26. Kanaren (aber nur mit der Fähre)

Die Sonne geht hinter Fuerteventura unter, Delfine springen um den Bug der Fähre, in der Ferne blasen Wale, dahinter landet ein Flieger nach dem anderen (dazwischen starten welche, beinahe im Minutentakt). Und dann geht auf der anderen Seite auch noch tiefrot der Mond auf – Ferienende auf den Kanaren. Ich bin auf der Rückfahrt nach Cádiz, der Abschied von Paula war schwer, ist vielleicht für länger … Wir haben fünf Wochen zusammen gehabt, drei davon wunderschön. Nur auf die Kanaran zu segeln haben wir nicht geschafft.

Der Vormittag nach Sylvester kam schwer in die Gänge. Aaron ließ sich erst am Nachmittag blicken. Die Disko, in der wir am Ende gelandet sind, war um zwei, als wir ankamen noch so gut wie leer. Erst ab halb vier ging der Betrieb los, aber da sind wir dann auch schon weg. Aaron hatte ich in der Dusche angesprochen, sein Boot FORWARD UNTO DAWN (nach einem Raumschiff aus dem Ego-Shooter Halo) lag genau neben der LISBETH. Er hatte nichts vor, aber eine Flasche Portwein offen. Die haben wir uns beim Abendessen geteilt, den Rest hat er mitgenommen in die Stadt. Traubenessen auf der Plaza del Ayuntamiento war nicht – die Glocken schlugen die Stunde nicht. Scheint eine Ausnahme gewesen zu sein, weil die Einheimischen ebenfalls fassungslos waren. Dann hat Paula Sherry spendiert, in einer Musikbar haben sich drei junge Lissabonner um Zigaretten anschnorren lassen, mit denen sind wir weitergezogen (ich kam später, hab mich zum zweiten Mal verlaufen), aber am Ende konnten sie sich nicht auf die richtige Disko einigen und sind wieder abgezogen.
An Neujahr Paellaessen am Stadtstrand im Süden von Cádiz und langer Strandspaziergang in die Stadt. Auch der zweite Januar ist Feiertag in Spanien, alles geschlossen. Museum mit den Ausgrabungen (Römervilla am Kap Trafalgar, ägyptisch anmutenden Sarkophage, Vorzeitfunde) war aber offen. Treffen am Markt (ich hab mich verlaufen) und Mittagessen am Marktrestaurant. Dienstag früh bei Mariluz (Nautica Benítez, direkt am Kai des Puerto américa) das Bimini noch einmal gecheckt (ist vorrätig) und Taxi zur Fähre (und Churros con chocolate zum zweiten Frühstück).

Das Meer ist wirklich weit zwischen Cádiz und den Kanaren. Einen Nachmittag, eine Nacht und einen Tag und noch eine halbe Nacht. Im Winter fahren die Fähre nicht direkt zu den Inseln, es verkehrt nur eine und landet auf Lanzarote (Arrecife), Fuerteventuras (Rosario), Gran Canaria (Las Palmas) und fährt dann weiter nach Teneriffa. Jedesmal mit Autoausparken und von der Rampe fahren. Ankunft um halb vier Uhr morgens, wir haben tatsächlich vorher ein wenig geschlafen. Pepe und Sophia sind Goldschätze und wohnen in einem Architektentraum von Haus. Aber erstmal haben wir ausgeschlafen bis zehn.

Wer im Neujahrskranz („roscón“) das Püppchen findet, darf die Krone tragen

Fünfter und sechster Januar waren meine Tage in Las Palmas, aber am Donnerstag hatten viele Geschäfte (auch die Ferreterías) puente, also geschlossen. Und an Reyes (magos) hat eh alles zu. Im Einkaufszentrum Las Terrazas haben wir Marlene (und ihren Vater Mark) getroffen. Vielleicht fährt sie mit über den Atlantik. Ist jedenfalls so geplant. Nachmittags um drei feistes Mittagessen im Lupé, ganz wunderfein. Pulpo auf Kartoffelbrei (ich), Ceviche (Paula), Turm aus Auberginen, Tomaten, Ziegenkäse und karamellisierten Zwiebeln (Sophia), Tortilla (Pepe), fruchtiger junger Weißwein: alles köstlich. Licht und Klima auf den Inseln sind göttlich. Müsste man glücklich sein, dort zu leben. Am Donnerstag Juan (und Vincent) getroffen. Juan weiß alles und mehr und wird Paula dabei unterstützen, ein Angebot für ein Bimini nach Maß einzuholen (Danke, Paula!). Für die Karibik: Martinique muss toll sein (sagt auch Vincent, Franzose, klar). Außerdem die BVI (die Britischen Jungferninseln, auf denen Qazqrom teilweise spielt). Sind aber weit nördlich und ziemlich ab vom Schuss für mich. Aber wer weiß? Außerdem vorgeführt: Sicherheitsausrüstung, u.a. Knoten in der Safety line (zum wieder an Bord klettern), Notfallsender in der Hosentasche und an der Schwimmweste, Funkgerät im Grab-bag [Notfalltäschchen, das man sich greift, wenn man in die Rettungsinsel AUFsteigt]. Redet gern und viel (und nicht alles, was er an Erfahrungen erzählt hat er tatsächlich auch selbst gemacht). Juans Rennyacht liegt im Real Club Nautico von Las Palmas, eher exklusiv, eher schwer, dort einen Platz zu kriegen. Aber Restaurant schick und Siegerliste im Treppenhaus beeindruckend.

Heute früh zurück in den unübersichtlich riesigen Hafen, Fähre liegt dort schon, aber einsteigen muss man im Hafenbüro, fünf Fahrminuten entfernt. WahWah (Oah-Oah?) heißt der Bus, Camarote die Kabine und papas arrugadas die (runzligen, in Salzwasser gekochten) Kartoffeln (mit mojo: grün, rot oder tieforange scharfe Kräutersoße) der Inseln. Essen auf der Fähre gut. Kabine klein (und ohne Fenster: Innenkabine), aber pflegeleicht-schick und hell ausgeleuchtet. Meer ruhig, Sonnendeck windig (das Ding macht bis zu 20 kn (!!)). 

Aaron auf der FORWARD UNTO DAWN (???)

Am Herweg, 03.01., 16:49h hätte ich geschworen, die FORWARD UNTO DAWN gesehen zu haben, aber zu weit weg für Fotos. Allerdings schienen die Pixel dort, wo unter den weißen Segeln der Rumpf sein müsste, türkisblau zu sein – falls ich Aaron nochmal treffe, checke ich das, ob sie unsere Fähre vorbeifahren sehen haben.

Der Stadtstrand von Las Palmas ist grausig. Wunderschön, aber die Promenade ist fest in der Hand von urlaubsentschlossenen Touristen, kurzbehost und kaum bekleidet von Jungfreak bis Altpauschal. Klar sind alle Hinweisschilder und Speisekarten auch auf Deutsch. Muss man mögen.

Pepe, Sofia, Unbekannter, Paula

Am Sonntag (08.01.) begann die Rückfahrt ruhig, glatte See. Traumhafter Sonnenuntergang, scheine ich mich nie dran sattsehen zu können. Dann dunkle Wolken, lange alte Dünung, dann Seegang und die Fähre (nicht riesig, aber ganz und gar nicht klein) fängt an zu rollen. Muss man mögen bzw. aushalten. Um acht plötzlich Lichter im Osten: die marokkanische Küste ist nur wenig über 20 nm entfernt (sagt Navionics). Dann auch noch Regen.
Drei warme Mahlzeiten sind fast wie Kreuzfahrt. Außer Lesen nichts zu tun: Louise Erdrich: Der Nachtwächter. Groß. Nicht erhaben, sondern saftig und anschaulich. Und brutal, nicht in den Beschreibungen, sondern in Andeutungen, bei denen die eigene Phantasie die schrecklichen Details beisteuern muss. Kommt stilistisch einfach daher (…, sagte P. – …, sagte T. – … sagte V. – …), aber die göttlichen, erdnahen Dialoge reißen es mehr als raus. Und die First-nation-Leute nennen sich einfach Indianer. Hunde sprechen, Pferde haben Sex (sind aber danach voneinander genervt), Geistererscheinungen und Eingebungen bahnen die Wendepunkte in der Handlung an, Körpererfahrungen sind deftig und anschaulich und schön. Indianer zerfließen im Schlaf, ihr Bewusstsein zieht sich auch in Tagträumen schrittweise zurück. Stark. Dass eine 18-(??)jährige in Geschlechterdingen so unbedarft sein soll wie Pixie (Pardon: Patrice) klingt unwahrscheinlich (zumal das Chipewah (zwar keine Wörter für Hass aber) jede Menge Begriffe für sexuelle Aktivitäten kennt); dass ihre Kurzsichtigkeit niemandem aufgefallen sein soll (wo sie doch zu allem anderen (Holzhacken!) auch noch eine überragende Gewehrschützin sein soll), verwundert. Aber Pulitzerpreis, und zwar hoch verdient. Und die Geschichte der Terminierung, der Zwangsanpassung und Enteignung und Auflösung der Stämme gehörte wirklich schon längst erzählt (zumal der unsägliche letzte US-Präsident damit wieder anfangen wollte). Kommt in die Bordbibliothek. Noch elf Stunden bis zur geplanten Ankunft [ETA]. Besser Schlafen versuchen. Ab Übermorgen könnte der Atlantik dransein.

Montagmorgen (09.01.) um halb sieben (kanarische Zeit) weckt uns die Stimme aus der Borddurchsage: Wir nähern uns dem Hafen von Cádiz. Die BESS ist an ihrem Liegeplatz zu ahnen, alles gut, fast schon wehmütige Gefühle dem Boot gegenüber.

LIZZY: Bildmitte links mit rotem Ball am Heck

Die kleine Dicke (gordita), die mit ihrer schüchtern-dreist-anspruchsvollen Hilfslosigkeit schon verschiedene Passagiere während der Fahrt genervt hat, ist nicht nur gehbehindert, sondern hat auch ihre komplette Aussteuer dabei (oder einen Umzug vor), als die Fußpassagiere auf das Lieferwagen-Taxi (furgoneta) warten, das uns drei Minuten aus der Fähre zum Reedereibüro bringt.
Langer Weg den Hafen entlang zur Marina.
In der Nautica Benítez nur kurz vorbeischauen wollen, um zu sagen, dass ich am folgenden Tag bestellen will. Aber Doña Marieluz ruft sofort dort an, klärt meine letzten Fragen und hat bereits einen Liefertermin: Wenn ich noch am Nachmittag bestelle, sollte das Bimini am Donnerstag hier sein. Verführerisches Angebot. Kurzes Telefonat mit Paula, die inzwischen in Las Palmas bei Alisios ein Angebot für eine nach Maß gemachte Bimini angefragt hat. Dann bestellt.
Bei Nacex an der Plaza Mentidero liegt mein Paket mit Höhlenkletterleiter, Seilbremse und Sicherheitsschlinge abholbereit. Einmal Pass zeigen und eine elektronische Unterschrift und es ist meins. (Danke, Paula, die mit Alicante telefoniert und Franzisco bequatscht hat, damit das alles reibungslos läuft.)
Pizza in der allerletzten Touristenbude an der Plaza de Flores. War entsprechend lahm. Aber ich scheine doch mehr übernächtigt zu sein, als ich glaubte. An diesem langen Tag besser keine Entscheidungen mehr treffen. Segel (Gennaker) ausgebreitet (zu trocknen versucht): Gerissen ist nicht der uralte Stoff, sondern die Flickstellen. Nicht gut; die Segelmacher in Marbella, die Colin aus Almerimar drangesetzt hat, haben zu schwaches Tuch verwendet. Will ich selbst besser machen.

Abends kommt der Kostenvoranschlag aus Las Palmas durch: ein maßgemachtes Bimini würde „nur“ neunhundert mehr kosten als die bestellte von der Stange, Einbau schon inbegriffen. Echt faires Angebot der Alisios-Leute. Plus Zusage, das Teil ab Aufmaß innerhalb von 15 Tagen (approximamente) fertig einzubauen. Schwere Entscheidung.
Heute früh getroffen: Ich nehme das Fertigteil von hier, will es auch gleich hier einzubauen versuchen, Marieluz ist im Wort, mir mit allen evtl. benötigten Zusatzteilen zu helfen. Im Übrigen bin ich der Überzeugung, Oceansouth gehört aus dem Verkehr gezogen.

Cádiz, Cádiz, immer nur Cádiz

Gestern (11.01.) und vorgestern jeweils zwei Mal im Mast gewesen. Die Höhlenforscher-Strickleiter von Juan (VAGABONDO) funktioniert super. Ist aber trotzdem immer eine Schisser-Angelegenheit. Auf dem Weg nach oben bin ich an einer Seilklemme (aus dem Klettereibedarfsladen in Alicante) gesichert. In der hänge ich auch (Klettergurt) während der Arbeit. Aber der Rückweg bleibt ungesichert, die Seilklemme funktioniert nur in eine Richtung (aufwärts). Dampfer- und Deckslicht sind in etwa vier Meter Höhe (von unten gesehen: keine große Sache) unterhalb der Saling angebracht. Die Abdeckung der Decksbeleuchtung lässt sich abnehmen. Strom kommt an (1. Aufstieg), aber nicht, wenn das Lämpchen in der Fassung steckt. Dampferlicht (Vorschrift, wenn man unter (Segeln und) Motor fährt) lässt sich nicht aufschrauben (2. Aufstieg). Schuurd hat ein Ersatzteil besorgt, ich bei Marieluz die Lämpchen dafür. Die Schaltung verstehe ich zwar nicht, aber am Boden (Schalttafel) funktionieren beide Lichter, wenn sie jeweils gegen Masse gesteckt werden. Die alte Armatur ist mit Blindnieten befestigt. Müssen aufgebohrt werden. Ziemlich kipplige Sache, vor allem, wenn (wie bei mir) der Bohrer drei Mal blockiert und stecken bleibt und nur unter heftiger Sorge (wenn er abbricht, ist die ganze Reparatur gefährdet) wieder herauszuwuchten ist (3. Aufstieg). Als Anschluss kommt ein handelsübliches 220V-Kabel mit drei Litzen aus dem Mast: blau, braun, grün/gelb. Blau ist mit weiß an der Armatur verbunden, scheint Masse zu sein. Also müssten die anderen beiden geschaltet sein. Klemme ich so an (4. Aufstieg). Nichts funktioniert. Das war der Vollfrust gestern Abend. Musste ein Glas Whiskey dämpfen.
Ebenfalls gestern: Bei Marieluz habe ich eine Segelmacherei angefragt, um Stoff für die Reparatur des Gennakers zu besorgen. Paco ist schwer beschäftigt, will sich aber Fotos des kaputten Segels angucken und dann reden. Kam gestern und holte das Segel ab. Soll bis Freitag, spätestens Montag, fertig sein.

Mitfahrgelegenheit gesucht

Beim Warten vor Marieluz‘ Laden (Nautico Benítez) einen Anschlagszettel antelefoniert. Gawain ist Deutscher, will auf die Kanaren, ist zurzeit in Tarifa. Long story short: Er kommt morgen, Freitag (13.01.), damit wir uns beschnuppern können. Und gestern Nacht hat auch noch Lioba geschrieben, dass Lukas, ein Freund von ihr, gerade in Alicante ist und ebenfalls Lust hätte, nach Lanzarote mitzusegeln. Wenn alles klappt, wird es langsam voll auf der LILIBETH.
Heute früh (Do., 12.01.) in der Stadt, süßes Frühstückscafé gefunden. Hafermilch und Käse und auf dem Markt Obst und Gemüse gekauft. Jetzt muss ich leider wieder in den Mast.
PS Selbstverständlich herrscht zum Hohn die ganze Woche über eitel Sonnenschein und NordNordWest-Wind: – wäre geradezu ideal für die Überfahrt auf die Kanaren.

Kai: schwarz vor Menschen

Samstag, 14.01. Riesenauftrieb im Hafen, schon am Vorabend tuckert eine Yacht nach der anderen herein. Die ELCANO (Juan Sebastian de Elcano), Viermaster, das Segelschulschiff der spanischen Marine wird am Samstag Mittag auslaufen und alle sind geschmückt und ausstaffiert (es gibt spanische Flaggen in der Größe von Squash-Feldern!) und wollen sie begleiten auf ihrem kurzen Trip nach Rota hinüber.

Ein Feuerlöschboot sprüht Fontänen und der Kai ist schwarz vor Schaulustigen. Ganz großes Kino: draußen vor dem Hafen ziehen sie sogar die Segel hoch (alle vier Masten, drei Vorsegel), obwohl sie höchstens eine Stunde unterwegs sein werden. Echte Seemannschaft.

Die ELCANO (Juan Sebastian de Elcano)


Donnerstag nachmittag kam das Bimini-Paket, wie versprochen. Leichte Abnutzungen an einer Lagerfalte, sonst guter Eindruck: stabile Inox-Rohre. Freitag war es installiert – zumindest provisorisch: sitzt viel zu hoch und wirkt blockig. Unzufrieden. Samstag kommt Gawain, supersympathisch und der angekündigte Sonnyboy. Quatschen. Samstag abend will er noch im Hostel verbringen, wo er sich mit dem Personal angefreundet hat. Außerdem ist er total übernächtigt, weil er am Vorabend lange gefeiert hat. Aber zuversichtlich. Gleich (So., 15.01.) bringt er Brötchen zum Frühstück und steigt tatsächlich ein. Mal sehen. Gestern abend zum letzten Mal im Franzisco Uno. Eher enttäuschend.

Gestern die Bimini tiefer gesetzt, sechs Mal 25mm Edelstahlrohre gesägt. Jetzt sitzt sie besser, ist auch leicht aus- und einzufahren. Fehlen nur noch die Sicherungsstifte zwischen Stützen und Strebebogen. Die waren gestern nicht mehr einzuhämmern, scheint schwieriger als gedacht.

Gawain ist der rechts


Hat mir heute (16.01) Gawain dabei geholfen. Zu zweit kein Problem. Einkaufen gewesen. Sicherheitseinweisung. Abendessen gekocht. Morgen soll es losgehen.

25. (Zurück) nach Cádiz

Frohes, glückliches, gutes Neues Jahr wünschen P. & U.
Zum Estrecho ((Meer-)Enge=Straße von Gibraltar)

Fr., 16.12., Motril. Mittags Salonbilge ausgeschöpft (3 ¾ Eimer, ca. 15l) und zum Fischereihafen (Deposito) gefahren (Fahrrad, gibt’s bei der Marina umsonst, weil sie ziemlich außerhalb liegt, halbe Fahrradstunde, teilweise bergauf. Außerdem macht der nähergelegene Zugang zum Hafengelände abends zu und man ist auf einen ziemlich entfernten Zugang angewiesen, der immer geöffnet ist – allerdings muss man sich kontrollieren lassen. Wenn jemand (mit P.) spätabends einfach um die Schranke herumfährt, wird der Wachhabende ungehalten. Doch das war später); das Ölentsorgungsdepot steht auf rot, kurz vor dem Überlaufen; zum Glück ist niemand in der Nähe, ein paar Eimer passen noch rein. Abends um sechs herrscht allerdings Hochauftrieb im Hafen: Brüder und Väter erwarten die einlaufenden Fischerboote (von denen noch nichts zu sehen ist). Für einen alten Mann, der seinen Eimer auf dem Fahrrad balanciert und Öl in die Auffangwanne um das Depot schüttet, haben sie kein Interesse.

Abends Städtchen, Buchladen, Waschsalon, Abendessen im Meson Medina; Tapas vom Feinsten, der Kellner erklärt, welcher Fisch der Beste sei. (Warum brauchen die Spanier keine Speisekarten? Weil ohnehin jeder nachfragt, welcher Fisch gerade reingekommen ist, wie er so ist, und was er so kostet. Ohne Palaver geht es nicht ab.)

Am Samstag (17.12) ist wieder Diesel in Motor- und Salonbilge. Nachgelaufen (weil Diesel ziemlich ölig und zähflüssig ist)? Eher nicht. Für Sonntag ist endlich Ostwind (also Rückenwind) angesagt, Abfahrt 08:50 aus Motril. Nach einer guten Stunde fetzt der frische, bei Vorwindkurs gern unterschätzte Rückenwind den frisch reparierten Gennaker weg. Auf den ersten Blick ziemlich direkt neben/unterhalb der Reparaturstelle. Das Segel war eben a) nur für Leichtwind geeignet und b) alt und mürbe. Ob ich es selbst noch einmal zu nähen versuchen soll? steht mit großem Fragezeichen im Logbuch. Mit Wind platt von hinten stehen Vor- und Groß Schmetterling, sieht sicher super aus, ist aber bei seitlichem Seegang eine ziemlich kipplige Fahrt.

Beispielfoto: Schmetterling

Zwischendurch Anruf von Melli, Schwester einer Freundin von Lioba, die evtl. von den Kanaren aus in die Karibik mitsegeln möchte. Super. Als die Sonne sich zum Sinken neigt, ist Malaga noch immer etliche Stunden entfernt. Wir biegen ab nach Caleta de Velez und fahren dort noch bei vollem Tageslicht ein. Über Funk (in der Halbzeit des Endspiels, das wir über Radio verfolgen*) hat sich in der Marina niemand gemeldet, die Telefonnummer stimmt nicht mehr, der Warteponton (Muelle de espera) ist schon von einem Katamaran überbreit mehr als belegt. Kurven wir durch Hafen, fassen einen unbenutzt aussehenden Liegeplatz ins Auge, parken rückwärts ein (so dicht, dass man auf den Kai absteigen kann, so viel Abstand, dass das Ruder der Selbststeueranlage nicht anstößt – nicht viel mehr als einen Viertelmeter Spiel). Aber Paula fängt die Poller für die Achterleinen wie ein Profi, ich kann die sumpfigen Muringleinen aus dem Wasser und zum Bug ziehen und dort belegen. Fest in Caleta de Velez um viertel vor sechs. Dann, gerade, als alle schmutzige Arbeit erledigt ist, kommt auch der Marinero an. Der Liegeplatz ist zwar eigentlich nur für Boote bis zwofuffzich Breite, aber für eine Nacht lässt er uns gnädigerweise dort liegen.
Nachbar im Wohnmobil erzählt mir sein Leben als Preis dafür, dass ich ihn um eine Kippe anschnorren will.
Abends Siegerehrung in Qatar. Wer das Spiel gesehen hat, hält es für das beste Endspiel aller Zeiten. Muss ich irgendwann auf Youtube nach-schauen.
Montag Vormittag Einkaufen, Bäcker, Konditorei, Ersatzpullover, persönlich empfohlenes Olivenöl vom Mini-Supermarkt (mit einer Spanierin in der Crew wird jeder Einkauf, jede Restaurantmahlzeit, jeder Besuch im Hafenbüro zum Event (bzw. Palaver): Ob sie sein Olivenöl (aus einem Bergdorf ganz in der Nähe, klar) probieren würde? – Claro que sí. – Lässt er Paula den Zeigefinger (Kuppe nach oben) ausstrecken, über einem Stück Küchentuch, dass er zuvor auf den Schiebetresen an der Kasse gebreitet hat, träufelt ein paar Tropfen Öl auf den Finger und fordert mit zwei Handbewegungen dazu auf, zu riechen und zu schmecken (und – mit einem erwartungsvollen Hhm?– zu loben). Bestes Olivenöl ever, selbstverständlich.)

(* FUSSNOTE: Fußballübertragungen im Radio (Gab es viele zur Zeit der Weltmeisterschaft) sind in Spanien eine Operette für sich. DREI Sprecher(Innen) teilen sich den Äther. Einer kommentiert aufgeregt die Spielzüge, Tore werden minutenlang ausgeSUNGEN: GOL! GOL! GOL! In allen Tonlagen der Begeisterung. Golgolgolgolgol auf höchster Stufe. Golgolgol mit Variationen. Goooool mit steigender Intonation (macht natürlich der aufgeregte Spielkommentator.) Zweite Rolle: vorsichtig Zweifelnder (»Könnte nicht auch …?«, »Man muss auch bedenken, dass …« mitteldünne Sprechstimme (diese Rolle wurde bei einer Übertragung auch von einer Frau übernommen). Dritte Rolle: Tiefer, rauchiger Bass – ewige Wahrheiten und Weisheiten, im Brustton der selbstverständlichen Überzeugung vorgetragen. Beim Endspiel überschlugen sich alle drei vor schierer Begeisterung, der aufgeregte Kommentator kriegte sich kaum noch ein. Am nächsten Tag zwei volle Seiten Tageszeitung (El Pais, kein Sportblatt): Messi und das Endspiel. Kommentarspalte dazu: Das beste und bewegendste und spannendste Endspiel aller Zeiten, ohne jeden Zweifel.)

In Adra

Stichwort Marinabüro: kommt der Marinero und fragt ganz defensiv, ob wir dort noch kurz vorbeischauen könnten … Kann nichts Großes sein, wir haben bereits bezahlt, die Abrechnung kam per Mail, alles geregelt.
Klarer Fall von Denkste: Das Marinabüro von Adra hat die hiesigen Kollegen kontaktiert (Suchmeldung? Eingabe in einer zentralen Datenbank? Wird nach uns an der gesamten Südküste gefahndet?) dass a) wir einen Stromadapter nicht abgegeben hätten (wir hatten gar keinen geliehen) und b) bei der Abrechnung ein Fehler passiert ist: statt € 77 sind nur 77 Cents abgebucht worden, sie können das mit der Quittung belegen. Lege ich die Karte hin und zahle den Rest.
Schwerer Fehler, denn die Spanierin an meine Seite hatte mir ausdrücklich verboten, noch IRGENDetwas zusätzlich bezahlen. Und jetzt behält sie natürlich recht: Wenn die in Adra, denen wir eine Nacht geschenkt (zuviel bezahlt) haben, uns jetzt Schwierigkeiten machen wollen, dann rechnen wir die Nacht gegen und wollen das Geld dafür zurück. Kann der Hafenmeister in Caleta de Velez nicht machen. Soll P. eine Mail schreiben. Eben hatte sie es noch eilig, loszufahren, jetzt lässt sie sich von niemand, schon gar nicht vom Skipper, davon abhalten, die Beschwerde- bzw. Rückforderungsmail rauszuhauen.

In Adra hatte nämlich, nachdem wir morgens den Mietwagen zurückgegeben hatten (in El Ejido, halbe Stunde Busfahrt) und zurück in den Hafen kamen, das gesamte Büropersonal Fortbildung (u.a. Feuerlöschübung), es regnete in Strömen (und suppte in das nagelneue brutalmoderne Sichtbetonbüro), beide Marineros wollten rauchen (aus der Tür, Vordach gibt es nicht im Betonkubusmodernismus), der jüngere (unerfahrenere) musste in den sauren Apfel beißen und uns ausbuchen. Tat sich mit der Anzahl der abzurechnenden Nächte und der zugehörigen Addition etwas schwer. Und tippte eben auch falsch in das elektronische Abbuchungsgerät. – Jetzt, Paula kocht vor Ärger und tippt – selbstverständlich findet sie zwischen zwei Beschwerden auch noch Zeit, den hiesigen Hafenmeister zum Reden zu bringen, er erzählt von den Sorgen des Adra-Hafenmeisters, auch von seinen eigenen Sorgen, auch von seiner Zeit in Deutschland (man spricht deutsch) etc. pp. – kommt der Anruf des (überarbeiteten: Personalmangel!) Hafenmeisters aus Adra, er entschuldigt sich, es sei ihr Fehler (bzw. der des Marineros) gewesen, und will die Sache auf jeden Fall aus der Welt schaffen. Und plötzlich ist es relativ einfach möglich, meine Nachzahlung rückgängig zu machen und eine Zahlung des (um eine Nacht) verminderten Fehlbetrags auf den Weg zu schicken.
Drei Uhr legen wir ab, wollen noch tanken, (Montags geschlossen! Aber Montagnachmittag kommt doch einer!), sind um 16:00 endgültig auf dem Weg Richtung Malaga, wollen den endlich wehenden Ostwind zu nutzen, so gut es geht.

Meuterei hat ein Gesicht: weiblich

Geht aber leider gar nicht. Draußen vor dem Hafen und weiter draußen vor irgendwelchen Fischreusen weht kein Lüftchen. Eine halbe Stunde hält die Crew das aus. Dann Meuterei. Durch die Nacht segeln wollten wir ohnehin. Aber die Nacht durch auf der Stelle stehen? No way. Segel runter, Selbststeueranlage abbauen: wir motoren.

Abbauen. Hier: Ruder der Hydrovane („Georgie“)

Unter Motor muss die ELLI die gesamte Zeit von Hand gesteuert werden. Wir fahren zwei-Stunden-Wachen. Paula hat von sechs bis acht, ich mache von acht bis zehn und von zwölf bis fünf, Paula bis halb acht, ich den Morgen. Tierisch anstrengend, obwohl es eine sternklare, schöne Nacht ist. Wenn wir vor neun in Gibraltar sind, steht die Strömung gegenan. Also drosseln wir für die letzten drei Stunden. Insgesamt wird der Motor bis in die Marina Alcaidesa von La Linea de la Conception 21,5 Stunden klaglos gelaufen sein, wir haben unzählige Frachter, Tanker, Kreuzfahrtschiffe gesehen. Und Delfine. Auch grünlich leuchtend.

The Rock

In La Linea steht Programm an: Einkäufe, Besorgungen, Gibraltar: Fußgängerzone Uhren- und Schmuckparadies. Was der Engländer halt so kauft, wenn er in Urlaub ist.

Paula und zwei Affen
Drei Affen

Seilbahn zum Affenfelsen. Der erste Pavian wartet gelangweilt direkt an der Ausstiegsstelle auf die Gondeln. Der winzige Bereich am Bergkamm, von dem aus man auf das Mittelmeer schauen kann, ist sehr eng abgezäunt. Mauerreste von militärischen Ausgucksgebäuden. Ein Pavianpärchen posiert. Erst laust sie ihn „liebevoll“ würde man menschelnd sagen. Dann begattet er sie, das Vorspiel sind zwei Klapse auf den Rücken, sie hebt den Hintern, er steigt auf, stößt kurz zu, nach fünf Sekunden (nicht untertrieben!) stöhnt er auf und alles ist vorbei. Er stolziert weg, rekelt sich in der Sonne, ihr läuft der Saft aus seinen extradicken Klöten aus dem Hinterteil. »Like they do it on Discovery Channel«. Irgendwie frustrierend und schockierend, wie unsere zweitnächsten Verwandten so gar nichts Charmantes an sich haben. Dann wieder typisch menschliche Gebärden: Sie puhlt sich am Hintern, schnüffelt am Finger, was sie gefunden hat, schüttelt leicht den Kopf und reibt das Zeug an den Mauerrest, auf dem sie sitzt.

Rückweg noch einmal durch die Fußgängerzone. Paula ersteht eine grüne Armbanduhr beim Araber und eine Silberkette beim Inder. Abends gibt es Superschinken (»pata negra«) in einer Stehkneipe in La Linea.

Nächster Morgen Aufbruch. Slawomir und Adriana fragen am Hafenmeisterbüro (wo wir anlegen müssen, um auszuchecken) nach einer Mitfahrgelegenheit für ihre Freundin Lina. Die habe jetzt so oft und lange (mehrere Wochen) Gelegenheiten für ihre Bekannten gesucht und selbst keine gefunden … Schneller Vorlauf: Inzwischen bin ich in Kontakt mit Lena. Wenn alles klappt fährt sie von Cádiz aus mit auf die Kanaren.)

Aus der Bucht raus laufen wir schon unter Segeln, bei leichtem Wind. Der einschläft, als wir mitten in der Einfahrt stehen. Das Boot reagiert nicht aufs Ruder, wir drehen uns unkontrolliert. Ob es Strömung gibt? Also Motor wieder an. Draußen frischt der Wind auf. Dabei zeigt der Windmesser (frisch repariert für 220€ (Platine)+70€ (Marco)) nur vier kn Wind: – kaum ein leichtes Lüftchen. Uns dagegen pfeift der Gegenwind um die Ohren: der Windmesser (Anemometer) spinnt ganz offensichtlich. Tatsächlich legt es uns ziemlich auf die Backe bei der Überfahrt nach Ceuta. Sicher Bf 6 bis 7.

Quer über die Straße: Rauschefahrt nach Ceuta

Als wir dort anlegen, erzählt uns der Marinero, dass die Leute von einem anderen Boot, das eine Stunde vor uns ankam, auch geklagt hätten über den heftigen Wind. Dabei ging es uns eigentlich ganz gut damit. Und rumgeheult haben wir auch nicht.

Abbauen. Hier: Skipper tucht auf (Beispielfoto)

Paulas Lieblingswitz:
Nach einer heftigen Segelpartie dreht eine Yacht unter Motor in den Hafen ein, nutzt das größte, leere, in Windrichtung liegende Becken, um die Segel einzuziehen. Kommt ein Polizeiauto vorbeigefahren, kehrt um, ein Polizist steigt aus, winkt und wedelt heftig gestikulierend mit den Armen.

»Da drüben ist die Polizei.«

Steuerfrau

»Die meinen nicht uns.«

Skipper (hängt über dem Großbaum und tucht auf)

»Die winken aber zu uns rüber«.

Steuerfrau

»Lass mich hier arbeiten!«

Skipper

»Ese velero, ese velero!« („Das Segelschiff da!“)

Polizeiauto (über Megaphon)

Und dann rast auch noch ein Lotsenboot mit Karacho auf uns zu: Wir müssen ins andere Hafenbecken, wo die Marina ist. Und zwar schleunigst.
(Wollten wir eh, nur in Ruhe die Segel einholen. Fanden die nicht gut.)

Die Überfahrt war nicht ganz einfach. Zwar hatte der Skipper Strömung und Kurs bestimmt, aber nicht mit derart starkem Wind gerechnet. Mitten auf der Straße (von Gibraltar) fällt ihm auf, dass sie auf dem geplanten Kurs den Hafen von Ceuta verpassen werden (und damit ein Landfall erst Stunden später möglich sein wird – östlich von Ceuta kommt erst einmal Wasser). Der Skipper versucht, Ruhe zu bewahren und spricht gelassen:

»Wir sind in Schwierigkeiten.«

Skipper (betont ruhig)

»Wüsste nicht, welche!«

Steuerfrau (überschwänglich, achselzuckend)

Hat echt Vertrauen in ihren Skipper, diese Paula. Irgendwie ließ sich dann doch ein Kurs noch höher am Wind anlegen, eine halbe Stunde lang musste auch der Motor zusätzlich aushelfen, aber irgendwie schafften wir es in den Hafen.

Porras: dicke Churros

Am Vorvorabend von Heiligabend gibt es Churros und Chocolate fast direkt am Anleger, an der Hafenpromenade. In der Stadt ist der Bär los. Ein Feinkostladen (Besitzer sind zwei fesche Jungmänner) präsentiert exquisite Köstlichkeiten und schenkt auch davon aus. Auf der Einkaufsstraße lärmt eine Blaskapelle, bollert der Weihnachtsmann persönlich freundlich winkend seinen Elektrowagen-Schlitten mit vorgeheißten Rentieren durch die Menge, führen identisch hergemachte Eleven einer Flamencoschule (Haare streng nach hinten in einen Dutt gefasst, blutroter Lippenstift, Augen auf schwarzes Loch geschminkt) stolz, vorgereckten Kinns, souverän und absolut synchron ihre Kunst auf (und im zweiten Durchgang die Tanzlehrerinnen, alle durchtrainiert, großaügig, unbeteiligt-stolz und zugleich berückend elegant).

Gestern (23.12.) die Bilge ausgeschöpft (wie immer nach heftigem Seegang), die Bolzen in den Decksabschlussleisten nachgezogen, zum Strand spaziert (fünf Minuten Weg, auf der anderen Seite der Innenstadt auf ihrer schmalen Halbinsel), Bier in Freiluftbar genommen: lauter aufgebretzelt-animierte junge Leute.


Weihnachten in Afrika
Hafenmeisterschaft

Heute, Heiligabend, findet in Ceuta die Hafenbeckenmeisterschaft statt: vierhundert Meter schwimmen. Manche nehmen‘s ernst.

Fisch: nur bei Lucas

Wir haben viel telefoniert (Famillich), Guiri („Fremde“)-Fisch bei Lucas, (Albadejo, edler als Mero, aber aus derselben Familie – »bestes Fisch in Meer!«.) Strandspaziergang, Turron. Spanierinnen präsentieren an Heiligabend alles, was Beine und Brust hergeben. Aufbretzeln ist gar kein Ausdruck. (Müsste eigentlich eher Abbretzeln heißen.) Nach dem Aperitif geht man in die Disko (klärt mich die Spanierin auf).

Sonntag (1. Feiertag) erst die Küste entlang getuckert, Grenzzaun gucken. War aber nicht deutlich zu sehen. Dann zum zweiten Mal die Straße gequert, guter Wind, Sonnenschein, nicht viel Seegang: Rauschefahrt mit 6 kn. Später, Richtung Tarifa, waren sogar über 8 Knoten drin (könnte günstige Strömung dabei gewesen sein; durfte aber laut Kartenangaben zu dem Zeitpunkt gar nicht geherrscht haben). Andererseits: später am Tag, schon fast in Sicht von Barbate, ging die Strömung, die eigentlich für uns sein sollte, gegen uns. Deutlich spürbare Fahrt (durchs Wasser), aber nur anderthalb Knoten (über Grund). Irgendwie hab ich die Strömungen (wieder mal) nicht richtig gecheckt. Ist aber auch schon anderen Yachten passiert, z.B. POLAR SEAL, Ryan & Sophie sailing. Trotz allem guter Schlag, Ankunft nach 13 Stunden und fast 40 nm um Mitternacht. Marinero (über Funk nicht erreicht: zu früh den Kanal gewechselt!) ruft vom Kai – wir können uns einen Liegeplatz aussuchen.

Montag (26.12., 2. Feiertag) Juan vom Nachbarboot VAGABONDO gesprochen, mit seiner Yacht (nach schwerem Unfall: von Frachter gerammt) achtmal den Atlantik überquert, mit dem Vorgängerboot ebenfalls acht Mal. Segelt später am Tag einfach los (obwohl nach meiner Wettervorhersage der Wind gar nicht besonders günstig zu werden versprach). Beruhigt mich: auch im Februar sind die Trade winds (Passatwinde) noch stabil. Nur weil sie an Weihnachten in der Karibik sein wollen, fahren die meisten schon Ende November. Und weil die Karibiksaison halt spätestens Anfang Mai zu Ende ist: Hurrikane. Nachmittags feinen Sand am Strand gesammelt: Orca-Vorsorge. (Danke, Petra, für den Tipp!) Ausprobieren muss ich es hoffentlich niemals. Feistes Abendessen mit Mojama (gepökeltes Tunfischfilet, mindestens so gut wie Schwarzwälder Schinken) und Lagrein aus Südtirol (Danke, ihr Piepers!). Dienstag (27.12.) viel zu spät (12:30) den Schlag nach Cádiz angefangen, aber (anders als vorhergesagt) Glück mit dem Wind gehabt, fast glattes Meer, Sonne: Rauschefahrt bis an Sancti Petri vorbei, die letzten drei Stunden unter Motor. An Cádiz: 20:30. Für einen Gang in die Stadt und ein Abendessen im Franzisco Uno hat es auch noch gereicht.

Cádiz

Heute Motorbilge (wieder einmal) ausgetupft, 200ml Öl, aber hauptsächlich Diesel und Wasser. Nebenbilge (Wasser) dito, Salonbilge (zwei Eimer) dito. Die See war nicht wild genug, um einen Vergleich zu haben, aber an den hundert Schrauben durchs Deck (ein gutes Drittel davon ließen sich mindestens eine Viertelumdrehung nachziehen, zwei mehr, die meisten gar nicht) scheint es nicht zu liegen, dass die ELLI leckt. Bimini zu bestellen versucht, passendes Teil gefunden, die Ferreteria-Frau Marieluz ruft auch beim Hersteller an. Aber: Betriebsferien bis 10. Januar. Da hoffe ich schon aus Cádiz abzufahren. Eine Höhlenkletterer-Strickleiter (Alu; Tipp von Juan) zu beschaffen stellt sich als noch viel schwieriger heraus: der einzige Laden dafür ist in Alicante; die können aber vielleicht nach Cádiz liefern. Mal sehen. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Oceansouth eine Scheißfirma ist und aus dem Verkehr gezogen gehört.

Landausflüge

Nationalpark Doñana: Flamingos, Hirsche, Wildschweine, Dachse. Zwei von vier haben wir gesehen. Das Westernstädtchen Rocío könnte ohne Umdekoration als Filmkulisse herhalten: vor den Häusern Querstangen, um Pferde anzubinden, vor den Kneipen überkopfhohe Tresentische, damit man auch hoch zu Ross sein Bier genießen kann – einmal im Jahr (25 Tage nach Ostern) ist der Ort Ziel einer Pilgerfahrt aus ganz Europa, große Herbergshäuser unzähliger Bruder-/Schwesternschaften (Hermandades) stehen 50 Wochen im Jahr leer. Aber in den zwei Wochen des Pilgerfestes kommen eine Million Feierfreudige, alle zu Pferd (Autos sind in der Zeit nicht erlaubt). Ach ja: es gibt kein Stück asphaltierte Straße, nur Sandwege. Nach einem Monat Dauerregen war die Anfahrt ein echtes Abenteuer. „Schlaglöcher“, also Pfützen, von der Größe eines halben Tennisfeldes säumen und versperren den Weg. Und sind bis zu hüfttief (was man nicht sehen konnte). Klar, dass es nacht war, als wir ankamen. Klar, dass es geregnet hat. Klar, dass wir zur falschen Pension gefahren sind. Klar, dass es die Straße mit der richtigen Adresse zwei Mal gab. Klar, dass wir zur falschen gefahren sind. Aber immerhin haben wir in ein leerstehendes Hostal hineingesehen: Auch innen sind die Häuser/Hostales noch im Zustand der mexikanischen Kolonialbauten –weißgekalkte Wände, dunkle Jalousien-Holztüren; Innenhöfe. Bezaubernd. Ach ja: die süßmild lächelnde Madonna wird zu den Feiertagen selbstverständlich auch aus der Kirche und durchs Dorf geschleppt.

Landroverfahrt durch den Nationalpark. Halb Sumpf-, halb Waldgebiet. Vögel ohne Ende, Rehe und Hirsche. Und der Spanische Luchs (nicht gesehen).

Außerdem: Granada, schnuckelige Pension im Albayzin, zwei wunderschöne Aussichtsplätze (Miradore): ein tieferliegender, von dem aus die Alhambra ohne die später ergänzte 19.Jhdt-Kuppel ausssieht wie zu Zeiten von Al-Andalus; ein höher liegender, von dem aus die gesamte Bebauung auf dem Hügel gegenüber zu sehen ist. Sacremonte-Spaziergang; Höhlenmuseum; weiter oben Hundegebell und das unangenehme Gefühl, Elendstourismus zu betreiben.

 29.12.: Segelausflug nach Rota, einmal quer über die Bucht von Cádiz. – Weißgekalktes Bilderbuchstädtchen, wie es die Amerikaner (große Navy-Base am Südrand von Rota) lieben. Kunstvoll-kitschige Blumentöpfe (Männer- und Frauenköpfe) hängen an den Hauswänden, überall sind Sinnsprüche, auf Kacheln gebrannt, angebracht. Einer der Matrosen von Kolumbus stammte aus Rota (und hat auf der zweiten Fahrt eines der Schiffe geführt). Auf dem Rückweg in der Dunkelheit fast verfahren und die Hafeneinfahrt von Cádiz nicht gefunden – Navionics musste aushelfen.

Cádiz: perfekt, um sich zu verlaufen

Gestern, Freitag (30.12.), in der Altstadt verlaufen, auf dem Zentralmarkt Tapas gegessen – Sylvester ist für die Spanier wie Heiligabend: Ausgehen und Party, Almodóvar hätte an den Frauenfiguren seine Freude gehabt – falsche Flasche Wein „great italian wine“ aufgemacht. Paula war im Museum: Ausgrabungen aus der Römerzeit. Cádiz ist mit dreitausend Jahren Geschichte eine der/die älteste Ansiedlung Europas.

Traubenverschlingen mit Aaron (Nachbarboot)

Programm für heute (Sylvester): Museum, Tapas auf dem Markt, Abendessen kalte Platte auf dem Boot, Requetón im Nachtclub an der Hafenpromenade. Schaun wer mal, wie Kaiser Franz gesagt hätte. Wenn er sich nach dem Qatar-Skandal noch zu äußern traute (lebt der überhaupt noch?).

Happy New Year am Strand

21. Ab Cádiz

Do, (27.10.), 23:00h. Anscheinend jeden Abend üben an der Strandpromenade, gegenüber vom Containerhafen (wo sie niemanden stören) die Mitglieder eines gigantischen Blasorchesters, sicher 150 Mensch (auch Frauen) stark, alle Instrumente, vier- bis zehnfach besetzt, mit ultrahohen Sopran-Trompeten, die sich über Ventile halb- oder vierteltonweise verstellen lassen und Tubas und Posaunen und Trompeten und einer viel zu lauten Pauken- und Konzerttrommel-Sektion. Abgefahrenes Zeug, das sich (aus der Ferne) anhört wie von einem violinlastigen Symphonieorchester gespielt, die könnten eine Corrida [Stierkampfveranstaltung] ebensogut bespielen wie Filmmusik für eine Endzeit-Dystopie aufnehmen. Unfassbar gut und präzise und zugleich völlig unprätentiös (die Trompeter rauchen während sie ein paar Takte Pause haben; zwischen den Stücken (die Rhthmusgruppe hält den (Marsch-)Takt) checkt die Hälfte der Band die neuesten Handynachrichten). Strange und schön. Hab leider bisher nicht rausgekriegt, wie die sich nennen, scheinen ambitionierte Amateure zu sein. Guckst du: https://youtu.be/bfVerZX1XeM. Jedenfalls superschön am Abend. Z.B. beim Heimtrotten von einem heftig guten Abendessen (Krabben-Kroketten, (Meeresfrüchte-) gefüllter Squid mit Muscheln (Schalen zum Aufbewahren in Spülmittel einweichen!), Tarta de la abuela (Schokoladen-Keksbrei-Torte), Rotwein, Kaffee, Kognak. Hoffe, den Jungs geht’s ebenso gut, die mussten zehn Kilometer marschieren, um morgen ihren Blabla-Car nach Vila Real zu kriegen. Jam Session war also nicht, ebensowenig wie ich losgefahren bin. Ganz nach Lektion 21: Lieber eine zusätzliche Nacht im Hafen verbringen als einen Tag lang gegen widrigen Wind zu kreuzen … Morgen sehen wir weiter.

Manche lernen’s nie
Schiffsfriedhof in Sancti Petri

Sa., 29.10. Sancti Petri. Die Jungs sind weg, doch das Glück ist geblieben: Gestern Nacht den Versuch abgebrochen, gegen den Wind anzukreuzen. Der Club Nautico Sancti Petri (17 km südlich von Cádiz) liegt an [ist auf einem (gegen den Wind) fahrbaren Kurs direkt zu erreichen], nur am Ende, schon in der Landabdeckung, als Wind und Seegang sich beruhigen, zwei Meilen gegenan motort und in die lange Einfahrt um eine vorgelagerte Insel mit Festung und Leuchtfeuer herum eingebogen. Halb zwei Morgens per Funk die Marina und kurz darauf den Warteponton erreicht. Von der Gegenströmung (der Hafen liegt in einer Flussmündung) nichts gespürt, ich hatte sie im Rücken. Merkte ich erst später. Denn Club Nautico ist nicht die (danebenliegende) Marina (des Puerto Sancti Petri), sondern ein Muringbojenfeld. Der Marinero weist mich ein, übergibt mir die Muringleinen zur Boje. Und alles ist gut. Aufgedreht, erst um vier einschlafen können.
Nachtankunft – Morgenschön. Die vorgelagerte hügelige Sanddüneninsel mit der Festung sieht nach Nordsee aus. Die weißgetüchten hingeduckten Häuschen des Hafens mit Schmuckgiebeln und dunkelblau abgesetzten Kanten erinnern an die spanischen Missionsstationen an der kalifornischen Küste (El pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Àngeles [geht noch weiter] – Nervt euch meine Schlaumeierei? Tja: einmal Lehrer – immer Lehrer, sorry). Und das Örtchen heißt auch so und ist wahrscheinlich auch aus derselben Zeit.

Sancti Petri: LIZ an Boje
Lady in Red

Elli mit der ungebrauchten, aber dreißig Jahre alten winzigen Fock (mein Sturmsegel), stierblutrotbraun und hochgeschnitten (hab ich für die Kanalüberfahrt geplant gehabt, weil man gut drunter durchgucken kann), mit zwei Reffs im Großsegel (haben die Jungs noch eingebunden). Rausgefahren, rauschend überholt von einem Sportsegler mit Code 0 [Zero, einem übergroßen fliegend [nicht am Stag] gesetzten Vorsegel]. Die haben mich praktisch stehen lassen. Draußen zeigt sich, dass ich exakt für den auffrischenden Wind besegelt bin. Die rotbraune Fock steht gut, mit nur einem Reff im Groß (mit Mühe ausgeschüttelt, Reffleinen übersehen) ist das Rigg ausgeglichen. Wenn die rote Fock innerhalb der Oberwanten geschotet ist [üblicherweise laufen die Schoten des Vorsegels außerhalb der Wanten], ist sogar Höhe zu machen. Allerdings knattert das Achterliek hart am Wind [„Kneifen“] brutal, versetzt das gesamte Rigg in übles Rütteln. Keine Freude. Trotzdem knüpple ich einen kompletten Segeltag gegenan bei Windstärke 5, in Böen 7 (laut Wetterbericht), Seegang 1, oft auch fast 2 Meter. Die gute alte Else steckt das tapfer weg, ein zähes Luder von alter Dame. Signore Giorgio steuert es klaglos aus wie ein hartgesottener Macho. Dennoch anstrengend für Mensch und Material. Manche (z.B. ich) lernen’s eben nie (Lektion 21/Regel 8: lieber zwei Tage im Hafen, als einen Tag gegenan). Das Schiff macht (jetzt noch) allerhöchstens 80° gegen den wahren Wind, nach Süden waren nicht mehr als 220° drin (bei wahrem Wind aus 140°), auf Gegenkurs sind es gerade mal 60° – wir fahren als sozusagen zurück auf Cádiz zu. War ohnehin schwer genug aus dem Hafen heraus, die lange Ausfahrt um die weit außen liegende letzte Tonne – den halben Nachmittag waren die hohen Pylonen der Hängebrücke zu sehen, bis sie gegen Abend endlich im Dunst verschwanden. Andererseits: Für Mensch … Es war ein strahlend schöner Tag, keine Wolke, Seegang hoch aber handhabbar, idealer Segelwind – nur eben aus der falschen Richtung. Und wer leuchtet uns abends an der Boje zum Greifen nah heim: die zwei nachts signalrot illuminierten Pylone der Hängebrücke (auf die wir ein paar Nächte zuvor mit den Jungs schon mehr als vier Stunden unter Motor zugefahren sind). Die guck ich mit dem Arsch nicht an und auch Liz streckt ihnen nur das breite Hinterteil entgegen (Flut).

Heute früh die Marineros angefunkt, die einen sofort abholen vom Boot, geduscht, Kaffee getrunken, telefoniert. Und gleich auch noch Mittag gegessen, weil sie abends zumachen … Nachmittagsschläfchen.

Wochenendausflügler

Ewig langer Sandstrand, Kitesurfer, Windsurfer, ein Touristenbähnchen und eine ganze Reihe Fressbuden – Sancti Petri scheint eines der Naherholungsziele von Cádiz (oder von Chiclana de la Frontera, liegt gleich im Osten) zu sein. Immernoch Samstag, kurz vor Sonnenuntergang (hinter den Dünen der vorgelagerten Halbinsel). Wasser aus beiden Bilgen ausgetupft (zweieinhalb Eimer, ca. 18 l). Anscheinend macht die Lisbeth bei starkem Seegang Wasser (die Laufdecks waren gestern teilweise überspült). Tja, wenn man alte Damen richtig rannimmt, werden sie eben feucht. Sonst nicht. Motorbilge entölt bzw. damit angefangen. (Dort unten stehen sicher fast zwei Liter. Wo die herkommen? Keine Ahnung. Im Motor ist ausreichend Öl – gecheckt, zusammen mit Lukas (Maschinenbauer)). Zeitungen zerknüllt und reingetaucht. Aber nicht einmal zum Ölaufsaugen taugt die Frankfurter Allgemeine. Wahrscheinlich imprägniert (genau wie gegen fortschrittliches Gedankengut). Gennaker heißbereit zurechtgelegt, Schoten nach hinten gezogen, Kopf und Fuß oben im Sack (auf Deck festgezurrt) deponiert. Theoretisch kann ich das Ding direkt aus seinem (festgebundenen) Segelsack hissen. Probiere ich demnächst.

Isla Sancti Petri, Dinghy im Vordergrund; rüberrudern hab ich mich nicht getraut

Bacalao-Salat (mit Orangen) und Chipirones (frittierte Baby-Tintenfische, heißen hier aber Puntillitas und sind die örtliche Spezialität) gegessen, schon mittags, weil sie abends zumachen. Abends scheinen die Ausflügler nach Hause zu fahren.
Pläne: Morgen (Sonntag) das Dinghy klarmachen und einen Ausflug zur Insel mit der Festung – wenn die Flut es zulässt, die hier mit fast drei kn rein- und rausblubbert. Wir stehen in der Mündung eines langen Flusses, der hier auch noch Wasser aus einem ausgedehnten Naturschutzgebiet zieht. Frühestens Dienstag soll der Wind sich drehen, dann aber mehrere Tage lang nach Osten pusten. Plan: Auslaufen mit der höchsten Flut, und wenn es mitten in der Nacht ist. Endlich was gelernt zu haben hoffe ich. Jetzt ist blaue Stunde, der Mond halb oben, Leuchtturm und Bojen in der langen Einfahrt sind angesprungen, der Himmel in allen Pastelltönen taubengrau. Nur der Wind kommt aus der falschen Richtung. Und auf der anderen Seite strahlt die Brücke von Cádiz höhnisch rosig herüber.

20. Nach Cádiz

Am Ende haben die Jungs den Bogen dann doch noch überspannt (zu niedriges Gebot und dann auch noch Zeitdruck gemacht). Jedenfalls sind sie jetzt als Kontakt bei drei Engländern (Andy, Andrew und ein Berufstaucher irgendwo am anderen Ende der Welt) gesperrt. Tja, Fortuna ist eine launische Dame.

Spät am Nachmittag (die Nachtfahrt war geplant) in Guerreros de Rio losgemacht, den Guadiana mit der auslaufenden Ebbe hinab motort, unter der langgestreckten Hängebrücke hindurch, die mich von der Einfahrt in den Panama-Kanal träumen lässt (Telefonat mit Axel), im Dunkeln in Vila Real kurz angelegt, weil Lukas von einem (weiteren) Engländer eine gebrauchte Schwimmweste für Hund SlowMo versprochen bekommen hat, dann hinaus auf die Bucht von Cádiz. Zunächst mit frischem, aber wechselhaften Segelwind gut Fahrt gemacht, dann schläft er ein, wir dümpeln die halbe Nacht, in Julians Wache (00:00 bis 03:00) läuft so gut wie gar nichts, mit der Hydrovane ist er unzufrieden. Auch ich mache in meiner Wache (drei bis sechs) keine nennenswerte Fahrt (und dafür drei ungeplante Halsen). Lukas (sechs bis neun) schwärmt am Morgen vom »schönsten Sonnenaufgang meines Lebens« (er hat schon oft die Sonne aufgehen sehen) und macht Julian neidisch. Am Vormittag weht uns der Wind auf die Nase (von vorn), es geht nur nach Süden voran, wir wollen aber nach Südosten. Schließlich um 17:00 die (ausnehmend zuverlässige!) Maschine angeworfen und motort. Ein Ankerplatz mit vielen Frachtern zieht sich ewig, dann kommen Land und in der Abenddämmerung die Lichter der Großstadt in Sicht. Die Jungs sind begeistert von ihrer ersten Etappe über mehr als einen Tag, am Ende werden es über 30 Stunden, und nach wie vor wild entschlossen, ein Boot zu kaufen und die Atlantiküberquerung anzugehen. In Julians Telefonat mit seinem Vater (Zuschuss angefragt) und seiner Mutter (über die Gefahren beruhigt) höre ich meine milden Weisheiten mit Inbrunst und wortwörtlich zitiert als ewig gültige Wahrheiten wieder – für die Jungs bin ich der Segelgott. Hätten die vielen Zweifler Zuhause mal mitkriegen sollen.

Nachts um halb elf (die Einfahrt nach Cádiz zieht sich ewig) in der Marina Puerto America (gutes Omen für die Jungs, die einen Hitch auf die Kanaren auftun wollen) festgemacht, für uns (über Funk angekündigt) hat die Nachtwache das Marinabüro noch offen gehalten. Ich geh duschen und eine Flasche Wein aufmachen (nur halb geleert, wie Zuhause versprochen), die Jungs haben noch Energie für einen Gang ins Städtchen (SlowMo leeren) und einen Barbesuch.

Heute (Di., 25.10.) sind Reparaturen angesagt: Beim Beiliegen hab ich mir den UV-Schutz der Genua aufgeschlitzt, außerdem ist der Baumniederholer gebrochen. Zudem will ich endlich den Yankee (oder Flieger) aufziehen, den ich zu teuer gekauft, falsch umarbeiten lassen und noch nie gesetzt habe. Und die Jungs gehen selbstverständlich auf Bootssuche: Laut Internet stehen hierin Cádiz mehrere Yachten in ihrer Preisklasse zum Verkauf.

Càdiz hat eine mindestens so schöne Hängebrücke wie Vila Real: schlanke Pylonen, die mit geschlossenen Füßen ihre Knie spreizen, damit die Autos auf der Fahrbahn dazwischen hindurchfahren können. Großer Hafen, Industrie, Fähren ins Mittelmeer und auf die Kanaren, riesenhafte Kreuzfahrtschiffe (AIDA, TUI MEIN SCHIFF). Die Marina Puerto Amerika ist mitten im Hafengewusel, dabei super ruhig und günstig, mit allem, sogar WiFi (in der unmittelbarer Nähe des Büros).

Streunender Hund

Q:  »Woran erkennst du, dass Hippies zu Besuch waren?« –
A: »Weil sie immer noch da sind.«

(Witz, Julians Version)

A: »Weil ihre Hundehaare immer noch da sind.«

(Witz, meine Version)

… wirklich nur ein Witz, die Jungs haben vorbildlich saubergemacht. Also vor allem Lukas. Julian hat eher die Oberaufsicht geführt und intensive Boote gesucht (oder irgendwas anderes am Handy geregeltmacht).
Cádiz ist wunderschön, aber drei Nächte sind (mir) genug. Heute nachmittag weiter Richtung Barbate. Leider steht der Wind ungünstig, genau auf die Nase. Mal sehen, wie weit ich komme.

Knallharte Hippies mit Hund und Glückssträhne (nicht im Bild): Julian und Lukas auf dem Steg in Cádiz

Am Ende haben die Jungs doch wieder Glück gehabt, der Taucher hat sich noch einmal mit einem sehr akzeptablen Gegenangebot gemeldet. Lukas will ihn noch runterhandeln, aber eigentlich sollten sie sich leicht einig werden. Tja, knallharte Verhandler, diese Hippies … Ich glaubejedenfalls, dass ich die JASSEMINE und die Jungs in irgendeinem Hafen noch einmal treffen werde … Ihnen und ihrem Boot herzliche Glückwünsche, Mast- und Schotbruch und immer eine Handbreit … bzw. eine Faustbreit, wie Lukas sich ausdrücken würde (z.B. im Gästebuch)) – Allzeit gute Fahrt, JASSEMINE!

Heute früh tapste der Hund noch über das Achterdeck, habe ich im Halbschlaf mitbekommen. Als ich gegen halb neun losziehe, um Vorräte einzukaufen, ist nichts von SloMo zu sehen. Auf der Hafenpromenade, sicher einen halben Kilometer von der Marina entfernt, kommt er mir entgegen. Ich weise ihn an, sitzen zu bleiben und zu warten, bis ich zurückkomme, selbstverständlich macht er das nicht, sondern trottet mir hinterher. An der ersten Straßenüberquerung rennt er auf die Fahrbahn und hält den Verkehr auf. Von der Baustelle an der Plaza de España knote ich ein Stück Absperrband los und improvisiere daraus eine Leine. Alles geht gut, brav wartet er beim Frühstück im Straßencafé (eine Frau hat ihn schon früher am Morgen herumstreunen gesehen (»Tiene dueño?« – »Si, es el perro de un amigo.«)) Klar hat SloMo nicht nur ein Herrchen, sondern auch dessen Nummer um den Hals. Vor dem Supermarkt binde ich ihn wieder fest. Als ich eine halbe Stunde später herauskomme, ist er weg. Keine Spur von ihm.
Kaum zurück am Boot, bekommt Lukas einen Anruf: Wir haben deinen Hund gefunden! – Wenn das Glück dir hold ist, kämmt es dir eine Strähne. Jetzt ist SloMo wieder da und alles ist gut. Um zwei machen sich die drei auf den Weg, heute abend sind sie (beide Schlagzeuger) zu einer Jam session eingeladen. Wenn der Gegenwind nicht nachlässt, bleibe ich noch eine Nacht und hör mir das an.

Die EILISH im Puerto America in Cádiz