40. Jahreswechsel

Marina des Club Nautico, Cartagena de Indias, 31.12.23, 24:00h

Alles Gute zum Neuen Jahr!

Rot im Hintergrund: der Torre reloj

Sylvester in einem spanischsprachigen Land ging selbstverständlich nicht ohne Party ab. Alle Boote draußen, beschallt und beleuchtet, die Partybusse kreisen lautstark um die Altstadt, auf dem Platz vor dem Glockenturm am Rand der Festungsmauer sammeln sich die WurstbraterInnen, Teigtaschenfrittierer, Scampi-Cocktail-Bereiterinnen und Bier -und Wasserverkäuferinnen. Dazwischen Spiderman, Robocop und Superninja, die für Fotos zur Verfügung stehen. Und der Platz ist mit Tischen und Stühlen vollgestellt, Champagnerflaschen stehen bereit. Bands spielen. Alleine war es nicht ganz so lustig. Sekt gab es keinen, Trauben habe ich auch nicht gefunden. Die Uhr am Turm steht still – wahrscheinlich wird es kein Zwölf-Schläge-zwölf-Trauben-Schlingen geben. Ina ist auf dem Boot geblieben. Wo ich mich um halb elf auch wieder einfinde. Und zum Feuerwerk aufzuschrecken. Guckst du Video:

Ziemlich dunkel: Mitternacht an Sylvester

Ina hat um zehn ein Läutstärke-Battle zwischen zwei neben uns liegenden Katamaranen unterbunden (niedergebrüllt). Aber der Rest des Hafens (und die Uferclubs) hören irgendwie nicht auf sie. Jedenfalls sind wir irgendwie gut ins neue Jahr gekommen.

Die Freuden des Bootslebens (noch im alten Jahr): Außenborder testen (funktioniert!)

Am Dienstag, 02.01. wollen wir los, Richtung San Blas-Inseln, für 12.01. sind wir in der Shelter Bay Marina in Colon, an der Einfahrt zum Panama-Kanal angemeldet. Das bedeutet: Bis sicher Mitte Januar gibt es für uns kein WLAN. Und für euch keinen Blog.

Bis dahin: Alles Gute im Neuen Jahr.

Donnerstagabend: El Arsenal (Rumbox)
Mittwochmittag: Zócalo, der Platz vor der Kathedrale

25. (Zurück) nach Cádiz

Frohes, glückliches, gutes Neues Jahr wünschen P. & U.
Zum Estrecho ((Meer-)Enge=Straße von Gibraltar)

Fr., 16.12., Motril. Mittags Salonbilge ausgeschöpft (3 ¾ Eimer, ca. 15l) und zum Fischereihafen (Deposito) gefahren (Fahrrad, gibt’s bei der Marina umsonst, weil sie ziemlich außerhalb liegt, halbe Fahrradstunde, teilweise bergauf. Außerdem macht der nähergelegene Zugang zum Hafengelände abends zu und man ist auf einen ziemlich entfernten Zugang angewiesen, der immer geöffnet ist – allerdings muss man sich kontrollieren lassen. Wenn jemand (mit P.) spätabends einfach um die Schranke herumfährt, wird der Wachhabende ungehalten. Doch das war später); das Ölentsorgungsdepot steht auf rot, kurz vor dem Überlaufen; zum Glück ist niemand in der Nähe, ein paar Eimer passen noch rein. Abends um sechs herrscht allerdings Hochauftrieb im Hafen: Brüder und Väter erwarten die einlaufenden Fischerboote (von denen noch nichts zu sehen ist). Für einen alten Mann, der seinen Eimer auf dem Fahrrad balanciert und Öl in die Auffangwanne um das Depot schüttet, haben sie kein Interesse.

Abends Städtchen, Buchladen, Waschsalon, Abendessen im Meson Medina; Tapas vom Feinsten, der Kellner erklärt, welcher Fisch der Beste sei. (Warum brauchen die Spanier keine Speisekarten? Weil ohnehin jeder nachfragt, welcher Fisch gerade reingekommen ist, wie er so ist, und was er so kostet. Ohne Palaver geht es nicht ab.)

Am Samstag (17.12) ist wieder Diesel in Motor- und Salonbilge. Nachgelaufen (weil Diesel ziemlich ölig und zähflüssig ist)? Eher nicht. Für Sonntag ist endlich Ostwind (also Rückenwind) angesagt, Abfahrt 08:50 aus Motril. Nach einer guten Stunde fetzt der frische, bei Vorwindkurs gern unterschätzte Rückenwind den frisch reparierten Gennaker weg. Auf den ersten Blick ziemlich direkt neben/unterhalb der Reparaturstelle. Das Segel war eben a) nur für Leichtwind geeignet und b) alt und mürbe. Ob ich es selbst noch einmal zu nähen versuchen soll? steht mit großem Fragezeichen im Logbuch. Mit Wind platt von hinten stehen Vor- und Groß Schmetterling, sieht sicher super aus, ist aber bei seitlichem Seegang eine ziemlich kipplige Fahrt.

Beispielfoto: Schmetterling

Zwischendurch Anruf von Melli, Schwester einer Freundin von Lioba, die evtl. von den Kanaren aus in die Karibik mitsegeln möchte. Super. Als die Sonne sich zum Sinken neigt, ist Malaga noch immer etliche Stunden entfernt. Wir biegen ab nach Caleta de Velez und fahren dort noch bei vollem Tageslicht ein. Über Funk (in der Halbzeit des Endspiels, das wir über Radio verfolgen*) hat sich in der Marina niemand gemeldet, die Telefonnummer stimmt nicht mehr, der Warteponton (Muelle de espera) ist schon von einem Katamaran überbreit mehr als belegt. Kurven wir durch Hafen, fassen einen unbenutzt aussehenden Liegeplatz ins Auge, parken rückwärts ein (so dicht, dass man auf den Kai absteigen kann, so viel Abstand, dass das Ruder der Selbststeueranlage nicht anstößt – nicht viel mehr als einen Viertelmeter Spiel). Aber Paula fängt die Poller für die Achterleinen wie ein Profi, ich kann die sumpfigen Muringleinen aus dem Wasser und zum Bug ziehen und dort belegen. Fest in Caleta de Velez um viertel vor sechs. Dann, gerade, als alle schmutzige Arbeit erledigt ist, kommt auch der Marinero an. Der Liegeplatz ist zwar eigentlich nur für Boote bis zwofuffzich Breite, aber für eine Nacht lässt er uns gnädigerweise dort liegen.
Nachbar im Wohnmobil erzählt mir sein Leben als Preis dafür, dass ich ihn um eine Kippe anschnorren will.
Abends Siegerehrung in Qatar. Wer das Spiel gesehen hat, hält es für das beste Endspiel aller Zeiten. Muss ich irgendwann auf Youtube nach-schauen.
Montag Vormittag Einkaufen, Bäcker, Konditorei, Ersatzpullover, persönlich empfohlenes Olivenöl vom Mini-Supermarkt (mit einer Spanierin in der Crew wird jeder Einkauf, jede Restaurantmahlzeit, jeder Besuch im Hafenbüro zum Event (bzw. Palaver): Ob sie sein Olivenöl (aus einem Bergdorf ganz in der Nähe, klar) probieren würde? – Claro que sí. – Lässt er Paula den Zeigefinger (Kuppe nach oben) ausstrecken, über einem Stück Küchentuch, dass er zuvor auf den Schiebetresen an der Kasse gebreitet hat, träufelt ein paar Tropfen Öl auf den Finger und fordert mit zwei Handbewegungen dazu auf, zu riechen und zu schmecken (und – mit einem erwartungsvollen Hhm?– zu loben). Bestes Olivenöl ever, selbstverständlich.)

(* FUSSNOTE: Fußballübertragungen im Radio (Gab es viele zur Zeit der Weltmeisterschaft) sind in Spanien eine Operette für sich. DREI Sprecher(Innen) teilen sich den Äther. Einer kommentiert aufgeregt die Spielzüge, Tore werden minutenlang ausgeSUNGEN: GOL! GOL! GOL! In allen Tonlagen der Begeisterung. Golgolgolgolgol auf höchster Stufe. Golgolgol mit Variationen. Goooool mit steigender Intonation (macht natürlich der aufgeregte Spielkommentator.) Zweite Rolle: vorsichtig Zweifelnder (»Könnte nicht auch …?«, »Man muss auch bedenken, dass …« mitteldünne Sprechstimme (diese Rolle wurde bei einer Übertragung auch von einer Frau übernommen). Dritte Rolle: Tiefer, rauchiger Bass – ewige Wahrheiten und Weisheiten, im Brustton der selbstverständlichen Überzeugung vorgetragen. Beim Endspiel überschlugen sich alle drei vor schierer Begeisterung, der aufgeregte Kommentator kriegte sich kaum noch ein. Am nächsten Tag zwei volle Seiten Tageszeitung (El Pais, kein Sportblatt): Messi und das Endspiel. Kommentarspalte dazu: Das beste und bewegendste und spannendste Endspiel aller Zeiten, ohne jeden Zweifel.)

In Adra

Stichwort Marinabüro: kommt der Marinero und fragt ganz defensiv, ob wir dort noch kurz vorbeischauen könnten … Kann nichts Großes sein, wir haben bereits bezahlt, die Abrechnung kam per Mail, alles geregelt.
Klarer Fall von Denkste: Das Marinabüro von Adra hat die hiesigen Kollegen kontaktiert (Suchmeldung? Eingabe in einer zentralen Datenbank? Wird nach uns an der gesamten Südküste gefahndet?) dass a) wir einen Stromadapter nicht abgegeben hätten (wir hatten gar keinen geliehen) und b) bei der Abrechnung ein Fehler passiert ist: statt € 77 sind nur 77 Cents abgebucht worden, sie können das mit der Quittung belegen. Lege ich die Karte hin und zahle den Rest.
Schwerer Fehler, denn die Spanierin an meine Seite hatte mir ausdrücklich verboten, noch IRGENDetwas zusätzlich bezahlen. Und jetzt behält sie natürlich recht: Wenn die in Adra, denen wir eine Nacht geschenkt (zuviel bezahlt) haben, uns jetzt Schwierigkeiten machen wollen, dann rechnen wir die Nacht gegen und wollen das Geld dafür zurück. Kann der Hafenmeister in Caleta de Velez nicht machen. Soll P. eine Mail schreiben. Eben hatte sie es noch eilig, loszufahren, jetzt lässt sie sich von niemand, schon gar nicht vom Skipper, davon abhalten, die Beschwerde- bzw. Rückforderungsmail rauszuhauen.

In Adra hatte nämlich, nachdem wir morgens den Mietwagen zurückgegeben hatten (in El Ejido, halbe Stunde Busfahrt) und zurück in den Hafen kamen, das gesamte Büropersonal Fortbildung (u.a. Feuerlöschübung), es regnete in Strömen (und suppte in das nagelneue brutalmoderne Sichtbetonbüro), beide Marineros wollten rauchen (aus der Tür, Vordach gibt es nicht im Betonkubusmodernismus), der jüngere (unerfahrenere) musste in den sauren Apfel beißen und uns ausbuchen. Tat sich mit der Anzahl der abzurechnenden Nächte und der zugehörigen Addition etwas schwer. Und tippte eben auch falsch in das elektronische Abbuchungsgerät. – Jetzt, Paula kocht vor Ärger und tippt – selbstverständlich findet sie zwischen zwei Beschwerden auch noch Zeit, den hiesigen Hafenmeister zum Reden zu bringen, er erzählt von den Sorgen des Adra-Hafenmeisters, auch von seinen eigenen Sorgen, auch von seiner Zeit in Deutschland (man spricht deutsch) etc. pp. – kommt der Anruf des (überarbeiteten: Personalmangel!) Hafenmeisters aus Adra, er entschuldigt sich, es sei ihr Fehler (bzw. der des Marineros) gewesen, und will die Sache auf jeden Fall aus der Welt schaffen. Und plötzlich ist es relativ einfach möglich, meine Nachzahlung rückgängig zu machen und eine Zahlung des (um eine Nacht) verminderten Fehlbetrags auf den Weg zu schicken.
Drei Uhr legen wir ab, wollen noch tanken, (Montags geschlossen! Aber Montagnachmittag kommt doch einer!), sind um 16:00 endgültig auf dem Weg Richtung Malaga, wollen den endlich wehenden Ostwind zu nutzen, so gut es geht.

Meuterei hat ein Gesicht: weiblich

Geht aber leider gar nicht. Draußen vor dem Hafen und weiter draußen vor irgendwelchen Fischreusen weht kein Lüftchen. Eine halbe Stunde hält die Crew das aus. Dann Meuterei. Durch die Nacht segeln wollten wir ohnehin. Aber die Nacht durch auf der Stelle stehen? No way. Segel runter, Selbststeueranlage abbauen: wir motoren.

Abbauen. Hier: Ruder der Hydrovane („Georgie“)

Unter Motor muss die ELLI die gesamte Zeit von Hand gesteuert werden. Wir fahren zwei-Stunden-Wachen. Paula hat von sechs bis acht, ich mache von acht bis zehn und von zwölf bis fünf, Paula bis halb acht, ich den Morgen. Tierisch anstrengend, obwohl es eine sternklare, schöne Nacht ist. Wenn wir vor neun in Gibraltar sind, steht die Strömung gegenan. Also drosseln wir für die letzten drei Stunden. Insgesamt wird der Motor bis in die Marina Alcaidesa von La Linea de la Conception 21,5 Stunden klaglos gelaufen sein, wir haben unzählige Frachter, Tanker, Kreuzfahrtschiffe gesehen. Und Delfine. Auch grünlich leuchtend.

The Rock

In La Linea steht Programm an: Einkäufe, Besorgungen, Gibraltar: Fußgängerzone Uhren- und Schmuckparadies. Was der Engländer halt so kauft, wenn er in Urlaub ist.

Paula und zwei Affen
Drei Affen

Seilbahn zum Affenfelsen. Der erste Pavian wartet gelangweilt direkt an der Ausstiegsstelle auf die Gondeln. Der winzige Bereich am Bergkamm, von dem aus man auf das Mittelmeer schauen kann, ist sehr eng abgezäunt. Mauerreste von militärischen Ausgucksgebäuden. Ein Pavianpärchen posiert. Erst laust sie ihn „liebevoll“ würde man menschelnd sagen. Dann begattet er sie, das Vorspiel sind zwei Klapse auf den Rücken, sie hebt den Hintern, er steigt auf, stößt kurz zu, nach fünf Sekunden (nicht untertrieben!) stöhnt er auf und alles ist vorbei. Er stolziert weg, rekelt sich in der Sonne, ihr läuft der Saft aus seinen extradicken Klöten aus dem Hinterteil. »Like they do it on Discovery Channel«. Irgendwie frustrierend und schockierend, wie unsere zweitnächsten Verwandten so gar nichts Charmantes an sich haben. Dann wieder typisch menschliche Gebärden: Sie puhlt sich am Hintern, schnüffelt am Finger, was sie gefunden hat, schüttelt leicht den Kopf und reibt das Zeug an den Mauerrest, auf dem sie sitzt.

Rückweg noch einmal durch die Fußgängerzone. Paula ersteht eine grüne Armbanduhr beim Araber und eine Silberkette beim Inder. Abends gibt es Superschinken (»pata negra«) in einer Stehkneipe in La Linea.

Nächster Morgen Aufbruch. Slawomir und Adriana fragen am Hafenmeisterbüro (wo wir anlegen müssen, um auszuchecken) nach einer Mitfahrgelegenheit für ihre Freundin Lina. Die habe jetzt so oft und lange (mehrere Wochen) Gelegenheiten für ihre Bekannten gesucht und selbst keine gefunden … Schneller Vorlauf: Inzwischen bin ich in Kontakt mit Lena. Wenn alles klappt fährt sie von Cádiz aus mit auf die Kanaren.)

Aus der Bucht raus laufen wir schon unter Segeln, bei leichtem Wind. Der einschläft, als wir mitten in der Einfahrt stehen. Das Boot reagiert nicht aufs Ruder, wir drehen uns unkontrolliert. Ob es Strömung gibt? Also Motor wieder an. Draußen frischt der Wind auf. Dabei zeigt der Windmesser (frisch repariert für 220€ (Platine)+70€ (Marco)) nur vier kn Wind: – kaum ein leichtes Lüftchen. Uns dagegen pfeift der Gegenwind um die Ohren: der Windmesser (Anemometer) spinnt ganz offensichtlich. Tatsächlich legt es uns ziemlich auf die Backe bei der Überfahrt nach Ceuta. Sicher Bf 6 bis 7.

Quer über die Straße: Rauschefahrt nach Ceuta

Als wir dort anlegen, erzählt uns der Marinero, dass die Leute von einem anderen Boot, das eine Stunde vor uns ankam, auch geklagt hätten über den heftigen Wind. Dabei ging es uns eigentlich ganz gut damit. Und rumgeheult haben wir auch nicht.

Abbauen. Hier: Skipper tucht auf (Beispielfoto)

Paulas Lieblingswitz:
Nach einer heftigen Segelpartie dreht eine Yacht unter Motor in den Hafen ein, nutzt das größte, leere, in Windrichtung liegende Becken, um die Segel einzuziehen. Kommt ein Polizeiauto vorbeigefahren, kehrt um, ein Polizist steigt aus, winkt und wedelt heftig gestikulierend mit den Armen.

»Da drüben ist die Polizei.«

Steuerfrau

»Die meinen nicht uns.«

Skipper (hängt über dem Großbaum und tucht auf)

»Die winken aber zu uns rüber«.

Steuerfrau

»Lass mich hier arbeiten!«

Skipper

»Ese velero, ese velero!« („Das Segelschiff da!“)

Polizeiauto (über Megaphon)

Und dann rast auch noch ein Lotsenboot mit Karacho auf uns zu: Wir müssen ins andere Hafenbecken, wo die Marina ist. Und zwar schleunigst.
(Wollten wir eh, nur in Ruhe die Segel einholen. Fanden die nicht gut.)

Die Überfahrt war nicht ganz einfach. Zwar hatte der Skipper Strömung und Kurs bestimmt, aber nicht mit derart starkem Wind gerechnet. Mitten auf der Straße (von Gibraltar) fällt ihm auf, dass sie auf dem geplanten Kurs den Hafen von Ceuta verpassen werden (und damit ein Landfall erst Stunden später möglich sein wird – östlich von Ceuta kommt erst einmal Wasser). Der Skipper versucht, Ruhe zu bewahren und spricht gelassen:

»Wir sind in Schwierigkeiten.«

Skipper (betont ruhig)

»Wüsste nicht, welche!«

Steuerfrau (überschwänglich, achselzuckend)

Hat echt Vertrauen in ihren Skipper, diese Paula. Irgendwie ließ sich dann doch ein Kurs noch höher am Wind anlegen, eine halbe Stunde lang musste auch der Motor zusätzlich aushelfen, aber irgendwie schafften wir es in den Hafen.

Porras: dicke Churros

Am Vorvorabend von Heiligabend gibt es Churros und Chocolate fast direkt am Anleger, an der Hafenpromenade. In der Stadt ist der Bär los. Ein Feinkostladen (Besitzer sind zwei fesche Jungmänner) präsentiert exquisite Köstlichkeiten und schenkt auch davon aus. Auf der Einkaufsstraße lärmt eine Blaskapelle, bollert der Weihnachtsmann persönlich freundlich winkend seinen Elektrowagen-Schlitten mit vorgeheißten Rentieren durch die Menge, führen identisch hergemachte Eleven einer Flamencoschule (Haare streng nach hinten in einen Dutt gefasst, blutroter Lippenstift, Augen auf schwarzes Loch geschminkt) stolz, vorgereckten Kinns, souverän und absolut synchron ihre Kunst auf (und im zweiten Durchgang die Tanzlehrerinnen, alle durchtrainiert, großaügig, unbeteiligt-stolz und zugleich berückend elegant).

Gestern (23.12.) die Bilge ausgeschöpft (wie immer nach heftigem Seegang), die Bolzen in den Decksabschlussleisten nachgezogen, zum Strand spaziert (fünf Minuten Weg, auf der anderen Seite der Innenstadt auf ihrer schmalen Halbinsel), Bier in Freiluftbar genommen: lauter aufgebretzelt-animierte junge Leute.


Weihnachten in Afrika
Hafenmeisterschaft

Heute, Heiligabend, findet in Ceuta die Hafenbeckenmeisterschaft statt: vierhundert Meter schwimmen. Manche nehmen‘s ernst.

Fisch: nur bei Lucas

Wir haben viel telefoniert (Famillich), Guiri („Fremde“)-Fisch bei Lucas, (Albadejo, edler als Mero, aber aus derselben Familie – »bestes Fisch in Meer!«.) Strandspaziergang, Turron. Spanierinnen präsentieren an Heiligabend alles, was Beine und Brust hergeben. Aufbretzeln ist gar kein Ausdruck. (Müsste eigentlich eher Abbretzeln heißen.) Nach dem Aperitif geht man in die Disko (klärt mich die Spanierin auf).

Sonntag (1. Feiertag) erst die Küste entlang getuckert, Grenzzaun gucken. War aber nicht deutlich zu sehen. Dann zum zweiten Mal die Straße gequert, guter Wind, Sonnenschein, nicht viel Seegang: Rauschefahrt mit 6 kn. Später, Richtung Tarifa, waren sogar über 8 Knoten drin (könnte günstige Strömung dabei gewesen sein; durfte aber laut Kartenangaben zu dem Zeitpunkt gar nicht geherrscht haben). Andererseits: später am Tag, schon fast in Sicht von Barbate, ging die Strömung, die eigentlich für uns sein sollte, gegen uns. Deutlich spürbare Fahrt (durchs Wasser), aber nur anderthalb Knoten (über Grund). Irgendwie hab ich die Strömungen (wieder mal) nicht richtig gecheckt. Ist aber auch schon anderen Yachten passiert, z.B. POLAR SEAL, Ryan & Sophie sailing. Trotz allem guter Schlag, Ankunft nach 13 Stunden und fast 40 nm um Mitternacht. Marinero (über Funk nicht erreicht: zu früh den Kanal gewechselt!) ruft vom Kai – wir können uns einen Liegeplatz aussuchen.

Montag (26.12., 2. Feiertag) Juan vom Nachbarboot VAGABONDO gesprochen, mit seiner Yacht (nach schwerem Unfall: von Frachter gerammt) achtmal den Atlantik überquert, mit dem Vorgängerboot ebenfalls acht Mal. Segelt später am Tag einfach los (obwohl nach meiner Wettervorhersage der Wind gar nicht besonders günstig zu werden versprach). Beruhigt mich: auch im Februar sind die Trade winds (Passatwinde) noch stabil. Nur weil sie an Weihnachten in der Karibik sein wollen, fahren die meisten schon Ende November. Und weil die Karibiksaison halt spätestens Anfang Mai zu Ende ist: Hurrikane. Nachmittags feinen Sand am Strand gesammelt: Orca-Vorsorge. (Danke, Petra, für den Tipp!) Ausprobieren muss ich es hoffentlich niemals. Feistes Abendessen mit Mojama (gepökeltes Tunfischfilet, mindestens so gut wie Schwarzwälder Schinken) und Lagrein aus Südtirol (Danke, ihr Piepers!). Dienstag (27.12.) viel zu spät (12:30) den Schlag nach Cádiz angefangen, aber (anders als vorhergesagt) Glück mit dem Wind gehabt, fast glattes Meer, Sonne: Rauschefahrt bis an Sancti Petri vorbei, die letzten drei Stunden unter Motor. An Cádiz: 20:30. Für einen Gang in die Stadt und ein Abendessen im Franzisco Uno hat es auch noch gereicht.

Cádiz

Heute Motorbilge (wieder einmal) ausgetupft, 200ml Öl, aber hauptsächlich Diesel und Wasser. Nebenbilge (Wasser) dito, Salonbilge (zwei Eimer) dito. Die See war nicht wild genug, um einen Vergleich zu haben, aber an den hundert Schrauben durchs Deck (ein gutes Drittel davon ließen sich mindestens eine Viertelumdrehung nachziehen, zwei mehr, die meisten gar nicht) scheint es nicht zu liegen, dass die ELLI leckt. Bimini zu bestellen versucht, passendes Teil gefunden, die Ferreteria-Frau Marieluz ruft auch beim Hersteller an. Aber: Betriebsferien bis 10. Januar. Da hoffe ich schon aus Cádiz abzufahren. Eine Höhlenkletterer-Strickleiter (Alu; Tipp von Juan) zu beschaffen stellt sich als noch viel schwieriger heraus: der einzige Laden dafür ist in Alicante; die können aber vielleicht nach Cádiz liefern. Mal sehen. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Oceansouth eine Scheißfirma ist und aus dem Verkehr gezogen gehört.

Landausflüge

Nationalpark Doñana: Flamingos, Hirsche, Wildschweine, Dachse. Zwei von vier haben wir gesehen. Das Westernstädtchen Rocío könnte ohne Umdekoration als Filmkulisse herhalten: vor den Häusern Querstangen, um Pferde anzubinden, vor den Kneipen überkopfhohe Tresentische, damit man auch hoch zu Ross sein Bier genießen kann – einmal im Jahr (25 Tage nach Ostern) ist der Ort Ziel einer Pilgerfahrt aus ganz Europa, große Herbergshäuser unzähliger Bruder-/Schwesternschaften (Hermandades) stehen 50 Wochen im Jahr leer. Aber in den zwei Wochen des Pilgerfestes kommen eine Million Feierfreudige, alle zu Pferd (Autos sind in der Zeit nicht erlaubt). Ach ja: es gibt kein Stück asphaltierte Straße, nur Sandwege. Nach einem Monat Dauerregen war die Anfahrt ein echtes Abenteuer. „Schlaglöcher“, also Pfützen, von der Größe eines halben Tennisfeldes säumen und versperren den Weg. Und sind bis zu hüfttief (was man nicht sehen konnte). Klar, dass es nacht war, als wir ankamen. Klar, dass es geregnet hat. Klar, dass wir zur falschen Pension gefahren sind. Klar, dass es die Straße mit der richtigen Adresse zwei Mal gab. Klar, dass wir zur falschen gefahren sind. Aber immerhin haben wir in ein leerstehendes Hostal hineingesehen: Auch innen sind die Häuser/Hostales noch im Zustand der mexikanischen Kolonialbauten –weißgekalkte Wände, dunkle Jalousien-Holztüren; Innenhöfe. Bezaubernd. Ach ja: die süßmild lächelnde Madonna wird zu den Feiertagen selbstverständlich auch aus der Kirche und durchs Dorf geschleppt.

Landroverfahrt durch den Nationalpark. Halb Sumpf-, halb Waldgebiet. Vögel ohne Ende, Rehe und Hirsche. Und der Spanische Luchs (nicht gesehen).

Außerdem: Granada, schnuckelige Pension im Albayzin, zwei wunderschöne Aussichtsplätze (Miradore): ein tieferliegender, von dem aus die Alhambra ohne die später ergänzte 19.Jhdt-Kuppel ausssieht wie zu Zeiten von Al-Andalus; ein höher liegender, von dem aus die gesamte Bebauung auf dem Hügel gegenüber zu sehen ist. Sacremonte-Spaziergang; Höhlenmuseum; weiter oben Hundegebell und das unangenehme Gefühl, Elendstourismus zu betreiben.

 29.12.: Segelausflug nach Rota, einmal quer über die Bucht von Cádiz. – Weißgekalktes Bilderbuchstädtchen, wie es die Amerikaner (große Navy-Base am Südrand von Rota) lieben. Kunstvoll-kitschige Blumentöpfe (Männer- und Frauenköpfe) hängen an den Hauswänden, überall sind Sinnsprüche, auf Kacheln gebrannt, angebracht. Einer der Matrosen von Kolumbus stammte aus Rota (und hat auf der zweiten Fahrt eines der Schiffe geführt). Auf dem Rückweg in der Dunkelheit fast verfahren und die Hafeneinfahrt von Cádiz nicht gefunden – Navionics musste aushelfen.

Cádiz: perfekt, um sich zu verlaufen

Gestern, Freitag (30.12.), in der Altstadt verlaufen, auf dem Zentralmarkt Tapas gegessen – Sylvester ist für die Spanier wie Heiligabend: Ausgehen und Party, Almodóvar hätte an den Frauenfiguren seine Freude gehabt – falsche Flasche Wein „great italian wine“ aufgemacht. Paula war im Museum: Ausgrabungen aus der Römerzeit. Cádiz ist mit dreitausend Jahren Geschichte eine der/die älteste Ansiedlung Europas.

Traubenverschlingen mit Aaron (Nachbarboot)

Programm für heute (Sylvester): Museum, Tapas auf dem Markt, Abendessen kalte Platte auf dem Boot, Requetón im Nachtclub an der Hafenpromenade. Schaun wer mal, wie Kaiser Franz gesagt hätte. Wenn er sich nach dem Qatar-Skandal noch zu äußern traute (lebt der überhaupt noch?).

Happy New Year am Strand