, unter Vorsegel wegzukommen, scheint beinahe zu klappen. Aber eben nur beinahe. Motor springt nicht an. Juckelt sich die Elli auf den Fels. Wird mit Wucht auf und ab geworfen, um den Rumpf bildet sich braunes Wasser (die Farbe des zermahlenen Felsgesteins).
Rufe ich PanPan über Kanal 16 die Solent Küstenwache. Die haben eine Menge Fragen (»Are you wearing a lifevest?«) und geben dann den (milderen, Mayday gibt man nur, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht) Notruf weiter. Ein Kriegsschiff, das weiter draußen in der Bucht ankert, hat Sichtkontakt zu mir und will (»in the next one-zero minutes«) ein Beiboot schicken. Thank you Warship Portland!) Dazu kommt es aber gar nicht, weil ein Schlauchboot der Küstenwache aufkreuzt, mit viel zu schwachem Außenborder, wie mir scheint, denn die Elli hat sich inzwischen in den Felsen verkeilt und auch Schlagseite. Erster Abschleppversuch klappt nicht.
Zwischendurch meldet die Küstenwache (»All stations, all stations, all stations«), dass die Situation von PanPan Elizabeth (so heißt mein Fall offiziell) „under control“ sei. Da beschwer ich mich aber, ich stecke hier in den Felsen fest, mein Schiff kassiert schwerste Schläge, und das soll unter Kontrolle sein? Hab ich wohl die Reaktion verpasst. Inzwischen wollen die Schlauchbootfahrer einen Mann übersetzen, der das Kommando übernimmt, alle möglichen Fragen klärt (Wassereinbruch? – Glaub ich nicht.) und weitergibt (»… appears to be competent« (auf mich gemünzt) – »Thank you.«) Er erspürt die Schiffsbewegungen (immer wieder schweres Aufsetzen, dazwischen aber auch Aufschwimmen) und dirigiert die Richtung, in die das Schlauchboot ziehen soll – und die kriegen mich frei! Wassereinbruch? Vielleicht doch? Im Motorraum und in der Bilge steht klares Wasser.
»Klares Wasser: schlecht.
Unknown Coast Guard Volunteer
Trübes Wasser: gut.«
Klares Wasser bedeutet Wassereinbruch. Nach kaum fünfzig Meter Schleppfahrt nimmt mich ein Rettungskreuzer der RNLI [Royal National Lifesaving Institution] (acht Mann Besatzung) längsseits, sie werfen auch eine Riesenpumpe an, die Elli und mich am Schwimmen halten soll. In der Hafeneinfahrt von Brixham wechseln sie wieder, die Kaimauer ist für den Rettungskreuzer zu gefährlich (Wasser reicht nicht tief genug) und das Schlauchboot dirigiert mich zu den Grids, unter Wasser liegende Querbalken, auf denen man trockenfallen kann (Grids, nicht Ribs, hatte ich falsch geschrieben, sorry, Leon). Inzwischen sind um die zwanzig Personen für mich im Einsatz, mit roten, gelb-roten, blauen, neongelben und ohne Uniform. Pumpen werden angeschmissen und wieder abgebaut („wir sind kein Reparaturunternehmen“), jemand holt Kaffee für jeden der will (für mich auch einen, bitte), ich erfrage Erlaubnis, mir rasch Tabak kaufen zu gehen (kein Problem, ich bin hier der, der am wenigsten zu tun hat, sondern nur eine Handpumpe bedient und aus dem Weg geht.) Der Dirigiermann, der zuerst an Bord war, spürt inzwischen die Ursache des Wassereinbruchs auf: die Propellerwelle/Stopfbuchse. War aber weiter hinten das Fundament des Ruderschafts, aus dem GFK-Schaum-Komposit-Gewebe sind pflaumengroße Stücke rausgebrochen. Als ich das Schränkchen (mein Büro) ausräume, fallen mir grünlackierte Holzsplitter auf, wie von meiner Rechner-Kiste (zur Blickwinkel-Erhöhung). Tatsächlich hat der Ruderschaft ins Innere des Schränkchens gestoßen und meine Bürokiste angefressen/zertrümmert. Dort unten kommt auch das Wasser in Wasserhahn-Sprudelstärke herein. Der Dirigier-Checker hat (wie ich später feststelle) blitzschnell den Ruderquadranten ausgebaut und mit bordeigener Schnur (m)ein Handtuch um den Ruderschaft gebunden. Hält das Wasser sehr auf. Inzwischen funktioniert auch meine selbstinstallierte Bilgepumpe brav. (Während die Handpumpe zwar ordentlich fördert, aber nur ins Cockpit, wo nichts ablaufen kann, weil ich angewiesen worden bin, sämtliche Außenventile abzusperren.)
Um zehn ist der Spuk so rasch vorbei, wie er begonnen hat. Jemand erklärt mir, wie die Benzinpumpe anzuschmeißen ist, dann sind alle weg. Keiner außer mir hat es geschafft, seinen Kaffee zu trinken, sie nehmen ihn mit. Kommt noch ein Mitarbeiter des Hafenmeisters, bringt eine Elektro-Pumpe (und Stromkabel und Adapter auf Camping-Stecker), dann bin ich auf mich alleine gestellt. Ebbe ist um vier, in sechs Stunden. Aber die Elektropumpe schafft rasend was weg. Die Motorbilge ist in einer halben Minute leer. Im Salon steht das Wasser bis unter die Bodenbretter.
Und dann kommt das Ehepaar vom blauen Boot (im Lauf des Tages erfahre ich, dass die gesamte Marina, wahrscheinlich die halbe Stadt, mein Missgeschick mitbekommen haben, jedenfalls gesehen haben, wie ich mit dem ganz großen RNLI-Besteck in den Hafen geleitet worden bin.)
Lisa macht sich Vorwürfe, dass sie mich in der kleinen Bucht alleine gelassen hätten. Was Quatsch ist. Gareth ist Mechaniker und hätte meinen Motor gestern abend locker richten können. Scheiße gelaufen. Jedenfalls kümmern sie sich rührend um mich, wollen gleich wieder vorbeischauen, Fender bringen etc. Drei kleine Kinder, Zac, Oli und das Nesthäkchen (und Frechdachs) Etty.
Um eins steht die Elli auf Beton (Gareth hat mir erklärt, was ich beim Trockenfallen beachten muss (die Wasservorräte müssen auf die Landseite!)). Also Stress, als Elizabeth überraschend anfängt, auf dem Grund aufzudotzen. Dann steht sie. Jetzt nur noch warten, bis das Wasser abgelaufen ist. (Fish&Chips)
Um 15:00 findet über der Stadt eine Flugschau statt, mit den Red Arrows, Formationsflug vom Feinsten, den ich als Pazifist nicht wirklich wertschätzen kann (tatsächlich war ich zu fertig, um von meiner Mahlzeit aufzustehen).


Um vier bin ich wieder am Boot, das Dinghi von Lisa und Gareth (und den Töchtern) liegt schon im Flachwasser neben der Lizbeth. Sie können den Rumpf von unten sehen. Ich nicht.
»How does it look?«
Ulli Depp
»You don’t want to know.«
Lisa
Also Gummistiefel an, auf der Platte steht noch zwanzig Zentimeter hoch Wasser, Leiter hinabklettern und inspizieren. Guckst du Video (URL YouTube).
Das arme Ding sieht schlimm aus. Aus dem Kiel (Gusseisen!) ist ein halb basketballgroßer Halbmond aus der Hinterkante gebrochen, die untere Ecke fehlt ebenfalls (Viertel Basketball). Im Rumpf sind mehrere Risse und Eindrückungen. Der Ballastkiel muss gearbeitet haben, die Farbe an der Naht zum Rumpf zeigt einen Riss. Der Propeller, nagelneu und glänzend, noch mit der V.M.S.-Edding-Markierung, sieht aus wie eine vertrocknete Topfpflanze. Und vor allem: Das Ruder ist zerstört. Steht schief vom Skeg [die Ruderstütze, ein flaches Dreieck unter dem Rumpf] ab, der Skeg hat sicher ein Drittel seiner Länge eingebüßt. Unten am Ruder steht der Edelstahlkern verbogen vor. Die Epoxier-Materialien, die ich vorsichtshalber beim Marine-Ausstatter gekauft habe (der machte wegen Kronjubiläum heut schon um drei zu) kann ich glatt vergessen.
Teurer guter Rat.
Gareth sagt: im Prinzip machbar. Wenn er gesagt hätte: Räum deine Sachen aus der Schüssel und fahr nach Hause, hätte ich das auch gemacht (und gar nicht so ungern!)
Was jetzt ansteht: Solange die Ebbe anhält eine Schiene bauen, eine Konstruktion, die das Ruder starr und an seinem Platz hält, dann die Löcher mit Marine Sealant (so eine Art Silikon) verschließen und hoffen, dass das Ding bei der nächsten Flut wieder aufschwimmt (sonst muss die Pumpe pumpen). Was soll ich sagen? Hat geklappt. Als ich mit dem Verstopfen einigermaßen durch bin, kommt einer der Männer von heute früh (blauer Overall), um nach mir zu sehen. Ich erkenne ihn wieder und wir quatschen. Da leckt das Wasser heran. Und ich hab noch nicht aufgeräumt. Wieder Stress (klinge ich weinerlich? War gar nicht so. Als mein Kaffee kam und ich aufseufzte (vor Wonne, denk ich mal), fragte mich der jüngste der Schlauchbootbesatzung ernsthaft und eindringlich »Are you okay?«. Und ich war es. Für einen Nervenzusammenbruch hatte ich überhaupt nicht die Zeit.)

Drei Segler sprechen mich unabhängig voneinander an, einer bringt mir eine Riesentafel Schokolade. Dann kommt noch der Hafenmeister auf Datenaufnahme und einen Plausch. Dann kommt noch der Hafenmeister aus Dartmouth auf einen Plausch, die Coast Guard habe mich dort schon angekündigt.
Abends wieder Lisa und Gareth, die mir eine Dusche bei ihnen in der Marina spendieren (war extrem nötig nach vier Tagen vor Anker). Und am Ende des Abends, Drink-Up-Time, war auch noch ein Pint drin. Jetzt, zwei Uhr morgens, ist die Elli wieder sauber auf dem Trockenen und lehnt sich an den Kai und ich kann (diesmal nur mit leichter Schräglage; ich lerne, so rasch ich kann) schlafen.
Montag, 6. Juni, Dartmouth
»Arroganz ist die Wurzel allen Übels.«
Ulli Depp, aus Erfahrung klüger
Denn eigentlich fing das Unglück, um ganz ehrlich zu sein, schon am Vorabend an. Zum Sonnenuntergang rauschte (schlich) ich unter Segeln auf die Fishcombe Cove (neben Fishcombe Point) zu. Georgieboy steuert genau auf eine Mooring-Tonne, aber mit Wind von hinten und ohne Motor traue ich mich nicht, die Öse der Tonne zu erhaschen, es gibt nur einen Versuch. Segel habe ich runtergenommen, lasse den Anker fallen. Alles bilderbuchmäßig, sieht bestimmt toll aus. Ein paar Meter weiter haben zwei Motorbootfahrer geankert. Typ Bankangestellter, der von seinem Abteilungsleiter mit aufs Boot mitgenommen worden ist. Nackte Oberkörper, bleiche Schmerbäuche, Bierdosen in der Faust. Schauen neidvoll herüber. Ich kam mir vor wie der Marlboro-Cowboy persönlich. Schwerer Fehler. Ob ich sie fragen soll, ob sie Zigaretten haben, kam mir in den Sinn. Aber nicht, sie zu bitten, für mich eine Leine zur Mooringboje zu legen. Erstens hätten die das sicher liebend gerne gemacht (kurze Zeit später lichteten sie eh und fuhren nach Hause), zweitens hätte ich dann sicher an einer Boje bis neun Tonnen zulässiges Bootsgewicht liegen können, am besten mit zwei Vorleinen. Gareth und Lisa lagen an so einer Tonne und die haben zwölf Tonnen Gesamtgewicht. Doch die Tonne hielt. Stattdessen sonnte ich mich im Neid der Bleichgesichter. Hab ich teuer für bezahlt.
Im Schlepptau nach Dartmouth

Sonntagfrüh, 5. Juni kam die Polizei, wollten meinen Pass sehen, aber vor allem quatschen (die üblichen Fragen nach den Stempeln aus Russland und China. Russland hatte ich bereits vergessen: die phantastischen vier Tage in St. Petersburg, die Paula mir zum 60sten geschenkt hatte). Ob sie mir irgendwie helfen könnten? Ziemlich entspannte Burschen, das. Um elf, kurz bevor die Ebbe wieder einsetzen sollte, kam Gareth mit dem Dinghi, brachte mich zum Büro des Hafenmeisters, um Pumpe, Verlängerungskabel und Adapter zurückzubringen (Security-Typ erklärte sich bereit, die Sachen später einzuschließen, Sonntags ist die Hafenmeisterei nicht besetzt, ich hatte kein Handy dabei und es war auch nicht dringend genug für die Notfallnummer). Dann schleppte Gareth mich zur Lorelia, Lisa und die Kinder (die Zwillinge sind Jungs!) zeigten mir die Yacht. Alles Teak, nur vom Feinsten, Warmwasser, Zentralheizung, ein 24-Volt Kühlschrank, der so gut wie keinen Strom verbraucht. Vielleicht kann ich Gareth helfen, seine Oberflächen zu varnishen (klarzulackieren), vielleicht war es auch nur Spaß von ihm. Lisa macht Rolls (Semmeln) mit Grillwürstchen, Schinken, Burger. Um eins zieht Garreth die Schleppleinen klar und legt los nach Süden. Zieht mich mit, ohne mit der Wimper zu zucken (Perkins-Motor, 80 PS). Außerdem sieht er, dass meine Windfahne der Instrumentendarstellung abgefallen ist, wahrscheinlich von den Erschütterungen auf den Felsen. Vor der Hafeneinfahrt zum Dart gibt es einen rauchenden Felsen einzeln vor der Küste stehend, die Gischt, die in einen Hohlraum dringt und dann als weiße Fahne aufsprüht, sieht exakt aus wie der Ausatem eines Rauchers (und kommt auch im selben Atemrhythmus).

Dartmouth zeigt sich als Modelleisenbahn-Kulisse. Mittelalterliche Burgen an beiden Seiten der Flussmündung, verwunschene Wehrtürme und Klammbrücken, 19. Jhdt-Klippenvillen mit sicher atemberauschendem Blick aufs Meer (und privatem Wasserzugang oder Bootsanleger), Stadthäuser aus den letzten sechshundert Jahren malerisch in die Hügel gebaut, zwei Fähren (untere: Ponton und drangezwungener Schlepper, obere: Seilfähre, unromantisch) verbinden Dartmouth und die Schwesterstadt Kingswear am gegenüberliegenden Ufer. Dort pfeift auch eine Dampflok mit historischen Waggons, die regelmäßig zu verkehren scheint, allein während wir den Dart hochtuckern, fahren drei Mal pfeifende Züge hin und her – Gustav Märklin hätte es nicht pittoresker hintupfen können. Anlegen (macht Gareth für mich, die Elisa ist längsseits vertäut) am DA Visitor’s Pontoon am nördlichen Ende der Stadt, Lisa und Gareth laden aus, Gareth holt den Wagen, legt die Lorelia an die Boje und bringt das Dinghi weg, ich bin solange mit Lisa, Etty (zweieindrittel) und den beiden Hunden im Park. Sommerfrische muss sich so anfühlen.
Abends Spaziergang ins Städtchen. Ältestes Haus von dreizehnhundertirgendwas, Kneipe sieht auch so alt aus (vorgemerkt). Bootsverleih, Ausflugsdampfer, Yachtanleger, – Marinas und -Muringbojen ohne Ende. Ente, Ingwer, Frühlingszwiebeln, gebratene Nudeln vom Asiaten (mit ungarischer Thekenfrau). Joghurt mit Haferflocken und Honig.
Heute, Montag früh als erstes den superfreundlichen (schwulen? Ist doch voller Vorurteile, dieser Skipper!) Hafenmeister angerufen (»Wir haben gerade über Sie geredet«) und bei der Bootswerft angefragt. Bis 12:00 würden sie mich nehmen, danach geht die Flut weg. Lisa (tel Gareth): heute Vormittag geht es nicht. Sie werden gegen fünf kommen, haben dann hoffentlich ihr Dinghi (das RIB, Rigid Inflatable Boat o.ä.: Schlauchboot) verkauft, sie können Geld gebrauchen. Dann schleppen sie mich zur Blackness Marine, wo ich die Nacht über an Boje C1 bleiben kann. Full english breakfast im Dart Café. Zwei gemütliche Männer (s.o.) als Crew, nur Yachties über 70 als Gäste. Aber lecker Schinkenspeck und O-Saft. Geld gezogen, Vorräte eingekauft. Harbour Control (Luke) war auch da, weil ich geschleppt worden bin, nimmt er nur die Hafengebühr (GBP 15,70). Allerdings gibt es auch weder Strom noch Wasser noch Duschen (soweit ich sehe). Sonniger Nachmittag, etwa wie Bad Neuenahr vor der Flut. Browns Hotel kostet 150 bis 190 für zwei/Nacht inkl. Frühstück.
Dienstag, 7. Juni

Die ruhigste Nacht seit langem, kein Windhauch nur die Ebbe gleitet lautlos den Dart hinab. Drei Seehunde wohnen auf dem Ponton zwanzig Meter weiter, haben im Abendlicht noch gejagt (und sind aus dem Wasser gehechtet), eine Idylle.

06:00 wachgeworden, aufgestanden, bevor um halb zehn das Liftkommando kommt, will ich noch das Beiboot klarmachen. Zusammenstecken im Regen, Aussetzen klappt auch, um neun bin ich fertig (gute Stunde, mit Routine sicher weniger). Zwei Jungs mit Traktor und Hebe-Anhänger (wie Neve, nur kleiner) tauchen auf, schleppen mich zum Steg, holen einen größeren Hebeanhänger mit Gurten und ziehen die Elizabeth aus dem Wasser. Allgemeines Staunen über die Schäden an Ruder, Kiel und Rumpf (»Sieht man auch nicht alle Tage.« »Hab ich noch nie gesehen.« »Hast du Glück gehabt, dass du das Boot nicht verloren hast.«) David, der Manager der Werft, macht Ansagen. Über meine Einschätzung, den Schaden innerhalb von vierzehn Tagen behoben haben zu wollen, kann er nur den Kopf schütteln. Ihm ist es egal, sie haben Platz so lange ich brauche. Jetzt ist die Sonne herausgekommen, man könnte es fast aushalten hier.
»There’s worse places to get stranded.« .
Luke Craig, Harbour Patrol Dartmouth
Hier kommen noch ein paar Fotos von den Schäden an der alten Tante Elli. Aber dieser Blog macht Pause (ich will euch ja nicht mit Reparaturberichten langweilen), bis ich wieder flott bin. Bis dahin – schönen Juni (oder Juli?). – oder August.



